„Beim flächendeckenden Stromausfall wären auch wir recht schnell an Kapazitätsgrenzen“, erklärt Jürgen Wiesbeck, oberster DRK-Katastrophenschützer in Baden-Württemberg. Foto: Schäfer

Selbst Hilfsorganisationen halten im Fall eines großflächigen Stromausfalls nicht lange durch. DRK-Katastrophenschützer Jürgen Wiesbeck betont: „Mehrere Tage, dann ist es ohne Nachschub auch bei uns vorbei.“

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Baden-Württemberg ist Teil jener Hilfsorganisationen, die im Fall eines Stromausfalls eingesetzt werden.

Bei einem großflächigen Blackout wäre allerdings schnell Schluss mit der Leistungsfähigkeit. Das berichtet Jürgen Wiesbeck, Direktor der Bereitschaften im DRK-Landesverband und damit oberster DRK-Katastrophenschützer.

Herr Wiesbeck, welche Aufgaben übernimmt das DRK Baden-Württemberg im Fall eines Stromausfalls?

Bei einem Stromausfall muss man zunächst unterscheiden, ob er kurz oder lange andauert. Davon hängt unser eigenes Durchhaltevermögen ab, das, was wir operativ zu leisten in der Lage wären. Wir sind tätig in Katastrophenschutz, Rettungsdienst, Erster Hilfe, Altenpflege oder in Kitas. Die Bandbreite in all diesen Aufgabenfeldern ist enorm.

Nehmen wir an, es geht um einen Stromausfall, der wenige Stunden andauert und der regional begrenzt ist.

Bei Stromausfall können wir unser eigenes System, unsere eigene Handlungsfähigkeit für einen überschaubaren Zeitraum erst einmal weitgehend aufrechterhalten, darauf haben wir uns schon immer vorbereitet. Der Rettungsdienst, unsere Pflegeeinrichtungen und der Katastrophenschutz sind hierbei priorisiert, soweit das eben technisch möglich ist. Das sind unsere Kernaufgaben.

Wir würden uns auch um Betreuung und Unterbringung der Bevölkerung kümmern, sie mit den notwendigsten Dingen des Lebens versorgen, Küchen aufstellen, die entsprechende Infrastruktur im engen Schulterschluss mit örtlichen und regionalen Behörden aufbauen. Wie lange unsere Ausstattung personell und umfänglich reicht, hängt vom zeitlichen und örtlichen Umfang des Stromausfalls ab.

Sollte es zum großflächigen Blackout kommen: Wie lange halten Sie dann durch?

Die ersten 24 Stunden sind kein Problem. Dafür reichen die eigenen Ressourcen. Wir arbeiten auch daran, dass wir beispielsweise länger Strom und Treibstoff haben. Als Hilfsorganisation sind wir zwar besser gerüstet als Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger.  Aber alles, was über mehrere Tage geht, stellt uns vor dieselben Probleme wie alle anderen.

Inwiefern?

Wir haben keine eigenen großen Treibstofflager, keine eigenen Tankstellen, keine derartige Notstromversorgung, dass wir über mehrere Tage handlungsfähig bleiben – die Notstromaggregate laufen schließlich mit Sprit. Der geht irgendwann aus, genauso wie Lebensmittel oder Bargeld. Mehrere Tage, dann ist es ohne Nachschub auch bei uns vorbei.

Was könnten Sie bei einem Blackout, der Baden-Württemberg betrifft oder zumindest zahlreiche Landkreise umfasst, leisten?

Mit Ortsvereinen und Kreisverbänden sind wir in Baden-Württemberg in mehr als 600 Kommunen vertreten. Unsere Krisenmanagementstruktur ist aber darauf ausgelegt, dass wir bei Bedarf die Mittel an einem oder mehreren betroffenen Orten zusammenfassen.

Beim flächendeckenden Stromausfall wären auch wir recht schnell an Kapazitätsgrenzen. Da ginge es um eine große Zahl von Menschen, die zeitgleich unterstützt werden muss. Auch unsere Einsatzkräfte müssten versorgt werden. Das alles wäre voraussichtlich nur teilzentralisiert punktuell möglich.

Wie viel Unterstützung bekommt das DRK im Südwesten von Bund oder Land?

Grundsätzlich aus eigener Betrachtung zu wenig, insbesondere bei der Finanzierung von Ausstattung, Ausbildung und Unterbringung. Dennoch kommt es auch darauf an, welchen Fall man zugrunde legt. In Sachen Katastrophenschutz bezieht sich die aktuelle Unterstützung sicher nicht explizit auf einen tagelangen Stromausfall.

Die klassische Katastrophen-Vorstellung ist ein regionaler Ausfall. Dabei ziehen wir die Kräfte idealerweise zusammen. Das war beispielsweise auch bei der Flut im Ahrtal der Fall. Kräfte aus anderen Bundesländern wurden zur Erstversorgung hinzugezogen. Auch in diesem Szenario gab es keinen Strom, kein Wasser.

Für einen großflächigen Stromausfall gibt es also keine ausreichende Unterstützung?

Auf dieser Ebene gibt es bisher keine ausreichenden Vorbereitungen, keine Unterstützung im Hinblick auf einen Blackout. Große, geeignete Notstromaggregate schaffen wir derzeit auf eigene Kosten an, auch allradbetriebene Fahrzeuge.

Wir stocken unsere Ressourcen auf eigene Kosten auf, vor allem mit Spendengeldern. Das passiert aber in Dimensionen, die in einem Ereignisfall nur punktuell Unterstützung bieten können.

Würden Sie sich in Sachen Stromausfall und Blackout eine bessereAusstattung wünschen, Hilfe durch die Politik? In deren Planung spielen Sie für den Fall von Katastrophenlagen schließlich eine Rolle.

Das Thema kommt nach den Erlebnissen im Ahrtal und die aktuell drohende Energiemangellage jetzt erst richtig auf. Es gibt bestimmte Notsituationen, die man, wenn sie tatsächlich eintreten, nicht mehr nach normalen Ansprüchen kompensieren kann. Man müsste unglaublich viel Material und Ressourcen vorhalten, das ist unmöglich. Umso wichtiger ist es, dass die Bevölkerung dabei unterstützt wird, ihre eigene individuelle Durchhaltefähigkeit zu stärken. Zudem sollte transparent sein, was in welchem Szenario nicht mehr aufrechterhalten werden kann und wer Sonderrechte erhält, beispielsweise Krankenhäuser.

Was wäre darüber hinaus hilfreich?

​Eine bestimmte Bevorratung von Kraftstoffen, Lebensmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs. Wichtig ist die Beschaffung von Energieanlagen, etwa Notstromaggregaten, aber auch die Vorbereitung jedes Einzelnen und aller Unternehmen – nicht nur die der sogenannten kritischen Infrastruktur. Es gilt also der Auftrag sowohl an die Politik als auch an uns alle, die Voraussetzungen zu schaffen, dass ein Durchhalten in Notfällen möglich ist.