Hans-Ulrich Rülke. Foto: (sb)

Sonntagabend (3. Oktober 2021) feiert Hans-Ulrich Rülke im kleinen Familienkreis in Pforzheim seinen 60. Geburtstag. Kurz vorher stellte sich der FDP-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag den Fragen unserer Redaktion.

Oberndorf - Dabei nahm Hans-Ulrich Rülke kein Blatt vor den Mund, verteillte verbale Watschn an die Kanzlerkandidaten, vor allem an Armin Laschet, kritisierte die 2G-Regel und offenbarte, dass sein Name jüngst auf einer Todesliste aufgetaucht ist. Hans-Ulrich Rülke über...

...den Wahlkampf der Kanzlerkandidaten:
Es war bemerkenswert: Laschet wurde als Kasper wahrgenommen, Baerbock als diejenige, die ihren Lebenslauf gefälscht hat, und Scholz als langweilig, aber solide. Das hat am Ende kurioserweise zum Wahlsieg gereicht.

Hans-Ulrich Rülke: Wenn die Union sich zerlegt... 

...Schadenfreude oder Mitleid für die Union:
Weder noch, wenngleich ich mich am Wahlabend schon daran erinnert habe, wie die Unionsführung im September 2013 beim Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag auf der Bühne des Adenauer-Hauses in Berlin "An Tagen wie diesen" skandiert hat. Das haben wir als FDP nicht vergessen. Trotzdem freuen wir uns nicht, wenn die Union sich zerlegt. Eine Volkspartei der rechten Mitte war immer ein stabilisierender Faktor.

...die geringen Chancen einer Jamaika-Koalition:
Generell ist die FDP bereit, zu regieren, wenn wesentliche Positionen durchgesetzt werden können. Eine Koalition mit der CDU/CSU und den Grünen liegt uns grundsätzlich näher, das ist auch die klare Meinung unserer Wähler in Baden-Württemberg. Wenn Armin Laschet aber Unions-intern zerlegt wird, wird es schwierig mit Jamaika. Dann ist die Ampel die logische Konsequenz.

Lesen Sie hier: Wie kann eine Ampel-Koalition gelingen?

...das Abschneiden der FDP:
Unser Ergebnis war brillant. 15,3 Prozent – das beste Resultat aller Landesverbände. Wir hatten im März schon einen erfolgreichen Landtagswahlkampf, bei der Bundestagswahl konnten wir mit einem ehemaligen Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten (Anm. d. Red.: Michael Theurer) an der Spitze daran anknüpfen.

Rülke: Christian Lindner trifft das Lebensgefühl vieler junger Menschen

...die zahlreichen, jungen FDP-Wähler:
Dafür gibt es drei Gründe: Christian Lindner als Spitzenkandidat hat das Lebensgefühl vieler junger Menschen getroffen. Die Digitalisierung bewegt junge Wähler – und hier wird der FDP eine hohe Kompetenz zugeschrieben. Und auch das Thema Klimaschutz, wo der technologieoffene Ansatz der FDP viele junge Menschen anspricht, hat uns geholfen.

...den Druck, vor allem beim Klimaschutz zu liefern:
Eine Luisa Neubauer wird mit einer Koalition, in der Grüne und FDP zusammenarbeiten, nicht zufriedengestellt werden können. Sie wäre aber auch nicht zufrieden, wenn die Grünen mit absoluter Mehrheit regieren würden. Man kann die Klima-Politik nicht absolut sehen, sondern muss eine Vielfalt von Interessen berücksichtigen, die Akzeptanz der Bevölkerung haben und Entscheidungen abwägen. Es gilt einen Weg zu finden, der das Klima schützt, der aber auch den Wohlstand erhält. Klimaschutz über alles ist keine kluge Politik, da immer die Auswirkungen der Entscheidungen berücksichtigt werden müssen.

Lesen Sie hier: Bauwirtschaft fordert Klimabauprämie

Rülke: Anreize der Politik bei Hybrid-Fahrzeugen sind absurd  

...über E-Autos und Verbrennungsmotoren:
Das Verbrennen von fossilen Stoffen wird irgendwann sein Ende finden, aber die batterie-elektrische Mobilität ist nicht das alleinige Heil. Die Frage ist doch, ob Verbrennermotoren nicht etwas Klimafreundlicheres verbrennen können als Benzin und Diesel. Synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff werden für die Verkehrswende der Zukunft elementar sein, weil weltweit noch für Jahrzehnte hunderte von Millionen von Verbrennern fahren werden – auch wenn zum Beispiel VW-Chef Herbert Diess etwas anderes propagiert. Nicht zu vergessen, dass ein E-Auto über den Lebenszyklus gesehen nicht klimafreundlicher ist als ein Dieselfahrzeug der Euro-Norm 6D. Die Wahrheit ist aber auch, dass die Politik sogar Anreize für den Kauf von Hybrid-Fahrzeugen setzt, obwohl damit der Spritverbrauch insgesamt sogar höher ist, weil oftmals die Batterie gar nicht genutzt wird. Absurd.

Rülke: Maskenpflicht an Schulen sollte fallen

...die Maskenpflicht an Schulen:
Angesicht der weiter steigenden Impfzahlen, der regelmäßigen Tests und dem Wissen, dass es bei den Schülern keine nennenswerten Erkrankungsraten gibt, sollte die Maskenpflicht an Schulen schnellstmöglich fallen. Hier wird politisch zu stark reguliert. Hier ist es nicht mehr angemessen, den Gesundheitsschutz über die Bürgerrechte zu stellen.

Lesen Sie hier: Wann die Maskenpflicht zumindest an Unterrichtsplätzen wegfällt

...die Corona-Politik:
Eine Überlastung des Gesundheitssystems droht schon lange nicht mehr, daher sind die Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte nicht mehr verhältnismäßig. Mittlerweile versteht die Bevölkerung die Maßnahmen auch immer weniger.

Die 2G-Regel ist nicht verhältnismäßig, aber...

...die Impfpflicht durch die Hintertür:
Die 2G-Regel ist nicht gerechtfertigt und verhältnismäßig. Wir werben zwar für das Impfen, aber wir wollen niemanden zwingen. Die entsprechende Person muss aber wissen, dass das Risiko der Erkrankung höher ist. Wenn zum Beispiel dann Konzertveranstalter oder Unternehmen von ihrem Recht Gebrauch machen, 2G durchzusetzen, dann ist das so.

Hans-Ulrich Rülke steht auf Todesliste der Antifa 

...die drohende Spaltung der Gesellschaft:
Derzeit kursiert in sozialen Netzwerken eine Todesliste der Antifa mit 250 Namen. Auch ich befinde mich als angeblicher Corona-Leugner darauf. Die Gefährdungslage wird vom Bundeskriminalamt als nicht erhöht eingestuft, aber schön ist so etwas nicht. Mittlerweile ist alles nur noch schwarz oder weiß. Differenziertheit und vermittelnde Positionen gibt es immer weniger. Die gesellschaftlichen Extreme führen Glaubenskriege gegeneinander. Diese Stimmung in der Gesellschaft macht mir Sorgen.

...die USA als Vorbote für Deutschland und Europa:
Bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen können wir schon seit einigen Jahren in den USA beobachten. Ich befürchte, dass die gesellschaftlichen Reaktionen auf die Pandemie Vorboten für eine ähnliche Spaltung bei uns sein könnten. Es gibt eine sehr starke Polarisierung und Radikalisierung im Denken, der Tankstellenmord in Idar-Oberstein war jüngst ein Beispiel dafür.

...Beleidigungen im Netz:
Bei Facebook schaue ich mir vieles an üblem Gepöbel schon gar nicht mehr an. Auf Instagram sind die Leute vernünftiger.