Immer mehr Grund zum Jubel hat Nathalie Armbruster. In Otepää zündete sie die nächste Erfolgsstufe. Foto: Schaad

Sie ist erst 17 Jahre alt und stellt die Welt der nordischen Kombiniererinnen in ihrer ersten Weltcup-Saison auf den Kopf: Nathalie Armbruster aus Freudenstadt.

Sonntag, 13.01 Uhr im eiskalten estnischen Otepää. Vor der letzten Kurve der Weltcup-Entscheidung der nordischen Kombiniererinnen setzt die Läuferin mit der Startnummer 4 zum Überholen an, geht an der knapp vor ihr laufenden Nummer 5 vorbei, und ein lauter Jubelschrei hallt durch die Arena. Die gerade erst 17 Jahre alt gewordene Nathalie Armbruster sichert sich eine Sekunde vor ihrer Konkurrentin Lisa Hirner aus Österreich den zweiten Platz – das beste Weltcupergebnis, das je eine deutsche Kombiniererin erreichen konnte.

Die Freude herausgeschrien

„In der letzten Abfahrt beziehungsweise dann in der Kurve, in der ich an Lisa vorbeigegangen bin, habe ich gemerkt, dass es heute wirklich möglich sein könnte, das zu erreichen, und dieses Gefühl, diese Freude habe ich einfach auf der Ziellinie herausgeschrien, als ich es wirklich geschafft habe“, erzählt die Athletin des SV/SZ Kniebis freudestrahlend und eloquent. Und dieser zweite Platz muss noch nicht das Ende der Fahnenstange bedeuten.

Rasanter Aufstieg

Als Nathalie Armbruster beim ersten Weltcup der Saison im norwegischen Lillehammer erst Dritte und dann – hauchdünn um eine Fußspitze von Lisa Hirner geschlagen – Vierte geworden war, zog sie schon ein „absolut positives“ Fazit des Wochenendes. Ihr erster Weltcup-Podestplatz und ganz knapp am zweiten vorbei: „Das wird ein paar Tage dauern, bis ich das realisiert habe“, meinte sie damals und wiegelte auf die Frage nach noch höheren Ambitionen ab: "Mein Ziel ist es nicht, Gyda Westvold Hansen zu schlagen. Sie ist die Beste, und ich bin gerade erst im Weltcup gelandet. Mir fehlen einfach noch viele, viele Trainingskilometer und viel Erfahrung.“

Manchmal geht es schneller als gedacht. Denn die Freudenstädterin, die schon als Kind bei „Jugend trainiert für Olympia“ alle Jungs hinter sich gelassen hat, wie sich ihr Entdecker und Heimtrainer Klaus Faißt erinnert, lag in Lillehammer noch 1:29,6 Minuten hinter Westvold Hansen, bei ihren beiden nächsten dritten Plätzen Mitte Dezember im österreichischen Ramsau waren es noch 1:04,7 Minuten beziehungsweise 58,5 Sekunden. Und jetzt das: In Otepää reduzierte sie den Rückstand noch einmal um die Hälfte. „Ich war nur 26 Sekunden hinter Gyda Westvold-Hansen, und die ist ja wirklich das Maß aller Dinge. Es war einfach ein absolut genialer Tag. Ich bin überglücklich und kann es selbst noch gar nicht ganz glauben, dass ich das tatsächlich geschafft habe“, sprudelte es aus ihr heraus.

Spagat zwischen Sport und Schule

Und nun geht es vom Abenteuer in Otepää zurück aufs Kepler-Gymnasium in Freudenstadt, wo sie die elfte Klasse besucht. Die Schule unterstützt sie, wo es geht, die Fehlzeiten summieren sich aber eben doch. Einen Wechsel ins Skiinternat Furtwangen lehnt sie ab, ihr Umfeld ist ihr zu wichtig. Schließlich ist ihre lebensfrohe und unbekümmerte Art ein großes Plus, und so soll es bleiben. Live vor den ARD-Kameras ließ sie es sich deshalb nicht nehmen, am Ende des Interviews ihrer Familie „vielen, vielen Dank“ zu sagen, „dass Ihr mich immer so super unterstützt, weil: Ohne diese Unterstützung wäre das niemals möglich.“ Und auch nicht ohne ihren eigenen anstrengenden Einsatz, denn den versäumten Schulstoff holt Nathalie Armbruster auf der Anreise zu den Weltcup-Orten nach, bei der Abreise, auf dem Hotelzimmer. Am Tag nach dem Ramsau-Doppelpodest stand sofort eine Klausur auf dem Schul-Stundenplan. Das belastet Körper und Geist zusätzlich.

Doch in den Rennen ist der Kopf wieder völlig klar. „Nathalie hat das taktisch super gemacht“, lobte Bundestrainer Florian Aichinger in Estland, „sie hat ganz clever reagiert bei der Attacke von Lisa Hirner, ist hinten draufgeblieben, und in der Abfahrt ist sie unten rausgegangen und hat das auf der Zielgeraden für sich entschieden.“ Sein Fazit gilt ganz allgemein für die bisherige Karriere von Nathalie Armbruster: „Das war cool!“ Bis zum nächsten Weltcup in Seefeld (26. bis 29. Januar) kann sich Aichinger schon einmal überlegen, welche Steigerung er für die Beschreibung von Nathalie Armbrusters Leistung finden kann.