Die Päckchen mit den unberechenbaren Drogen sind fröhlich und bunt gestaltet. Auch in der Region spielen „Legal Highs“ eine Rolle. Foto: dpa/Pauline Willrodt

Kleine bunte Tütchen, als Badesalz oder Kräutermischung beschriftet und mit der Post geliefert. Auch Jugendliche und junge Erwachsene aus der Region bestellen sogenannte „Legal Highs“ im Internet – und riskieren damit Gesundheit und Leben. Wir klären auf, warum „Legal Highs“ nicht legal sind, warum sie tödlich sein können und mit welchen ekligen Zutaten sie gestreckt werden.

Rauschmittel sind manchmal leicht zu haben: In Horb und Freudenstadt sorgten Automaten mit Hanfprodukten kürzlich für Aufregung und bald wird Cannabis wohl legal sein. Bei anderen Drogen steckt das „Legal“ schon im Namen – obwohl das falsch ist. Sogenannte „Legal Highs“ oder „Neue psychoaktive Substanzen“, kurz NPS, sind nicht „legal“, sondern ein Trick von Drogenherstellern.

Bis 2016 musste jedes Mittel einzeln geprüft und verboten werden. Deshalb wurden bei „Legal Highs“ die Drogenrezepte so minimal verändert, dass sie wieder „legal“ sind – bis sie erneut verboten werden. „Das war eine Zeit lang ein Katz- und Mausspiel“, sagt Markus Göttle, Chefarzt der Suchtstation in Calw-Hirsau. Erst seit 2016 können ganze Stoffgruppen verboten werden. Verkauft werden NPS trotzdem. Die Suchtberaterin Pia Wenzler aus Villingen-Schwenningen meint: Die Drogenhersteller finden ihre Wege, sich um die Gesetze herumzuschlängeln. Und wird eine Onlineshop geschlossen, taucht anderswo ein neuer auf.

Die Konsumenten sind meist junge Erwachsene oder Jugendliche, manche erst 14 Jahre alt. Obwohl die Drogen in lustig-bunten Packungen daherkommen – sie sind hochgefährlich. Mit Pech sind sie zum Beispiel mit Strychnin, Rattengift, Haarspray, Sand oder flüssigem Glas gestreckt, berichtet die Suchtberaterin. In den Tütchen können also scharfkantige Glaskristalle sein.

Sieht aus wie zum Kochen, ist aber illegales Rauschgift: NPS werden auch als „Kräutermischungen“ angeboten. Foto: dpa/Christoph Schmidt

NPS imitieren die Wirkung von „herkömmlichen Drogen“ wie Cannabis, Opium oder Kokain. Manchmal seien Kokain- oder Crystal-Meth-ähnliche Stoffe enthalten, um Konsumenten süchtig oder süchtiger zu machen, erzählt Wenzler. Aber auch:„Die Konsumenten beschreiben das als keinen schönen Rausch.“ Warum sie es trotzdem nehmen? „Weil nichts anderes da ist, um die Sucht zu stillen“, antwortet sie.

„Russisches Roulette“ mit den Drogen aus dem Internet

„Man hat keine Kontrolle, was man da kauft“, sagt der Rottweiler Suchtexperte Jörg Hügel. Selbst wenn über die gleiche Seite beim gleichen Händler nachbestellt wird – die Zutaten können komplett andere sein. Flapsig gesagt: Beim lokalen Dealer kann sich der Kunde über miese Qualität beschweren. Bei anonymen Internethändlern nicht.

„Russisches Roulette“, nennt Wenzler aus Villingen-Schwenningen den Konsum. Nicht ohne Grund: Die Folgen sind unberechenbar. 2020 starb etwa in Freudenstadt ein junger Mann. Die Calwer Suchtberatin Pia Vollmer erinnert sich an einen Klienten, der eine starke Sozialphobie entwickelt habe. Maria Flaig-Maier von der Suchtberatung Freudenstadt erinnert sich ebenfalls an einen Fall. Der Klient habe „wirklich alles genommen“ – war also ziemlich drogenerfahren. Spice, das aus synthetischen Cannabinoiden besteht, habe ihn aber „vollkommen umgehauen“.

„Spice“ habe einen Klienten „vollkommen umgehauen“, berichtet Suchtberatin Maria Flaig-Maier. Foto: dpa/Marijan Murat

Ängste, Wahnvorstellungen und Aggression gehören zu den Entzugserscheinungen. „Wir hatten Leute, die völlig verängstigt waren, aber auch um sich geschlagen haben,“ erzählt der Calwer Psychiater Markus Göttle. Zur Entgiftung bleibt nur ein kalter Entzug. Ersatzstoffe gibt es nicht. „Man weiß ja gar nicht, was sie wirklich eingenommen haben“, erläutert er. Die Ärzte können Medikamente gegen die Entzugserscheinungen geben.

Drogennutzer verzichten aufs Glücksspiel mit NPS

Meist werden die NPS neben anderen Drogen konsumiert – im Verhältnis zu anderen Mitteln sind sie aber recht selten. Im Kreis Rottweil sind NPS zwar verbreitet, aber Alkohol und Cannabis sind viel häufiger. Wenige Fälle gibt es auch in der Suchtberatungsstelle in Calw. „Ein bis zwei im Jahr vielleicht – das ist eine Rarität“, meint Vollmer.

Psychiater Göttle glaubt: Der Höhepunkt dieser Drogen ist überschritten. Die Freudenstädter Suchtberaterin Flaig-Maier denkt ebenfalls, dass sich in der Drogenszene herumgesprochen hat, dass die Stoffe ein wahres Glücksspiel sind.

Wie sich „Legal Highs“ tarnen

Wie sich „Legal Highs“ tarnen
Die „Legal Highs“ wirken harmlos: bunte Päckchen mit Quietscheenten, dem Krümelmonster oder bunten Kugeln drauf. Vertrieben werden sie unschuldig als „Badesalz“ oder „Kräutermischungen“ übers Internet, in der Regel mit dem Hinweis „Nicht für den menschlichen Verzehr geeignet“. Je nach Sorte werden die Drogen dann geschnupft, geraucht oder geschluckt.

Wie „Legal Highs“ Kundschaft finden
Der Leiter der Rottweiler Suchtberatung, Jörg Hügel, erzählt zudem: „Manche probieren bei anderen aus und bestellen die Stoffe dann selbst.“ Userberichte und Werbung auf Social Media brächten ebenfalls Kundschaft.