Die verschwundene 26-jährige Scarlett. Foto: Polizei

Scarlett S. verschwand vor drei Jahren spurlos auf dem Fernwanderweg Schluchtensteig im Südschwarzwald. Unfall oder Verbrechen? Was steckt hinter dem Vermisstenfall? Was bekannt ist - und was nicht.

Trotz großangelegter Suchaktionen, zahlreichen Hinweisen und Zeugenbefragungen fehlt nach wie vor jede Spur der Vermissten aus Nordrhein-Westfalen. Vor drei Jahren erhielt die Familie das letzte Lebenszeichen von Scarlett.

Aktuell gebe es keine neuen Hinweise, bestätigen die Angehörigen von Scarlett auf Nachfrage unserer Redaktion. Doch die Familie hofft weiter: „Wir geben nicht auf! Und wir werden weiter nach Scarlett suchen, bis wir wissen, wo sie ist!“

Was seit September 2020 passiert ist.

Das letzte Lebenszeichen an die Familie

Vor zwei Jahren, am 9. September 2020, schickt Scarlett die letzten Fotos aus St. Blasien an ihre Familie.

Der Tag des Verschwindens

Die 26-Jährige gilt seit dem 10. September 2020 vermisst. An diesem Tag will sie von Todtmoos zur letzten Etappe ihrer Wanderung auf dem Schluchtensteig aufbrechen. Aufnahmen einer Supermarkt-Überwachungskamera zeigen sie an dem Morgen noch beim Einkaufen. Ihr Handy wird letztmalig an diesem Tag beim Kurpark in Todtmoos geortet.

Die Suche beginnt

Am 13. September leitet die Polizei die Fahndung nach der Vermissten ein. Beamte durchkämmen das abfallende, teils schwer zugängliche Gelände. Mantrailer-Hunde, Hubschrauber und Drohnen sind im Einsatz.

Wie in solchen Fällen üblich, gehen die Ermittlungen kurz nach dem Verschwinden von Scarlett an die Polizei in Bad Lippspringe im Kreis Paderborn, dem Heimatort der Verschwundenen, über.

Die Ermittlungen werden ohne Ergebnis eingestellt

Eine Woche nach dem Verschwinden der 26-Jährigen stellt die Polizei die Ermittlungen ein. Die Beamten gehen von einem Unglück aus. Die großangelegte Suche in dem teils unwegsamen Gelände nahe der Schweizer Grenze endet ohne greifbares Ergebnis.

Die Familie will Gewissheit

Familie und Freunde der Vermissten gründen im November 2020 die Facebook-Seite "Bitte findet Scarlett". Dort werden regelmäßige Updates zum Vermissenstatus, zu polizeilichen Ermittlungen und diverse Suchaufrufe geteilt. 

Freiwillige setzen die Suche fort

Auf ihrer Facebook-Seite berichtet die Familie der jungen Frau über die Suche aus der Luft. Ein Pilot bietet seine Hilfe an, überfliegt das Wehratal mit einem Flugzeug. Parallel durchkämmen immer wieder ganze Gruppen von Freiwilligen zu Fuß das Gelände. Ohne Ergebnis.

Liegt doch ein Verbrechen vor?

Anfang September 2021 wird Strafanzeige erstattet. Darin heißt es, Scarlett S. sei Opfer einer Straftat geworden. Aufgrund dessen fällt die Zuständigkeit zurück an die Staatsanwaltschaft Waldshut. Ein Todesermittlungsverfahren wird eingeleitet. Konkrete Hinweise auf ein Verbrechen finden die Ermittler nicht.

Suchhunde spüren Fährte auf

Über Wochen unterstützen Suchhunde-Teams die Familie. Sie finden eine Spur. Das Ergebnis teilt Scarletts Familie auf Facebook: Scarlett hat die Wanderung wie geplant angetreten. "Ihre Spur geht eindeutig Richtung Park/Reha Klinik/Einstieg Schluchtensteig", heißt es in einem Beitrag vom 21. September. Am Parkplatz Wehratalbrücke verliert sich ihre Spur. Im selben Post räumt die Familie mit einem beunruhigenden Gerücht auf: Könnte es sich bei einer im Wald nahe Freudenstadt gefundenen Frauenleiche um die vermisste Scarlett handeln? Immer wieder war diese Möglichkeit in den Sozialen Medien aufgegriffen worden. Doch es ist genau das: ein Gerücht. Die Leiche wird später als die einer 36-Jährigen identifiziert. Die Frau stammte aus Polen, als tatverdächtig gilt ihr Partner.

Der Fall kommt ins Fernsehen

Die Moderatorin und ehemalige Oberkommissarin Alexandra Rietz hat mit ihrem Team über den Sommer einen Teil der Freiwilligen bei der Suche begleitet. Die Sendung “Wenn Menschen verschwinden” wird am 22. November auf "Sat1 Gold" ausgestrahlt

Aktenzeichen XY rückt Scarlett erneut in den Fokus der Öffentlichkeit

Die Vermisstensuche wird in einer Spezialausgabe der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY …vermisst" behandelt. Seit Ausstrahlung der ZDF-Fernsehsendung am 29. Juni 2022 verzeichnet die Behörde dadurch über 140 Hinweise.

Der zweite Jahrestag

Der Tag des Verschwindens von Scarlett jährt sich am 10. September 2022 zum zweiten Mal. Scarletts Familie sucht verzweifelt weiter. Die meisten Hinweise hat die Kriminalpolizei Waldshut-Tiengen inzwischen abgeklärt. Eine heiße Spur gebe es derzeit nicht, sagt die zuständige Staatsanwältin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Bringt eine Sonnenbrille Licht ins Dunkel?

Auf der Facebook-Seite der "Bitte Findet Scarlett“-Suchgruppe lässt am 26. Dezember 2022 ein Post neue Hoffnung aufkeimen. Eine Wanderin habe die Sonnenbrille der seit über zwei Jahren Vermissten gefunden. Eine DNA-Untersuchung habe dies eindeutig bewiesen, heißt es. Später wird der Facebook-Post korrigiert. Zwar wurde tatsächlich eine Sonnenbrille gefunden, die Scarlett gehören könnte. Die DNA-Untersuchung steht aber noch aus.

Die Hoffnung platzt

An der im Sommer gefundenen Brille gebe es keine ausreichenden DNA-Spuren, teilt die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen am 19. Dezember 2022 nach einer kriminaltechnischen Untersuchung mit. "Möglicherweise wurde ehemals vorhandenes menschliches DNA-Material durch mikrobielle oder Witterungseinflüsse beseitigt".

Ermittlungen werden eingestellt

Die Staatsanwaltschaft Waldshut stellt Ende Februar 2023 das Todesermittlungsverfahren ohne Ergebnis ein. Staatsanwältin Rahel Diers betont jedoch, dass damit der Fall Scarlett keinesfalls abgeschlossen sei. Die Zuständigkeit für das Verfahren ginge aber nun wieder zurück an die Polizei. Scarlett werde auch nicht für tot erklärt, das könne frühestens zehn Jahre nach ihrem Verschwinden und auch nur auf Antrag, beispielsweise der Familie, geschehen. Seitdem gilt der Fall als „Cold Case“, als ungelöster Vermisstenfall, in dem alle Spuren und Hinweise abgearbeitet wurden und keine stichhaltigen neuen Erkenntnisse erlangt worden sind.

Die Familie hofft weiter

Am 6. Juni 2023, genau 1000 Tage nach dem Verschwinden der damals 26-Jährigen, teilt die Familie von Scarlett in einem Facebook-Post ein Bild der Vermissten und drückt damit ihr Leid aus. Nach wie vor hoffen die Angehörigen auf weitere Hinweise. Unter dem Post heißt es: „....und es gibt die Gewissheit, dass wir nicht aufgeben werden nach dir zu suchen!“

Auf die Frage einer Userin in den Kommentaren unter dem Bild, ob denn niemand mehr nach Scarlett suchen würde, antwortet ein Familienmitglied: „Doch das wird es. Das Gebiet ist eben sehr groß, und es gibt immer noch offene Stellen, die abgesucht werden müssen.“

Ein paar Schuhe als neuer Hinweis 

Vor ein paar Monaten gab es mal wieder einen Hinweis: Im Zusammenhang mit einem Tötungsdelikt im Juni in Jestetten im Kreis Waldshut meinte eine Zeugin, sie habe ein Paar Schuhe bei einem Erdhaufen nahe der Grenze zur Schweiz am Hochrhein gesehen. Vielleicht, so die These der Polizei, finde man dort die sterblichen Überreste von Scarlett, doch am Ende stellte sich der Erdhaufen nur als eine illegale Entsorgungsstelle von Erdaushub aus einem Garten oder von einer Baustelle heraus. Die Schuhe, so Polizeisprecher Thomas Spisla in Freiburg, hätten auch nicht zum Fall Scarlett gepasst.

Die Sache mit dem Erdhaufen sei der einzige brauchbar erscheinende Hinweis seit Langem im Fall der vermissten jungen Frau aus Bad Lippspringe in Nordrhein Westfalen gewesen, so Spisla. Ansonsten habe man zuletzt immer wieder „Tipps“ von selbst ernannten Sehern bekommen. Nichts, was ernst zu nehmen gewesen wäre.