Sie geben Einblick in die Arbeit der Staatsanwaltschaft: Frank Grundke, Michael Gross, die Leitende Oberstaatsanwältin Sabine Mayländer, Matthias Krausbeck und Achim Ruetz. Foto: Otto

Mit verstärktem Personaleinsatz ist die Staatsanwaltschaft Rottweil Straftätern auf der Spur. Ein Fall rückt aus aktuellen Gründen beim Jahrespressegespräch in den Fokus: der versuchte Mord in Seedorf, den zwei 14-Jährige begangen haben sollen. Der Prozess steht bevor. Wird die Jugend immer krimineller?

Dass die Staatsanwaltschaft in Rottweil nicht irgendeine Behörde ist, zeigt sich am Eingang: Nur durch eine Sicherheitsschleuse gelangt man ins Innere. Die Leitende Oberstaatsanwältin Sabine Mayländer und ihre Abteilungsleiter haben zum Pressegespräch geladen. Sie und die weiteren Mitarbeiter – insgesamt 57 – sind zuständig für die Kreise Rottweil, Freudenstadt und Tuttlingen mit insgesamt 400 000 Einwohnern.

Dabei bildet der Blick auf 2022 die Entwicklung der Kriminalität und der damit zusammenhängenden Verfahren ab. Und diese sind mehr geworden. Massiv steigende Cyberkriminalität, Geldwäschedelikte, eine Zunahme bei vorsätzlichen Körperverletzungen und Diebstählen. Und: Mord und Totschlag. 19 Verfahren gab es 2022 (im Vorjahr 18).

Jugendliche Täter

Unter anderem ist da der aufsehenerregende Fall aus Seedorf. Zwei 14-Jährige sollen einen 22-Jährigen im November brutal zusammengeschlagen und bewusstlos liegengelassen haben. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen versuchten Mordes erhoben. Wie ist der Stand der Dinge? Die Leitende Oberstaatsanwältin informiert, dass es sich um „jugendliche Intensivtäter“ handle, die schon vorher Straftaten begangen hatten, wegen Strafunmündigkeit aber bislang nicht belangt werden konnten. Und sie verrät, wie man ihnen auf die Schliche kam. „Es ist jugendtypisch, dass sie sich bei der Tat auch noch gefilmt haben“, so Mayländer. Das Handy wurde anderen gezeigt – jetzt sitzen sie in Untersuchungshaft. Man sei „guter Hoffnung“, dass die Hauptverhandlung bald beginnt.

Getötete 12-Jährige – verroht die Jugend?

Ins Bild passen da traurigerweise die Nachrichten aus Freudenberg, wo eine 12-Jährige von zwei gleichaltrigen Mädchen getötet wurde. Kopfschütteln bei den Staatsanwälten in Rottweil. „Es ist unfassbar“, so Sabine Mayländer. Verroht die Jugend? Ist eine derartige Entwicklung auch im Kreis Rottweil zu beobachten? Oberstaatsanwalt Michael Gross kann das nicht bestätigten. „Die Jugendkriminalität hat nicht zugenommen“, sagt er. Da habe es schon „ganz andere Zeiten“ gegeben. In der Öffentlichkeit würde aber oft ein anderes Bild vermittelt.

Wichtig sei die konsequente Verfolgung von Straftaten, sagt Sabine Mayländer. Im Fall einer aggressiven Jugendgruppe, die im vergangenen Jahr in Rottweil andere verletzte und drangsalierte, habe man in guter Zusammenarbeit mit der Polizei schnell gehandelt und die Täter angeklagt, berichtet Erster Staatsanwalt Achim Ruetz.

Zahl der Verfahren steigt

Insgesamt ist die Zahl der Ermittlungsverfahren um 11 Prozent auf 25 126 im Jahr 2022 angestiegen. Umso mehr sei es zu begrüßen, dass das Personal aufgestockt wurde, betont Sabine Mayländer. Statt 18 gibt es nun 24 Dezernenten. Und das wirke sich bereits positiv aus. Lag die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Verfahrens 2022 bei 60 Tagen, so sind es – Stand jetzt – im Schnitt 45 Tage. Nahezu unverändert sind die Quoten beim Abschluss der Verfahren: bei rund einem Drittel kommt es zur Anklage, rund zwei Drittel werden eingestellt – weil die Tat nicht nachgewiesen werden kann oder aus Opportunitätsgründen, wegen geringer Schuld oder gegen Zahlung einer Geldbuße.

Internetbetrug auf dem Vormarsch

Auffallend: Die Verfahren wegen Geldwäsche haben sich mit 658 fast verdoppelt. Ein Grund sei in den steigenden Betrügereien im Internet zu suchen, so die Leitende Oberstaatsanwältin, die einen Einblick in die weltweiten Verstrickungen der Täter gibt. Viele Verfahren müssten ins Ausland abgegeben werden. Ermittlungen gegen Kontoinhaber ergäben teilweise, dass diese gar nicht wissen, wozu das „Probekonto“, das bei einer Internetbank eröffnet wird, genutzt wird. „Eine Überprüfung der tatsächlichen Identitäten findet im Internet oft nicht mehr statt.“ Das mache es Betrügern leichter. Dass es – beispielsweise auch nach einem Schockanruf – zu einer Anklage kommt, sei selten.

Aber: Wer von der Staatsanwaltschaft Rottweil angeklagt wird, der wird meist auch verurteilt, betont Michael Gross. Die Freispruchquote liege bei unter zehn Prozent.

Die Top-Verfahren

Das gilt auch für die besonderen Verfahren, die die Staatanwaltschaft 2022 noch beschäftigt haben: Im Bereich Horb, so erinnert Oberstaatsanwalt Matthias Krausbeck, wurde im Fall eines 2018 getöteten Unternehmers im Oktober 2022 eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig. Wegen Mordes in Tateinheit mit Brandstiftung in Talheim gegen einen 38-Jährigen hieß das Urteil ebenfalls lebenslange Haft. In dem Feuer starb die Mutter des Täters.

Komplex auch ein Fall in Trossingen: Zwei Verantwortliche des Kinderschutzbundes Trossingen wurden wegen Untreue zu Freiheitsstrafen verurteilt, wie Oberstaatsanwalt Michael Gross erinnerte. Und im Fall der Vergewaltigung einer 39-Jährigen 2018 in Loßburg wurde gegen den Angeschuldigten im Februar Anklage erhoben. Er war im Januar diesen Jahres aus Rumänien ausgeliefert worden. Wann der Prozess am Landgericht stattfindet, steht noch nicht fest, so Frank Grundke.

Eine weitere große Herausforderung steht der Staatanwaltschaft übrigens noch bevor: Die der Einführung der elektronische Akte bis 2026. Auch hier. so Sabine Mayländer seien alle Mitarbeiter engagiert dabei. Nebenher natürlich.