Im Mordfall Gechingen wurde Anklage erhoben. Foto: © p365.de - stock.adobe.com

Ende Oktober vergangenen Jahres starb eine 75-Jährige in ihrem Haus in Gechingen, rund einen Monat später wurde deren Tochter verhaftet. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage. Der Vorwurf: Mord aus Habgier.

Gechingen - Es ist ein Fall, der weit über die Grenzen Gechingens hinaus für Aufsehen sorgte: Am 26. Oktober 2021 war eine 75-jährige Seniorin leblos in ihrer Wohnung in Gechingen von Angehörigen aufgefunden worden. Etwa einen Monat später wurde die Tochter des Opfers verhaftet, die mit ihrer Mutter gemeinsam in deren Haus lebte – und zwar kurz nach der Beerdigung, noch auf dem Gechinger Friedhof. Seitdem sitzt die mittlerweile 48-Jährige in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft hatte unter Hochdruck ermittelt; Mitte Januar war bekannt geworden, dass die Ermittler eine Eisenstange sichergestellt hatten. Ferner hieß es, es seien keine Einbruchsspuren gefunden worden und die Seniorin durch "Einwirkung stumpfer Gewalt" zu Tode gekommen. Zu den mutmaßlichen Hintergründen der Tat, Motiven oder dem Tatablauf hatte sich die Staatsanwaltschaft allerdings weitgehend in Schweigen gehüllt – bis jetzt.

Angeklagte soll Mutter bestohlen haben

Am Dienstagvormittag berichtete die Staatsanwaltschaft Tübingen nun, dass gegen die 48-jährige Frau Anklage wegen Mordes erhoben wird. Demnach wird "der Angeschuldigten zur Last gelegt, wegen ihrer beengten finanziellen Verhältnisse, spätestens ab Anfang des Jahres 2021, wiederholt Abbuchungen vom mütterlichen Konto veranlasst zu haben, ohne hierzu berechtigt gewesen zu sein. Von den Überweisungen und Abbuchungen habe sie selbst beziehungsweise ihr Sohn finanziell profitiert. Ihrer Mutter sei bis Mitte Oktober 2021 ein Schaden von über 17 000 Euro entstanden".

Furcht vor Strafe und Verlust des Erbes?

Laut den Ermittlungen habe die Mutter dies im Oktober vergangenen Jahres bemerkt und ihre Tochter zur Rede gestellt. Diese wiederum soll "neben möglichen strafrechtlichen Konsequenzen befürchtet haben, die finanziellen Mittel der Mutter und ein mögliches Erbe zu verlieren oder von der Mutter aus dem Hause verwiesen zu werden", heißt es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Tübingen. Daraufhin soll der Entschluss gefallen sein, die eigene Mutter zu töten.

So vermuten die Ermittler den Tatablauf

Den Tatablauf rekonstruierten die Ermittler so: Am Morgen des 26. Oktober soll die Beschuldigte "zunächst versucht haben, ihre zu diesem Zeitpunkt noch schlafende und von ihr daher als wehrlos angesehene Mutter mit einem Kissen zu ersticken". Die Mutter sei dabei aber erwacht und habe sich gewehrt. "Daraufhin soll die Angeschuldigte eine Eisenstange zur Hand genommen und damit auf den Kopf ihrer Mutter mehrmals eingeschlagen haben." An diesen Verletzungen soll die Mutter kurze Zeit später verstorben sein, was die Tochter so auch beabsichtigt haben soll.

Die Beschuldigte wurde am 25. November 2021 vorläufig festgenommen, seitdem sitzt sie in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen.

Die Staatsanwaltschaft wertet die Tat als Mord; die Mordmerkmale der Heimtücke, der Habgier und der Verdeckungsabsicht seien erfüllt. Der Angeschuldigten droht bei einer dementsprechenden Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Info: Mordmerkmale

Die genannten Mordmerkmale definiert die Staatsanwaltschaft in ihrer Mitteilung so:

"Heimtückisch handelt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wer eine zum Zeitpunkt der Tat bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt. Arglos ist dabei, wer sich zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs nicht versieht, mithin davon ausgeht, vor einem Angriff sicher zu sein. Wehrlos ist, wer in seiner natürlichen Abwehrfähigkeit stark oder gänzlich eingeschränkt ist.

Habgierig handelt, wer einen Menschen aus Gründen der Vermögensmehrung umbringt. Dem Mordmerkmal unterfallen daher Taten, die sich dadurch auszeichnen, dass der Täter das Opfer um eines Vermögensvorteils willen tötet. Habgier erfasst danach ein Streben nach materiellen Vorteilen, das aus Sicht des Täters auf die Herstellung einer im Ergebnis nicht rechtskonformen Güterzuordnung gerichtet ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes tötet mit Verdeckungsabsicht, wer die Tat begeht, um eine andere Straftat, deren Spuren oder den Täter zu verdecken, mithin um die Aufklärung zu verhindern oder um die Beute aus der Vortat zu sichern."