Lernten sich "Ausgräber" Ö. und Mohammed O. in der Justizvollzugsanstalt Rottweil kennen? Foto: Archiv-Foto/Schickle

Durchsuchung bei Männern, die möglicherweise die Beute holten, fanden erst Tage später statt.

Rottweil/Horb - Gibt es eine neue Polizeipanne in den Ermittlungen um die Ausgrabungen in Nordstetten? Die Hauptsachbearbeiterin der Kripo hat jetzt im Gericht gesagt, dass die Verdächtigen frühestens am 9. Januar durchsucht wurden.

Für den Laien sind diese Schilderungen unglaublich. Eine Zeugin hatte am Freitag, 4. Januar, in Nordstetten mindestens vier verdächtige Personen beobachtet. Ihr Verdacht: Es könnte was mit dem Mord an Michael Riecher zu tun haben, denn die Männer sind mit einem Auto mit Ludwigsburger Kennzeichen vor Ort. Die Spur zu einem der Angeklagten führte dorthin.

Sie ruft mehrmals die Polizei an, nennt nach eigenen Angaben selbst den Zusammenhang mit dem Mordfall. Doch die Polizei erscheint erst spät, kommt dann irgendwann auf die Idee, dass die Männer möglicherweise die "große Beute" aus dem Riecher-Mord ausgegraben und weggebracht haben könnten. Und wann fängt die Kripo an, bei den Verdächtigen zu durchsuchen? Fünf Tage später.

Spuren im Kompost gesichert

Die Beamten stellen zwar fest, dass zwei der Verdächtigen verschmutzte und nasse Hosen haben. Der vierte Mann, den die Zeugin auch gesehen haben will und eine von ihr gesichtete Tasche sind verschwunden. Noch am Abend kommt die Kripo und sichert die Spuren. Unter anderem den frisch ausgegrabenen Komposthaufen. Den hatten die Polizisten aus Horb entdeckt und daraufhin einen Zusammenhang mit Mord an Riecher hergestellt. Hatten die Kripo alarmiert. Der Verdacht: Wurde hier die die "große Beute" aus dem Überfall an Riecher ausgegraben?

Der Laie würde jetzt wohl meinen, dass die Ermittler jetzt Gas geben, weil mindestens ein Mann mit Tasche von der Polizei an diesem Abend nicht ermittelt werden konnte. Denn es wurden auch Fußspuren einer vierten Person gefunden. Man würde denken, dass die Verdächtigen in die Zange genommen werden, Durchsuchungen starten, Handys überwacht werden.

Bei der Hauptsachbearbeiterin im Fall "Ausgrabungen" hört sich das anders an. Sie sagt jetzt vor der Schwurgerichtskammer: "Der Vorfall ist am Freitag, 4. Januar, passiert. Ich wurde am 9. Januar mit der Sachbearbeitung betraut. Ich war auch bei der Durchsuchung von Emrah Ö. dabei."

Emrah Ö. hatte im Juli 2018 für Schlagzeilen gesorgt, weil er kurz vor dem Urteil gegen "Verbrechensverabredung" aus dem Landgericht Hechingen geflüchtet war und erst in Stuttgart wieder geschnappt werden konnte.

Und wann war die Durchsuchung bei Ö. beziehungsweise bei seinem Ludwigsburger Komplizen Hasan K. (Name geändert) und bei Ahmad H. aus der Nähe von Sulz? Bei diesen Durchsuchungen wurden zum Teil auch die Mobiltelefone beschlagnahmt und ausgewertet.

Antwort: Die Durchsuchungen starteten frühestens am 9. Januar. Das belegen auch die Auswertungen der Whatsapp-Protokolle, über die die Kripo-Beamtin gestern berichtete: Die letzten, tatrelevanten Chats zwischen den drei Verdächtigen stammen vom 8. Januar. Damals hatte Hasan K. wohl mit dem grünen Polo, der schon in Nordstetten bei den Ausgrabungen aufgefallen war, Ö. zur JVA nach Rottweil gefahren. Hier hatte Ö. bis zum 13. Dezember 2018 gesessen. Ebenso wie Mohammed O.

Und was wollten die beiden in der JVA? Das sagen die Whatsapp-Chats zwischen Hasan und Emrah. Am 7. Januar fragt Hasan Emrah: "Wann gehen wir nach Rottweil?" Ö. antwortet: "Wir gehen morgen. Ich muss sowieso dort Klamotten abgeben. Die haben Freizeit auf der Parkplatzseite, ich muss ihn kurz sprechen."

Ob mit "ihm" Mohammed O. gemeint ist, kann die Kripo-Sachbearbeiterin nicht sagen. Sicher ist aber: Von Ö.s Handy konnte sie keine relevanten Daten ziehen. Die Sachbearbeiterin: "Ö. hat erklärt, dass er eine neue SIM-Karte hat. Daten vor dem 9. Januar konnten wir nicht sichern."

In den Whatsapp-Chats hatte Ö. – so die Aufzeichnung von Hasans Handy – alle aufgefordert, die Nummern und Nachrichten zu löschen.

Überhaupt scheint die Kripo bei dieser Smartphone-Auswertung nicht besonders gründlich gewesen zu sein. Rechtsanwalt Kristian Frank: "Sie sagen hier, dass die einen Chats von Hakan kamen, die anderen von Emrah. Woher wissen Sie das?" Die Sachbearbeiterin: "Hasan war der Anschlussinhaber. Ö. wollte nichts sagen." Frank: "Das Smartphone, welches Ö. zugeordnet, war auf Ö.s Schwester angemeldet." Die Sachbearbeiterin: "Ich habe es aus dem Kontext geschlossen, dass er es geschrieben haben muss." Rechtsanwalt Frank: "Gibt es noch weitere Auswertungen der Daten der Smartphones? Beispielsweise von Gesprächen oder Nachrichten vorher, die in irgend einem Zusammenhang zu den anderen Nachrichten, die sie auf die Tat beziehen, stehen?" Es fehle auch ein Extraktionsbericht, also eines Berichts über wiederhergestellte Daten, die bereits gelöscht wurden.. Das alles hört sich bisher nicht so an, dass die Kripo im Falle der Ausgrabungen besonders gründlich gearbeitet hat.

Übrigens: Glück für den Friseur Hesham A. (Name geändert). Der Antrag der Verteidigung, dass er sich einer neuropsychiatrischen Gutachten wegen seiner "Gedächtnislücken" unterziehen muss, wurde jetzt von der Kammer abgewiesen. Richter Karlheinz Münzer: "Die Kammer besitzt genug Sachkunde. Aufgrund des persönlichen Eindrucks der Kammer sind wir der Meinung, dass Hesham A. vernehmungsfähig war und ist."