Izima Kaorus „Landschaften mit einer Leiche“ gehören zu den eindrucksvollsten Werken in der neuen Ausstellung „Sex und Gewalt“ im Kunstmuseum Albstadt Foto: Karina Eyrich

„Sex sells“ sagen die Briten: Sex verkauft sich gut. Dabei war der Eintritt frei bei der Vernissage zu einer Ausstellung im Kunstmuseum, deren Thema offenbar einen Nerv trifft – und der Andrang entsprechend groß. Bis zum 25. Februar 2024 sind die Exponate zu sehen.

Für einen Oberbürgermeister, der vormals Rechtsanwalt und Strafverteidiger war, ist die AusstellungSex und Gewalt“ unter anderen Aspekten als fürs gemeine Publikum besonders spannend: „Welche Straftatbestände diese Bilder zeigen“ will Roland Tralmer irgendwann in Ruhe untersuchen. Bei der Vernissage blieb dazu keine Zeit, denn vor den Exponaten herrschte Enge – ebenso wie zuvor im Christian-Landenberger-Saal, wo Kuratorin Melanie Löckel auf einige Werke im Detail einging.

Eine Ausstellung, die sich „zwischen Kunstgenuss und Entsetzten“ bewegt

Die Kunsthistorikerin hatte sich schon früher – rein beruflich – mit dem Lustmord beschäftigt und mit entsprechender Kompetenz Exponate aus den Sammlungen Walther Groz sowie Gerhard und Brigitte Hartmann ausgewählt – beide sind gespickt mit erotischen Motiven – und sie durch Leihgaben und zeitgenössische Werke ergänzt; deren Sammlern dankte Roland Tralmer ganz ausdrücklich für die Unterstützung.

„Die Ausstellung lässt uns schwanken zwischen Kunstgenuss und Entsetzen, zwischen Voyerismus, Zeugen- und Mittäterschaft“, betonte Tralmer. „Die Schau ist mutig und das Thema hochaktuell.“ Wie aktuell, das verdeutlichten die Zahlen, die Melanie Löckel nannte: „Jeden Tag wird in Deutschland eine Frau Opfer eines Tötungsversuchs und jeden dritten Tag gelingt ein solcher“, berichtete die Kuratorin. „Die Täter stammen vornehmlich aus dem nahen Umfeld, sind also meist Partner, Ex-Partner, Nachbarn oder enge Bekannte. Nur selten handelt es sich um den Unbekannten, der nachts im Park lauert.“ Weil Gewalt gegen Frauen ein reales Problem der Gesellschaft – quer durch alle Schichten und Altersklassen – sei, präsentiere das Kunstmuseum die Ausstellung in Kooperation mit dem Frauenhaus Zollernalbkreis.

Im Kunstmuseum Albstadt werden nicht nur Gewaltszenen gezeigt

Allerdings sind es nicht nur Gewaltszenen, welche die Ausstellung zeigt: Melanie Löckel ging sowohl auf Werke wie „Der Lustmord“ von Karl Hubbuch und die großformatigen Foto-Kunstwerke des Japaners Izima Kaoru mit dem Titel „Landschaften mit einer Leiche“ ein, als auch auf die Milieustudien von Otto Dix und Hans Baluschek. Sie zeigen Boudoir-Szenen, Prostituierte, Dirnen und „Verliererinnen am Rand der Gesellschaft“. Salome präsentiert in einer Pastellkreidezeichnung von Christian Landenberger den Kopf von Johannes dem Täufer auf einem Silbertablett, und der Stuttgarter Maler Matija Mato Pispek „untersucht in seiner Kunst die Wahrnehmung von Sexualität und Gewalt in einer postmodernen Welt“, lässt „fragmentierte Extremitäten ineinander greifen, miteinander ringen und ineinander verschlungen sein“, wie Löckel erklärte.

Die Ausstellung „Sex & Gewalt“ kann bis 25. Februar 2024 besucht werden

„Die Gegenpole von Eros und Tod, von Sex und Gewalt faszinieren die Menschen und insbesondere die Kunstschaffenden seit Jahrhunderten“, sagte die Kuratorin – und der Andrang bei der Vernissage zeigte, dass das auch heute noch gilt. Zu faszinieren vermochte freilich auch der Musiker Joachim Gröschel aus Tübingen, der nicht nur Schlagzeug spielte, sondern in Kombination mit weiteren Klangquellen wahre Tonkunst erschuf. Das hörte sich dann zeitweise an wie das Wimmern und Schreien einer missbrauchten Frau oder die Klangkulisse beim Akt. Es ist mehr als spannend, was da bis zum 25. Februar 2024 im Kunstmuseum Albstadt zu sehen ist.