Der Verteidiger Peter Würthner (rechts) begrüßt im Gerichtssaal seinen Mandanten. Foto: Kupferschmidt

Ein psychiatrischer Sachverständiger gibt am fünften Prozesstag seine Einschätzung ab. Es zeichnet sich eine düstere Prognose für den Dornstetter Messerstecher ab.

Dornstetten/Rottweil - Die Adoptivmutter des Angeklagten macht von ihrem Zeugenverweigerungsrecht Gebrauch. Die Situation um ihren Sohn Thomas B. (Name geändert) hat sie psychisch sehr belastet. Dieser ist wegen versuchten Mordes angeklagt, weil er einen 21-Jährigen mit einem Fleischermesser abstechen wollte. Die Mutter ist zumindest damit einverstanden, dass ihre Aussage vor dem Landgericht Rottweil vorgelesen wird.

Demnach hat Thomas B. nach seinem Hauptschulabschluss keinen Beruf erlernt. Die Probleme mit ihm hätten während der Pubertät angefangen: "Die Ursache ist Alkohol, und die Sachen, die er geraucht hat." Das Verhältnis zu seiner Adoptivmutter sei früher gut gewesen, aber mit der Zeit immer schlechter geworden. "Er hat mich einmal geschubst, dann bin ich auf die Hüfte gefallen, seitdem habe ich Probleme mit der Hüfte." Doch das sei nicht immer so gewesen. Früher sei Thomas B. hilfsbereit gewesen, habe beispielsweise behinderte Kinder unterstützt oder für seine Mutter gekocht. Besonders verletzt habe es sie, dass er nicht zur Beerdigung seines Vaters gekommen sei.

Hells Angels sind "Hirngespinst"

"Er braucht jemanden, der ihn betreut, sonst gibt es Gefahren", so die Mutter. Auf die Frage, ob Thomas B. wirklich zu den Hells Angels gehöre, wie der 45-Jährige immer wieder behauptet, lacht die Mutter. "Das ist sein Hirngespinst."

Nachdem am vergangenen Prozesstag ein Psychiater seine Einschätzung abgegeben hat, ergänzt ein psychiatrischer Sachverständiger die Aussagen. Er nimmt gleich vorweg: "Wir müssen bei den Angaben, die Thomas B. macht, hinterfragen, ob das stimmt." So sprach dieser von Pflegekindern in den USA und einem überdurchschnittlich guten Abitur. Der Psychologe ordnet das als "fantastisches Lügen" ein.

Angeklagter will Selbstwert durch Lügen stärken

Zum Thema Hells Angels sagt er: "Thomas B. neigt dazu, seine eigene Schwäche durch eine mächtige Institution zu stärken." Er benutze die Hells Angels als Aufwertung seiner eigenen Person.

Der Sachverständige ist davon überzeugt, dass Thomas B. an einer krankhaften seelischen Störung leidet. Er habe den Verdacht, dass der Angeklagte eine organische Persönlichkeits- und Verhaltensstörung oder eine psychotische Störung habe. Ein MRT könne weitere Aufschlüsse geben.

"Ich gehöre zu einer höchstkriminellen Organisation!"

In einer Prozessunterbrechung fragt der Sachverständige Thomas B., ob er verstanden habe, was er über ihn gesagt hat. "Nur Schlechtes", sagt der 45-Jährige. Aber er beharrt darauf, zu den Hells Angels zu gehören: "Die sind höchstkriminell, austreten kann man nicht!"

Aus der Sicht des Sachverständigen ist der Paragraf 63, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, gegeben. "Thomas B. hat die Tendenz, sich als Gewalttäter zu definieren." So sei er bereits in der Vergangenheit zwei Mal mit einem Messer auf Personen losgegangen, und habe in einem vergangenen Verfahren den Prozessbeteiligten gedroht. Dabei seien Aussagen gefallen wie "Ich werde euch nach Auschwitz schicken und abschlachten" oder "Ich werde mit den Hells Angels kommen und euch den Kopf abschlagen". Der Psychiater denkt, dass sich Gewalttaten wiederholen werden, bis Thomas B. eine Behandlung erhalten hat.

Prozessfortsetzung am 15. Dezember

Bei so einer Behandlung würde er eine Regelhaftigkeit im Tagesablauf erhalten, Medikamente einnehmen, seine Biografie aufarbeiten und sich mit dem Thema Schuld auseinandersetzen – da der Angeklagte immer wieder sagte, er hab sich bei der Messerattacke nur verteidigt. Es gebe auch Möglichkeiten, dass Thomas B. nicht lebenslang in der Einrichtung bleiben müsse.

Der Vorsitzende Richter Karlheinz Münzer: "Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wäre das schärfste Schwert". Der Prozess wird am 15. Dezember fortgesetzt.