Die Prozessfortsetzung um den Dornstetter Messerstecher lässt tiefer in seine Psyche blicken. So soll er sich in der JVA mit Dreckwasser "einbalsamiert" haben und von Haaren, die mit seinem Inneren verbunden sind, sprechen. Foto: Kupferschmidt

Häusliche Gewalt, Morddrohungen und ein überdurchschnittlicher Geltungsdrang: Der vierte Prozesstag um den Dornstetter Messerstecher hinterlässt einen bitteren Beigeschmack.

Dornstetten/Rottweil - Die Frau sitzt mit einer Zeugenbegleiterin im Landgericht Rottweil. "Für mich gilt er als unberechenbar", sagt sie mit Blick auf den Angeklagten Thomas B. (Name geändert). Dieser hat im April in Dornstetten versucht, den Untermieter im Zimmer gegenüber abzustechen, angeklagt ist er wegen versuchten Mordes.

Die Zeugin hat im elterlichen Haus des 45-Jährigen eine Wohnung gemietet. Dort hat Thomas B. gewohnt, bevor er rausgeworfen wurde. Da die Wände sehr hellhörig sind und die Zeugin ein gutes Verhältnis zu seiner Adoptivmutter hatte, gibt ihre Aussage tiefe Einblicke in die Vergangenheit des Messerstechers.

Angeklagter hat Mutter verteufelt

Zu seinen Adoptiveltern hatte er ein sehr unterschiedliches Verhältnis. Seinen Vater habe er vergöttert und seine Mutter verteufelt, wie mehrere Zeugen berichten. Thomas B. behauptet zwar immer wieder, dass er seinen Adoptivvater bis in den Tod gepflegt habe, die Mieterin sagt allerdings, dass die Mutter allein die Pflege übernommen hatte. Immer wieder hat die Zeugin Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und seinen Eltern mitbekommen. So soll er seinem todkranken Vater etwa gesagt haben: "Wann verreckst du endlich?"

Drohungen wegen Geld

Zwischen ihm und seiner Mutter ging es immer wieder um das Thema Geld. "Sie konnte die Reißleine nicht ziehen, immer wenn er sie um Geld gebeten hat, hat er sie beschimpft und bedroht, bis sie ihm den Betrag überwiesen hat." Ein Vorfall blieb der Zeugin besonders in Erinnerung: Bei einem Streit soll Thomas B. seine Mutter gewürgt haben. Sie hat sich von ihrem Adoptivsohn so bedroht gefühlt, dass sie sich in der Toilette eingeschlossen hat und so laut nach Hilfe geschrien hat, dass die Nachbarn die Polizei riefen.

"Hells Angels werden euch vernichten"

Aber der Dornstetter Messerstecher bedrohte nicht nur seine Eltern. Auch die Mieterin erhielt von ihm Morddrohungen. So schrieb er ihr beispielsweise: "Die ›Hells Angels‹ werden kommen und euch vernichten." Immer wieder behauptete Thomas B. während des Prozesses, in dem Rockerclub "Member" zu sein.

Mieterin hat Angst vor Thomas B.

Ein Ereignis an einem späten Abend im Winter hat die 64-jährige Zeugin nachhaltig geprägt: "Ich saß bei der Mutter in der Küche. Dann kam Thomas B. nach Hause und sagte zu mir ›Ich gehe hoch, hole eine Waffe und stech dich ab‹." Darauf die Reaktion der Mutter zu ihr: "Sei vorsichtig." Die Zeugin hat ihre Türen nach dem Vorfall aus Angst vor Thomas B. von innen verriegelt und sich kaum noch aus dem Haus getraut.

Auch die beiden Bewährungshelfer sagen aus. Sie berichten, dass Thomas B. ein Alkoholproblem hat und keine hohe Motivation hatte zu arbeiten.

Angeklagter spricht "mit gewissen Genuss" über Tat

Während des Prozesses wirkt Thomas B. ausgeglichen und höflich. Aber wenn er über seine Biografie spricht, zeigt sich, dass er eine verzerrte Wahrnehmung hat. Ein psychiatrischer Sachverständiger, der den Angeklagten bereits aus seinen zahlreichen Klinikaufenthalten in Freudenstadt kennt, gibt sein Gutachten ab. Thomas B. verfolgt dessen Ausführungen mit zusammengezogenen Augenbrauen. Tests haben ergeben, dass der 45-Jährige unterdurchschnittlich begabt ist und eine niedrige Intelligenz hat. Er sei nicht fähig, Selbstkritik auszuüben, und drehe die Täter-Opfer-Rolle um, wie bei dem versuchten Mord. So habe der Angeklagte dem Psychiater "mit einem gewissen Genuss erzählt", wie er den Geschädigten überwältigt habe, um sich zu verteidigen. Dies entspricht allerdings nicht der Realität, da Thomas B. mit einem Messer in das Zimmer des Geschädigten eingedrungen ist, mehrmals zugestochen hat, aber vom 22-Jährigen entwaffnet wurde.

Thomas B. hält sich an Gesetze der Hells Angels

Der Psychiater geht davon aus, dass die Fantasien des Thomas B., wie die Ersatzfamilie in den USA und die "Hells Angels", aus einem geringen Minderwertigkeitsgefühl resultieren und "Wichtigmacherei" seien. Seine Persönlichkeit sei impulsiv, aus der Sicht des Thomas B. "gelten für ihn nicht die Gesetze der BRD, sondern die der ›Hells Angels‹". Deshalb meint der Psychiater, dass der 45-Jährige "für seine Umgebung gefährlich werden kann". Zudem fehle ihm ein tieferes Schuldverständnis.

Psychiater geht nicht von Verwechslung aus

Am dritten Prozesstag stand im Raum, dass Thomas B. gar nicht den Geschädigten abstechen wollte, sondern es sich bei dem versuchten Mord um eine Verwechslung handelte. Das glaubt der Psychiater nicht. "Thomas B. wusste, wer der Geschädigte ist." Ihn habe er immer "als schmächtigen Jüngling" wahrgenommen. Die JVA in Rottweil, wo der 45-Jährige gerade untergebracht ist, wandte sich an den Psychiater und sagte: "Der Angeklagte wird zunehmend eigentümlich." So habe er einen Teil vom Waschbecken abmontiert und sich mit dem Dreckwasser gewaschen. Auf Nachfrage erzählte Thomas B., er "hat sich für Kampfsport einbalsamiert". Auch habe er den Beamten ein Haar gezeigt, das ihm aus seinem Gesicht wachsen soll, und gesagt, dass das "in Verbindung zu seinen inneren Organen steht".

Fortsetzung am 2. Dezember

Aus Sicht des Psychiaters kann das Gericht den Paragraf 21 StGB zur verminderten Schuldfähigkeit und Paragraf 63 StGB, zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, anwenden.

Der Prozess wird am 2. Dezember fortgesetzt.