Ursula Cantieni beim Baiersbronn Classic 2014 Foto: /Helga

Sie war von Anfang an in der Schwarzwaldserie „Die Fallers“ dabei – und verkörperte fast 30 Jahre lang Bäuerin Johanna Faller. Doch nicht nur dort wurde Ursula Cantieni zu einem bekannten Gesicht. Die Schauspielerin war darüber hinaus auch für ihr soziales Engagement bekannt. Auch in unserer Region war sie immer wieder zu Gast.

Sie war eines der bekanntesten Gesichter der „Fallers“: Schauspielerin Ursula Cantieni ist tot. Die Darstellerin der Johanna Faller aus der Schwarzwaldserie „Die Fallers“ starb in der Nacht auf Dienstag im Alter von 75 Jahren. „Wir alle im SWR sind bestürzt und tief traurig“, erklärte Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR).

Die in Zürich geborene Cantieni kam als Zehnjährige nach Deutschland, ging in Stuttgart zur Schule und hat dort ihr Abitur gemacht. Sie spielte Theater unter anderem in Stuttgart, Esslingen und Konstanz. Ihr Förderer war der damalige Intendant der Landesbühne in Esslingen, Achim Thorwald, wie der SWR mitteilte. „Er gab ihr die Chance – und die junge Schauspielerin nutzte sie.“

Sie folgte immer einem klarem Kompass

Ihren ersten Fernsehauftritt hatte Cantieni 1985 im Film „Polenweiher“. „Ihre ersten Rollen hatten oft etwas mit Aufbruch und Aufbegehren gegen bürgerliche Konventionen zu tun.“ Das habe zu Cantieni gepasst, die immer ihrem klaren Kompass gefolgt sei.

27 Jahre spielte sie bei den „Fallers“ mit, war von Anfang an dabei. Die Serie erzählt vom Leben einer Schwarzwälder Bauernfamilie in der Gegenwart. Anfang 2022 gab der SWR überraschend den Ausstieg der Protagonistin bekannt. Die damals 74-Jährige verlasse die Serie aus persönlichen Gründen, hieß es. Cantieni sagte zum Abschied: „27 Jahre hat mich die Figur der Johanna Faller eng begleitet, gemeinsam haben wir die Höhen und Tiefen des Lebens gemeistert.“ Nun wolle sie neue Wege gehen. Da viele Folgen da schon längst abgedreht waren, konnte das Publikum Cantieni noch das ganze Jahr 2022 über in ihrer Rolle sehen.

Verdienstmedaille des Landes erhalten

Neben ihrem Engagement bei den „Fallers“ war sie seit 2003 festes Mitglied der SWR-Rateshow „Sag die Wahrheit“. Auch coachte sie an Theatern und Hochschulen, hatte eine Professur an der Folkwangschule Essen, und unterrichtete Moderatoren beim Schweizer Fernsehen. Hinzu kamen Soloabende, Lesungen, Moderationen, Live-Shows sowie Sendungen für TV und Hörfunk.

Auf Cantienis Internetseite heißt es, 2012 habe sie alle Prüfungen für die deutsche Staatsbürgerschaft bestanden und sei nun vollends im Südwesten angekommen. Schon sieben Jahre zuvor hatte sie die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg erhalten.

Aus Anlass des Todes ändert das SWR-Fernsehen sein Programm und zeigt unter anderem am Mittwoch, 16. August, ab 20.15 Uhr die Dokumentation „Ursula Cantieni – Die Frau hinter Johanna Faller“.

Auch im Kreis Rottweil herrscht Trauer

„Ihre Stimme wird vielen Menschen fehlen“, trauert auch der Mundart-Liedermacher und Schauspieler Pius Jauch aus Bösingen (Kreis Rottweil) um Ursula Cantieni. Jauch war schon mehrere Male mit einer Rolle bei den „Fallers“ vertreten. Viele der Darsteller kennt er persönlich – auch aus anderen Rundfunkproduktionen und von der Bühne. „Sie selbst habe ich persönlich nicht kennengelernt“, sagt Jauch über Cantieni.

Dass sie Gemeinsamkeiten mit ihrer Figur der Johanna Faller hatte, dessen ist er sich aber sicher. Denn als Schauspieler entwickle man einen Charakter aus sich heraus. „Die Berufsbezeichnung Schauspieler verleitet ja viele zu glauben, die Darsteller ‚spielten‘ ihre Rollen lediglich. Das englische Wort ‚actor‘ trifft den Sachverhalt besser. Es bedeutet, man tut gewisse Dinge und macht sich die Welt des Darzustellenden zu eigen. Man ist, was man darstellt. Man geht darin auf. Und insofern war Ursula Cantieni Johanna Faller, bei allem professionellen Abstand zu der Rolle im Privaten“, erklärt Jauch.

Weiblichen Familienoberhäuptern ein Denkmal gesetzt

Als großartige Schauspielerin habe sie in dieser Rolle den weiblichen Familienoberhäuptern hierzulande ein Denkmal gesetzt. „Mit Kraft und Stärke, auch in ihrer Zurückhaltung, Eigensinn, Durchsetzungskraft und Liebenswürdigkeit stellte sie eine Bäuerin dar, die als archetypische Frauenfigur aus dem Schwarzwald ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist. Mehr können sich Schauspieler kaum wünschen“, teilt der Liedermacher mit.

Jauch weiter: „Und eben darum vermissen sie die Menschen auch. Sie bleibt präsent in der Erinnerung. Sie kam ihrer Rolle und damit auch den Zuschauern so nah, dass man meint, man habe sie gekannt. Auch weil man ihresgleichen kennt. Darin besteht die Kunst und die ist nur mit sehr viel Einfühlungsvermögen, Beobachtungsgabe und Erfahrung zu meistern.“

Mehrfach in Baiersbronn anzutreffen

Bei Dreharbeiten für die Serie war Cantieni auch mehrfach im Landkreis Freudenstadt – zum Beispiel bei der Oldtimer-Rallye Baiersbronn Classic 2014. Und die 25-Jahr-Feier der Serie feierte der SWR 2019 im Kulturpark Glashütte in Obertal-Buhlbach, das zu Baiersbronn gehört. Für die Jubiläumsfolge wurde auch eine Szene auf der Aussichtsplattform Ellbachseeblick mit Cantieni gedreht.

Dass ihr der Schwarzwald wichtig ist, zeigte die Schauspielerin auch damit, dass sie klar Stellung bezog: Sie stellte sich im Mai 2012 hinter das Projekt Nationalpark Schwarzwald, der inzwischen seit beinahe zehn Jahren Realität ist.

Kollege Alessio Hirschkorn aus Waldachtal zeigt sich betroffen

Tief betroffen vom Tod der bekannten und beliebten Kollegin in der Fernsehserie „Die Fallers – eine Schwarzwaldfamilie“ ist auch Schauspieler Alessio Hirschkorn alias Albert Guiton, der mit Familie in der Gemeinde Waldachtal im Kreis Freudenstadt wohnt. „Wir hatten eine sehr stimmige und positive Verbindung miteinander“, sagt der 31-Jährige. „Und es hatte sicher auch eine fürsorgliche Komponente von ihrer Seite.“

Schließlich war Alessio in seiner TV-Rolle als Albert gerade mal sieben Jahre jung, als er in der Fallers-Familie erstmals eine Rolle spielte. Daher seine heutige Einschätzung: „Ich habe es ähnlich empfunden wie das Verhältnis zu meiner Oma.“ Zum beruflichen Kontext: „Da war sie für mich auch ein berufliches Vorbild.“ Alessio schätzte sie sowohl als „Grande-Dame“ als auch ihre „ganz professionelle Art“. Sie sei stets klar, cool und Meinungsstark gewesen. Es habe ihn immens beeindruckt und tief berührt, wie sie am Set gewirkt hat. Dabei habe sie sich als humorvoll und zugänglich erwiesen.

Fernseh-Albert will die Gespräche im Herzen tragen

Zuschauer-Liebling Alessio Hirschkorn verbindet eine 23-jährige Schauspielzeit mit der Faller-Ikone Ursula Cantieni. Die Fans aus der Region feierten das 15-jährige Faller-Jubiläum 2009 in Alpirsbach mit. Ein Blick hinter die Kulissen: Gern erinnert er sich an die Drehs am Küchentisch zusammen mit Ursula Cantieni und Peter Schell, der 2021 gestorben ist, als auch Julia Obst (Filmrolle: Jenny), als sie in den Pausen private Gespräche führten und Probleme ausdiskutierten. „Das war total schön, und ich finde es sehr traurig, dass das in dieser Konstellation nicht mehr stattfinden kann.“ So wachse man zusammen und so entstünden besondere Bindungen. „Ich möchte diesen Spirit aus unseren Küchen-Gesprächen weiterhin in meinem Herzen tragen“, bekräftigt der Fernseh-Albert.

Bei einer kurzen Studio-Tour arbeiteten sie ganz eng miteinander. „Da kam ihre starke Vorstellungskraft zum Vorschein. Das war sehr interessant. Sie war so lustig.“ Hirschkorn will diese ideellen Werte der Fallers-Ikone in Ehre halten: „Dieses Fundament, das Ursula Cantieni gelegt hat, möchte ich weitertragen. Das verleiht uns Rückenwind.“

Auch in Furtwangen war Cantieni ein beliebter Gast

Bei den „Fallers“-Dreharbeiten war Cantieni auch immer wieder in Furtwangen (Schwarzwald-Baar-Kreis) – denn einer der beliebtesten Serien-Dauerbrenner im deutschen Fernsehen hat seinen Drehort seit fast 30 Jahren in der Bregstadt. Im Stadtteil Neukirch steht in idyllischer Lan

Ursula Cantieni bei Dreharbeiten rund um Furtwangen im Schwarzwald Foto: Stefan Heimpel

dschaft der „echte“ Fallerhof, der Namensgeber für die TV-Serie, auf dem sich das Seriengeschehen abspielt. Die Innenszenen werden im TV-Studio in Baden-Baden gedreht.

Cantieni hatte es die Gegend rund um Furtwangen angetan. Begeistert von der Landschaft, machte sie den Serienmachern nach einer Wanderung mit ihrem Mann den Vorschlag, den Westweg – der vom Brend in Richtung Kalte Herberge direkt durch die Region rund um den Fallerhof führt – in die Geschichte aufzunehmen. In der Folge wurde eine „Pilgerwanderung“ mit ihrer Serien-Freundin Leni in einer Folge thematisiert. So machte Cantieni den Schwarzwald rund um Furtwangen einem Millionen-Publikum bekannt.