Nur von Bekannten und aus der Zeitung wollte die Angeklagte überhaupt davon gehört haben, dass der "Lichterspaziergang" am 4. Januar stattfand. Das Gericht fand keine stichhaltigen Beweise dafür, dass sie an dessen Organisation beteiligt gewesen ist. Foto: Maier

Weil sie am 4. Januar 2022 bei einem sogenannten "Lichterspaziergang" vorneweg marschiert war, fand sich eine Frau vor Gericht wieder. Sie wurde freigesprochen.

Balingen - Weil sie am 4. Januar 2022 bei einem so genannten "Lichterspaziergang" vorneweg marschiert war, fand sich eine Frau vor Gericht wieder. Da sie und eine nicht näher bekannte, weitere Frau an der Spitze des Trosses Lichterketten um den Hals getragen hatten, war die Staatsanwaltschaft davon ausgegangen, dass sie die Organisatorin gewesen sei und hatte Anklage erhoben. Die Frau habe, so der Staatsanwalt, den Weg der rund 450 "Spaziergänger" durch die Balinger Innenstadt vorgegeben.

"Wollte das mal näher anschauen"

In der Stellungnahme seiner Mandantin, die der Verteidiger vor dem Balinger Amtsgericht verlas, hörte sich das ganz anders an: Von einer Bekannten habe die Frau von den "Montagsspaziergängen" erfahren, und aus der Presse. Das habe sie sich "mal näher anschauen wollen".

Zum ersten Mal überhaupt sei sie zu einer solchen Veranstaltung gegangen, habe gar nicht gewusst, "ob es stattfindet, und ob Leute kommen werden". Sie sei überrascht gewesen, dort Bekannte und Nachbarn zu treffen, sei "von einer Gruppe zur anderen gegangen", um mit den Leuten zu reden.

Niemand soll die Marschrichtung vorgegeben haben

Langsam sei die Menge größer geworden, da sei ein Mann mit einer Musikbox gewesen, jemand habe Ohrstöpsel und Lichterketten verteilt, sie habe eine davon angenommen und auch getragen. "Andere hatten Herzen oder Taschenlampen", hieß es in der Stellungnahme. Und: Niemand habe die Marschrichtung vorgegeben.

Es sei dunkel gewesen, seine Mandantin habe einen Schal und eine Mütze getragen. Am Ende habe man sich noch auf dem Marktplatz unterhalten, danach seien die Leute "in verschiedene Richtungen verschwunden".

Verteidiger: "Sie war eine einfache Teilnehmerin."

Seine Mandantin, so der Verteidiger, habe keinen Einfluss auf das Geschehen gehabt, habe keine Flugblätter verteilt, geschweige denn Einladungen verschickt: "Sie war eine einfache Teilnehmerin." Erst im Nachhinein sei sie über das Autokennzeichen ermittelt worden.

Dafür, dass sie die Organisatorin gewesen sei, habe es "gewisse Indizien" gegeben, sagte der Polizeihauptkommissar, der damals den Einsatz geleitet hatte. "Die Frau war auffällig", sagte er.

Polizei wollte die Situation nicht eskalieren lassen

Am Ende der Umzugsstrecke habe er Beamte aufgestellt, die Frau per Lichtbild identifiziert: "Man sieht relativ genau, wer vorne ist", sagte er. Eine Personenkontrolle habe nicht stattgefunden, man habe nicht gewollt, dass die Situation eskaliert.

Verstöße, etwa gegen Corona-Auflagen, habe es nicht gegeben, bestätigte ein weiterer Zeuge, ein 45-jähriger Polizeihauptmeister, der beim Einsatz dabeigewesen war. Auch keine Plakate oder Parolen wie "Freiheit!", "Frieden!", "Keine Diktatur!".

Staatsanwalt: "Es war keine Spontanveranstaltung."

Aufgabe der Polizei, so der Zeuge, sei es in einem solchen Fall, die "Rädelsführer" ausfindig zu machen. Das sei nicht so einfach, denn: "Sie machen das nicht so auffällig. Da setzt sich halt einer in Bewegung, und die anderen folgen."

Für den Staatsanwalt stand der Sachverhalt fest: "Es war keine Spontanveranstaltung", sagte er. Die Frau sei zusammen mit der zweiten Lichterkettenträgerin als Organisatorin anzusehen. Er forderte in seinem Plädoyer eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen von je 40 Euro.

Richterin: "Wir wissen nicht, wie es wirklich war."

Die Mittäterschaft, konterte der Verteidiger, sei nicht als erwiesen anzusehen. Seine Mandantin habe gar nicht gewusst, ob die Veranstaltung angemeldet gewesen sei oder nicht.

Von Vorsatz könne nicht die Rede sein, und es gebe keinen Beweis, dass zu der Veranstaltung aufgerufen worden sei. Seine Mandantin sei demnach freizusprechen.

Dem folgte Richterin Goßger in ihrem Urteil. Das tat sie, obwohl sie überzeugt war, dass es keine Spontanversammlung gewesen sein kann. Aber: "Wir wissen nicht, wie es wirklich war."