Sesamkörner und Erdnuss-Röllchen verteilt Liyatu Yunana an die Gäste – nach einem reichhaltigen „Weltfrühstück“, damit sie selbst schmecken, womit die Nigerianerinnen und ihre Kinder oft ihren Hunger stillen müssen. Foto: Karina Eyrich

Wie die islamistische Terrormiliz Boko Haram tausende Frauen in Nigeria zu Witwen gemacht hat – das war keine leichte Kost beim „Weltfrühstück“ am Montag beim Zeltfestival „Gut Trauf“. Doch die Nigerianerinnen erhalten Hilfe zur Selbsthilfe – immerhin.

„Bildung ist Sünde“ – schon bei der Übersetzung des Begriffs „Boko Haram“ scheint manchen beim Weltfrühstück des Zeltfestivals „Gut Trauf“ das Frühstücksbrötchen im Halse stecken zu bleiben. Mit zwei Frauen – seit dem Angriff der islamistischen Terrormiliz auf ihre Dörfer sind sie Witwen – ist Pfarrerin Renate Ellmenreich auf Einladung von Susanne Conzelmann nach Tailfingen gekommen, damit sie ihre Geschichte erzählen.

Liyatu Yunana freilich bringt es gar nicht fertig, legt den Kopf auf die Arme, damit niemand ihre Tränen sieht, während Ellmenreich berichtet, wie sie allein im zerstörten Dorf zurückgeblieben ist, ihr fünftes Kind nach Wochen des Versteckens – gelebt hat sie von Erdnüssen und Sesamkernen – alleine zur Welt brachte. Drei ihrer Kinder flüchteten mit den Großeltern in die Berge, sie kam später mit dem Säugling und einem Kleinkind nach, deren Großmutter Boko Haram inzwischen auch zur Witwe gemacht hatte.

Das Schulgeld ist zu teuer und Bildung damit für viele ein Wunschtraum

Die vierfache Mutter Mary Dzugwaryu und ihr Mann waren Farmer, bis Boko Haram ihn tötete, ihr Haus niederbrannte, sie unter einem Baum hausen musste, weil die Flüchtlingslager voll waren.

Susanne Conzelmann hat das Weltfrühstück organisiert, bei dem Liyatu Yunana (Mitte) und Mary Dzugwaryu zu Gast waren und von ihrem Schicksal erzählten.

Sie hat nichts mehr, sogar ihr Kleid ist eine Spende, und beide Frauen mussten zuvor ihre Kinder aus der Schule nehmen, weil sie das Schulgeld nicht mehr zahlen konnten. Mit 3800 Witwen und 8000 Kindern, darunter 381 Vollwaisen, lebt Mary Dzugwaryu inzwischen in der Obhut des Vereins „Widows Care“ (Witwenfürsorge), den Renate Ellmenreich gegründet hat. Auch ihr Mann war während der fünf Jahre, die sie in Nigeria lebte, um Alphabetisierungsprogramme zu starten und 50 Schulen zu gründen, gestorben.

Renate Ellmenreich berichtete von Widows Care.

Da lag es für sie nahe, sich um andere Witwen zu kümmern – und sie hat den Verein mitgegründet, der inzwischen ein Modelldorf mit bisher 42 Häusern errichtet hat – 1000 Kilometer weg von dort, wo Boko Haram noch immer Dörfer plündert und zerstört.

Es sind nur einfache Lehmhäuser, doch die Frauen nehmen an Workshops teil, erlernen Fertigkeiten, die bei manchen schon Basis eines eigenen Geschäfts sind: Sie stellen Salben her, Fischfutter für kleine Fischzuchten in Tümpeln, betreiben Kleintierzucht.

Zudem zahlt „Widows Care“ das Gehalt von Lehrern, weil die Frauen kaum Schulgeld bezahlen können und die staatlichen Schulen neun Monate pro Jahr geschlossen haben – deren Lehrer werden nicht bezahlt und streiken deshalb.

Die Arbeit trägt Früchte – und zwar auch nachhaltig, bei den Kindern

„Die Kinder gehen so friedlich und respektvoll miteinander um“, sagt Ellmenreich über einen Kindergarten, den der Verein gebaut hat und der Montessori-Pädagogik anwendet. Ihre Arbeit trägt also auch nachhaltig Früchte, und deshalb wirbt die Pfarrerin, die mit den Frauen aus Nigeria beim evangelischen Kirchentag war, auch gerne dafür.

Ihre Begleiterinnen verteilen Kostproben der Sesamkörner und der Erdnuss-Häppchen – sie ähneln Schupfnudeln –, mit denen die Witwen, Halb- und Vollwaisen in Nigeria oft ihren Hunger stillen müssen.

„Ein Teller Reis ist etwas Besonderes“, sagt Ellmenreich, „doch wir haben Wasser gefunden, vier Läden im Modelldorf gebaut.“ Die Hilfe kommt also direkt an.

Kraft tanken beim Singen – und die muss für die ganze Woche reichen

Und dann zeigt sie ein Video von jener Tätigkeit, bei der die nigerianischen Witwen Kraft tanken für ihren harten Alltag: „Sie singen und bauen sich damit auf, die Kraft muss für die ganze Woche reichen“, so Renate Ellmenreich. Immerhin: Liyatu Yunana, die zuvor noch heimlich geweint hatte, singt sogar mit.

Widows Care und das Programm für Dienstag, 20. Juni, beim Zeltfestival „Gut Trauf“

Der gemeinnützige Verein
 Widows Care hat – 1000 Kilometer entfernt von Boko Haram – Land gekauft und den Bau von Häusern für 70 Witwen und 180 Kindern finanziert sowie Verdienstmöglichkeiten für sie geschaffen.

Für die Kinder
 hat Widows Care einen Kindergarten, für die älteren eine Schule gebaut, wo sie Unterricht und ein nahrhaftes Frühstück erhalten. Für Jugendliche wird derzeit ein berufliches Bildungszentrum errichtet, und eine kleine Klinik bietet medizinische Grundversorgung an.

Ein E-Bike-Fahrtechnikkurs
 beginnt um 9 Uhr am Zelt auf dem Lerchenfeld mit Peter Lubba vom Turnverein Onstmettingen. Mitzubringen sind ein E-Bike, ein Helm, eine Schutzbrille, Fahrradhandschuhe und ein Getränk. Gegen 12 Uhr gibt es Mittagessen, danach beginnt eine kleine Ausfahrt.

Nordic Walking – Auftanken für Geist, Leib und Seele
 erleben die Teilnehmer ab 9.30 Uhr mit Zeltmeister Michael Möck. Am Vormittag gehen die Teilnehmer mit Stöcken, um ihre Muskeln zu stärken. Der DSV Nordic-Walking-Trainer führt in die Technik ein. Wer keine Stöcke besitzt, kann sie ausleihen. Treffpunkt ist die Zeltkirche.

Waldbaden
beginnt um 15 Uhr mit Nicole Bendrin. Durch Übungen und bewusste Wahrnehmung der Waldatmosphäre wird die Achtsamkeit geschult. Treffpunkt ist die Zeltkirche.

„Helfer in Not“ lautet das Thema im Abendcafé ab 19.30 Uhr. Moderatorin Karina Eyrich befragt Berthold Frieß, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium Baden-Württemberg und ehemaliger Geschäftsführer des BUND, Roman Fertinger, bis Dezember 2022 Polizeipräsident von Mittelfranken, Alt-Oberbürgermeister Klaus Konzelmann, der vorher Kriminalhauptkommissar war, und Sven Neher vom Roten Kreuz über die zunehmenden Angriffe gegen Rettungskräfte und Polizisten. Woher kommt diese Aggression? Wie kann sie verhindert werden?

Eintritt und Verpflegung
bei allen Veranstaltungen sind frei, Spenden sind willkommen.