Eine Aufnahme des Wolfs, der am 11. November durch den Wald bei Killer streifte. Foto: Pfister

Durch den trüben Dezember geht’s die B 32 entlang Richtung Killer. Der Wolf, der sich dort Anfang November gezeigt hat, lässt mich nicht los. Ich will den Platz sehen, an dem er in die Fotofalle gegangen ist. Und ich habe viele Fragen, die ich Martin Pfister, Gastjäger im Revier Killer, stellen will. Es war seine Fotofalle, die Meister Isegrim aufgezeichnet hat.

Burladingen-Killer - "Treffpunkt Bioladen, 14 Uhr", hatte Pfister vorgeschlagen, als ich um einen Termin bat. Überpünktlich und etwas aufgeregt bin ich da, der Bio-Landwirt begrüßt mich mit festem Handschlag.

"Kann ich die Falle sehen?"

Sofort bricht die wichtigste Frage aus mir heraus: "Können wir zur Fotofalle in den Wald gehen?" Pfister lächelt – und verneint vorsichtig. "Sobald dort ein fremder Geruch (also meiner) in der Luft liegt, zeigen sich die Tiere längere Zeit nicht mehr", weiß er aus Erfahrung. Stattdessen führt er mich – etwas enttäuscht bin ich – ins Hinterzimmer seines Ladens und lässt Kaffee heraus.

Ein aufgeklappter Laptop steht dort, eine unbenutze Fotofalle, liegt daneben. "Wie funktioniert die?", will ich wissen. "Die Falle löst bei Bewegung aus. Wenn ich will, sendet sie bis zu 50 Bilder pro Minute." Er zeigt sein Handy. Aktuelle Aufnahmen der Kamera sind zu sehen: Alles ist ruhig im Moment, nur Wiese und Wald – kein Tier in Sicht.

Das "wilde" Nachtleben im Revier

Dafür hat er aber Bilder im Archiv des Laptops, die das "wilde" Nachtleben zeigen, das es im Revier gibt: Aufnahmen von Dachs, Marder, von Schweinen und Rehen sind zu sehen – und dann natürlich das Wolfsbild vom Luderplatz, das mittlerweile ein klein wenig Berühmtheit erlangt hat. "Seit dem Tag der Sichtung am 11. November hat sich der Wolf aber nicht mehr gezeigt", sagt Pfister und nippt am Kaffee.

Eigentlich nutze er die Fotofalle nur im Sommer, um zu sehen, ob sich Wildschweinrotten an seinen Feldern herumtreiben. "Für den Winter hatte ich sie den Jägern zur Verfügung gestellt." Zwei Tage nachdem sie aufgestellt war, gleich der Volltreffer.

"Wollte keine Gerüchte in die Welt setzen"

Einer der fünf Jagpächter im Revier Killer ist Walter Greff, der jetzt auch zum Kaffee gekommen ist. Greff meint, den Wolf schon im August von einem Hochsitz aus gesehen zu haben. War sich damals aber nicht 100-prozentig sicher, und sagte erstmal nichts: "Ich wollte keinen Gerüchte in die Welt setzen", erklärt er. "Für etwa 30 Sekunden habe ich ihn mit dem Fernglas beobachten können." Heute weiß Greff: Er hat sich damals nicht geirrt. Und er glaubt: "Der Wolf ist dann wohl schon seit drei Monaten in der Gegend."

"Hätten die beiden Männer Angst, würden sie ihm aus nächster Nähe im Wald begegnen?" – diese Frage brennt mir die ganze Zeit auf den Nägeln. Pfister sagt entschieden: "Nein! Man darf nicht flüchten. Ich würde ordentlich Krach machen durch Klatschen und Klopfen". Überhaupt, seine erste Reaktion auf das Wolfsbild sei Freude gewesen: "Cool, er ist da!" Der zweite Gedanke: "Aber ist das gut?" Das werde die Zeit zeigen, meint Pfister. "Bei allem gibt es immer ein Für und ein Wider", sagt er nachdenklich.

Zeichen für intakte Natur

Das Für: "150 Jahre nachdem der letzte Wolf auf der Zollernalb erschossen wurde, ist er nun zurück." Das sei auch ein Zeichen für intakte Natur, fügt Greff, ehemaliger Kreisjägermeister, Pfister hinzu. Und das Wider: "Wir sind zu dicht besiedelt hier", sagt Pfister weiter. "Sollte der Wolf anfangen, Schafe oder Ziegen zu reißen, wird es Probleme geben."

"Ideal wäre ein Wolfsmonitoring"

Greff sieht es wie Pfister: "Grundsätzlich freue ich mich, dass er da ist. Über jede Bereicherung unserer Wildbahn." Aber wenn das überhandnehme – so wie in Sachsen oder Brandenburg – wäre das schlecht. "Ideal wäre ein Wolfsmonitoring, das eine Bestandsregulierung möglich macht." Unkontrollierte Vermehrung sei nie gut, meint Greff noch und zählt den Waschbären, den Marderhund und den Nerz auf. Alles eingeschleppte Tiere, die heimische Arten verdrängen. Zwischen 1300 und 2300 Wölfe soll es mittlerweile in Deutschland geben. In Finnland, Schweden und Frankreich zusammen schätzt man 1000 Exemplare.

"Kann sein, der ist morgen in Frankreich"

Bei der "unkontrollierten Vermehrung" des Wolfs aus dem Killertal sei man aber noch nicht. "Dieser Wolf ist auf der Suche nach einem Rudel. Nach einer Frau", denkt Pfister. "Wer weiß, ob er wirklich noch da ist." Die Tiere hätten ein Streifgebiet von 200 Kilometern. "Kann sein, der ist morgen in Frankreich oder übermorgen schon in Tschechien."

Pfisters SECACAM, so heißt die Wildkamera, wird irgendwann den Beweis liefern – oder eben nicht. Konstruiert, um heiße Sommer und sehr kalte Winter auszuhalten, ist die Fotofalle jedenfalls: "Bis minus 20 Grad und bis 60 Grad plus macht die mit", sagt Pfister. "Wasser- und staubdicht ist sie auch."

"Bleib’ anständig bei deiner Suche"

"Na dann, Meister Isegrim, wo du jetzt auch bist: Pass auf dich auf, bleib’ anständig bei deiner Suche nach einer Wölfin und stets im Wald", fährt es mir durch den Kopf, als ich mich von Greff und Pfister verabschiedet habe, um zu gehen. Ob das wohl das einzige Kapitel war, das Meister Isegrim in der Gegend geschrieben hat?

Was ist ein Luderplatz?

Walter Greff erklärt: Ein Luderplatz ist ein altes Mittel zum Anlocken des Raubwildes. Dort werden Jagdabfälle – alles für den Menschen Ungenießbare wie Gedärm – abgelegt. Raubtiere kommen und fressen dort. Früher wurde der Wolf an Luderplätzen gejagt. Heute dienen die Plätze dazu, den Wildbestand zu regulieren. Wenn also ein Fuchs dort frisst, jagt er weniger Hasen, und die Hasenpopulation im Wald wird nicht gefährdet.