Zum 31. Oktober schließt das Traditions-Gasthaus Alte Post. Foto: Fritsch

Betroffenheit bei allen Beteiligten. Vielfältige Gründe für Schließung. Gebäude soll Restaurant bleiben.

Nagold - In Nagold wirft ein Traditions- und Gourmetlokal das Handtuch. Für die Stadt bedeutet das mehr als der Verlust eines Sterns.

Es ist das schönste Gebäude der Stadt: uraltes Fachwerk, grandios - der Stolz Nagolds. Und dann das riesige, gold-glänzende Wirtshausschild – eine Augenweide. «Alte Post» heißt das Traditions-Gasthaus im Herzen der Stadt, ehemals Postkutschen-Station, viele Jahre lang Hotel, zuletzt Sterne-Restaurant - und jetzt das Aus, die Schließung des Lokals. Das klingt wie aus einer Traueranzeige.  

Für die 22 000-Einwohner-Stadt am Rande des Nordschwarzwalds handelt es sich in der Tat um mehr als das Ende eines Gourmetlokals. Es ist ein Schlag, wie ihn die Stadt lange nicht mehr erlebt hat. "Das Lokal ist unser Alleinstellungsmerkmal", klagt eine Nagolderin. "Calw hat Herrmann Hesse, Nagold die "Alte Post"." Ganz ähnlich verlautet es aus dem Rathaus, das Traditionshaus sei "ein Wahrzeichen und Kulturdenkmal unserer Stadt!. Es herrscht Ratlosigkeit.

Sichtlich geschockt ist auch Chefkoch Stefan Beiter. "Traurig, traurig», meint der 39-Jährige, der das Restaurant erst 2016 wieder auf Sterneniveau brachte. Viel mehr will der Koch aber nicht sagen. "Zu den Umständen möchte ich mich nicht äußern. Ich will mit dem Thema abschließen."

Allerdings: Das Fiasko hat sich schon seit längerem angedeutet. Bereits im Sommer entschloss sich Beiter, seinen Michelin-Stern aufzugeben, das Gourmetlokal in den historischen Räumen im ersten Stock zu schließen. Grund: Personalnot. Seitdem servierte Beiter nur noch in einem Bistro im Parterre schwäbisch-bürgerliche Küche mit kreativen Einschlag – doch auch hier blieb der Zuspruch der Gäste eher zurückhaltend.

Tatsächlich erlebte das Restaurant in dem denkmalgeschützten Prachtbau bereits seit 30 Jahren eine schmerzhafte Berg- und Talfahrt. Mehrfach wechselten die Pächter, doch langfristiger finanzieller Erfolg war niemanden beschieden. In den 1980er Jahren wurden die Hotelzimmer verkauft, Investoren stiegen ein, es ging um schnellen Profit. Der Gastronomie bekam das nicht immer gut.  

Schließlich starteten rund 50 Unternehmer und Privatleute eine Art Rettungsaktion, übernahmen als Eigentümer große Teile des Hauses, ließen renovieren und restaurieren. Viel Geld wurde hineingesteckt, allein die Restaurierung des gold-glänzenden Wirtshausschildes habe 60.000 Euro gekostet, die Stadt und private Mäzene seien eingesprungen, so Hans Nock, Sprecher der Eigentümergesellschaft.  

Zeitweise sah es nach einem Durchbruch aus. Unter anderem übernahm der renommierte Starkoch Martin Göschel das Restaurant, schaffte 2014 praktisch aus dem Stand einen Stern – und warf dann doch nach einem guten halben Jahr das Handtuch. Zuviel Arbeit, zu wenig Gewinn.

Doch die Gründe und Hintergründe für das Aus sind vielfältig – und umstritten. Offiziell gibt die Eigentümergesellschaft Personalnot an. Köche und Servicepersonal mit Niveau und Ehrgeiz ziehe es eher in die nahe gelegene Gourmet-Hochburg Baiersbronn, wo mit dem "Hotel Traube Tonbach" und dem "Restaurant Bareiss" gleich zwei Drei-Sterne-Tempel beheimatet sind. "Hier zu arbeiten, fördert die Karriere", meint Nock.

Beinhart ist auch die Konkurrenz. 74 Serne-Restaurants gibt es in Baden-Württemberg – mehr als in jedem anderen Bundesland.  

Doch es gibt weitere Gründe. "Die "Post Alte" hatte früher den Ruf des Elitären", räumt Nock ein. "Das hängt dem Haus noch immer nach." Irgendwie, so ist immer wieder in der Stadt zu hören, seien die Nagolder mit dem Lokal nie recht warm geworden. Auch der Ton des Servicepersonals habe dabei eine Rolle gespielt, monierten manche Gäste.

Doch Kritiker geben auch der Eigentümergesellschaft Mitschuld. So hatte Chefkoch Beiter nicht als Pächter, sondern als Angestellter gearbeitet. Die Eigentümer aber hätten ihm zu viel ins Geschäft reingeredet. "Zu viele Köche verderben den Brei", kommentiert ein Kenner der Gourmetszene.

Und nun? Trotz aller Probleme: Die Stadt und die Eigentümer wollen auf jeden Fall, dass ihr historischer Prachtbau auch weiterhin ein Restaurant bleibt. "Der Gedanke, dass eine Telefongesellschaft hier einzieht, ist vielen unerträglich", meint ein älterer Nagolder.

"Ein Gourmetrestaurant wird es aber wohl nicht mehr geben", prophezeit Nock. "Es wird ein anderes Konzept sein, vom Niveau her etwas niedriger."