Wer war am Steuer, als der tödliche Traktor-Unfall geschah? Das musste das Amtsgericht Horb entscheiden. (Symbolfoto) Foto: ©Budimir Jevtic – stock.adobe.com

Der tragische Traktor-Unfall von Talheim. Jetzt muss Thomas T. (26, Name geändert) für elf Monate ins Gefängnis. Weil sein bester Freund Johannes K. (25) starb. Richter Albert Trick sagt in seinem Urteil: "Sie müssen angemessen büßen!"

Horb - Es war eine illegale Scheunen-Party mit tödlichem Ausgang. Während des Lockdowns im April vor einem Jahr mit Ausgangssperre um 21 Uhr feiern Thomas T., sein bester Freund Johannes und andere in einer Scheune am Samstag, 24. April, in Talheim. Ein Kumpel schreibt sie an: "Wir feiern auch. Kommt zu uns." Gegen 0.45 Uhr setzt sich der Traktor in Gang Richtung Party-Scheune Nummer 2. Über einen Feldweg. Im Volksmund wird sowas auch "Promilleweg" genannt. Thomas hat da gut 1,9 Promille im Blut.

Um 1.08 Uhr ruft Thomas seinen Vater an – "Besorg einen Schlepper mit Teleskopträger." Sein Freund liegt unter dem Traktor. Johannes ist tot. Thomas hinterher: "Ich kann mich an nichts erinnern." Die Blutprobe ergibt 1,9 Promille. Thomas – so der rechtsmedizinische Gutachter – hat beim Unfall eine Gehirnerschütterung erlitten. Die kann den Gedächtnisverlust erklären.

Saß Thomas oder sein Freund am Steuer?

Die schwierige Frage für das Amtsgericht: Ist Thomas gefahren? Hat er seinen Freund in den Tod gerissen? Oder saß Johannes – das spätere Opfer – am Steuer?

Keiner hat gesehen, wer gefahren ist. Es gibt nur ein Handy-Foto von Johannes – vor der tödlichen Traktor-Fahrt. Man sieht seine Knie neben dem Lenkrad, der Fahrersitz ist leer.

Traktor mit Höchstgeschwindigkeit in die Kurve

Für Frank Rauland, Unfallguachter der Dekra, ist der Fall klar: "Der Traktor ist mit rechnerisch 41 km/h in die Kurve gegangen. 25 km/h wären angemessen gewesen. Er lenkte, bremste, der Traktor geriet ins Kippen." Es dauerte knapp 1,5 Sekunden, bis die linke Seite auf dem Boden war. Und den 25-Jährigen zerquetschte.

Rauland:  Es ist unwahrscheinlich, dass der auf dem Notsitz Sitzende in den anderthalb Sekunden die linke Tür aufgemacht hat, rausgesprungen ist und sie wieder zugemacht hat. Dann müsste ihn der Trecker von hinten erfasst haben." Der Sachverständige zeigt Fotos mit zwei Polizisten in der Kabine als Platzhalter. "Es ist so eng in der Kabine. Der Fahrer kommt nicht an dem vorbei, der auf dem Notsitz sitzt."

Gutachter: Bei Geradeausfahrt wäre nichts passiert

Daraus zieht der Gerichtsgutachter den Schluss: Wenn Johannes zerquetscht unter dem Trecker lag, muss er auf dem Notsitz gesessen haben. Das Umkippen schleuderte ihn raus, ehe der Dachholm ihm den Oberkörper zerquetscht hat. Dafür spreche auch das Verletzungsbild des Opfers in der Obduktion.

Rauland: "Zu schnell in die Kurve fahren – das ist typisch unter Alkohol. Wenn man in der Kurve geradeaus gefahren wäre, wäre nicht viel passiert." Der rechtsmedizinische Gutachter: "Zu schnell in die Kurve gehen und bremsen – das spricht für einen alkoholtypischen Fahrfehler."

Staatsanwältin: Angeklagter ist gerast

Dann die Plädoyers. Für die Staatsanwältin steht fest: Der Angeklagte ist gefahren: "Er hat die Höchstgeschwindigkeit gefahren – mit den schwersten Folgen für den Getöteten!" Sie fordert 13 Monate.

Die Verteidigerin: "Wer den Traktor gefahren ist, diese Frage kann man nicht eindeutig beantworten. Wenn der Traktor doch nur 35 km/h gefahren ist, wäre die Kippzeit länger. Dann hätte es meinem Mandanten doch gelingen können, vom Notsitz aus rauszuspringen." Sie fordert Freispruch.

Thomas weint: „Schlimmste Strafe, dass mein Freund tot ist“

Dann hat der Angeklagte das letzte Wort. Thomas T: "Das war der schlimmste Tag meines Lebens." Weint: "Wer es war, der gefahren ist, ist doch egal. Die schlimmste Strafe ist, dass mein Freund tot ist!"

Richter Albrecht Trick zieht sich 25 Minuten zurück. Mit Glockenschlag 14 Uhr verkündet er das Urteil: Schuldig, elf Monate Gefängnis. Obwohl ihm der Angeklagte persönlich leid tut, sagt Trick: "Das jemand zu Tode kam, muss sich in der Strafe widerspiegeln. Ein Mensch ist tot, der andere muss dafür büßen. Das entspricht meinem tiefsten Rechtsempfinden." Trick: "Jedem rechtstreuen Bürger würde es die Fingernägel hochrollen, wenn man dafür nur eine Strafe auf dem Papier bekommt." Er meint damit die Bewährung.