Das Schicksal des kleinen Tiago aus Binsdorf, der an Spinaler Muskelatrophie, Typ 2 leidet, hat viele Menschen berührt. Im August 2020 wurde ihm mit "Zolgensma", dem damals teuersten Medikament der Welt, eine Gentherapie verabreicht, die die Muskelkrankheit zwar nicht heilen, aber stoppen kann. Wie es dem heute Vierjährigen geht und wie sein Alltag aussieht, hat uns seine Mama verraten.
Geislingen-Binsdorf - Vor gut vier Wochen gab es in Binsdorf Grund zu feiern: Denn der kleine Tiago ist vier Jahre alt geworden. Ob er diesen Tag mit seiner Familie so unbeschwert genießen kann, war vor rund zwei Jahren noch unklar. Denn damals lief die Zeit gegen den an Spinaler Muskelatrophie erkrankten Jungen: Bis um seinen zweiten Geburtstag sollte ihm "Zolgensma", ein 1,9 Millionen Euro teures Medikament, verabreicht werden. Damals war noch nicht klar, ob die Krankenkasse diese Kosten übernehmen wird. Das löste eine Welle der Solidarität in der Region aus: Über eine Million Euro Spenden wurden damals für Tiago gesammelt. Dann kam endlich die gute Nachricht: Die AOK übernimmt die Kosten für das damals teuerste Medikament der Welt.
Am 6. August 2020 war es dann soweit: Durch eine Infusion wurde Tiago Zolgensma verabreicht. Wenige Tage nach der Behandlung hatter er Fieber bekommen. Doch insgesamt hat er die Behandlung gut vertragen.
Und wie geht es dem Vierjährigen heute?
"Gut", erzählt uns seine Mama, Stephanie de Freitas, am Telefon. Tiago mache weiterhin große Fortschritte. Etwa alle vier Monate fahre die Familie zur Uni-Klinik nach Freiburg, um dort testen zu lassen, was Tiago seit der Verabreichung von Zolgensma Neues könne. "Letztes Mal hat er sogar die höchstmögliche Punktzahl erreicht", freut sich seine Mama. Er könne inzwischen frei sitzen, auf seinem Popo rutschen und sogar für ein paar Sekunden alleine stehen. Daran sei vor der Behandlung mit Zolgensma nicht zu denken gewesen.
Inzwischen gehe Tiago auch in den Kindergarten. Dort sei er sehr gut aufgenommen und integriert worden, freut sich de Freitas. "Es vergeht kein Tag, an dem er nicht gehen will." In dem KBF-Kindergarten bekomme er jeden Tag Physiotherapie. Darüber hinaus gehe er einmal die Woche zu einer weiteren Psyiotherapie und zur Reittherapie. "Das ist für Tiago mehr Hobby als Therapie. Er findet das Reiten total cool", erzählt seine Mama. Von Anfang an saß er alleine im Sattel. Das Reiten unterstütze vor allem die Rumpfkraft und den Rücken, erklärt de Freitas. Weitere Medikamente müsse Tiago derzeit gar nicht einnehmen.
Was passiet mit dem gespendeten Geld?
Weil das Spendengeld, das für Tiago gesammelt wurde, für etwa zwei Jahre zweckgebunden ist, kann die Familie dieses für notwendige Hilfsmittel oder Therapien verwenden: "Wir haben davon zum Beispiel einen weiteren Rollstuhl gekauft und bezahlen die Reittherapie damit", erklärt de Freitas. Eingerichtet ist das Spendenkonto bei der Deutschen Muskelstiftung. Tiagos Familie hat keinen direkten Zugriff darauf. Nach Ablauf der zwei Jahre wird entschieden, wie das restliche Geld weiter verwendet werden soll. Konkrete Pläne gebe es dafür jedoch noch nicht.
Weitere Informationen:
Spinale Muskelatrophie, Typ 2 ist eine seltene und lebensbedrohliche Muskelkrankheit. Im Laufe dieser Erkrankung schwinden die Muskeln, mit steigendem Alter sind auch die Organe betroffen. Das Medikament Zolgensma kann diesen Prozess stoppen und den Erkankten somit die Chance auf ein weitgehend selbstbestimmtes Leben geben.