Tiago geht es derzeit gut: Er hat die Behandlung mit Zolgensma gut vertragen. Foto: Familie

Junger Binsdorfer ist nach Behandlung mit neuem Medikament mittlerweile wieder Zuhause.

Geislingen-Binsdorf - Der zweijährige Tiago aus Binsdorf, der an Spinaler Muskelatrophie erkrankt ist, hat die Verabreichung des neuartigen Medikaments Zolgensma nach Angaben seiner Eltern gut verkraftet. Mittlerweile ist der Bub wieder zuhause.

"Tiago geht es gut", sagt dessen Vater Jens Hafner unserer Zeitung. Er sei fröhlich und munter – wie es sich für einen Zweijährigen gehört. Dem keinen Abbruch tut seine schwere Erkrankung, an der er seit seiner Geburt leidet: Spinale Muskelatrophie, Typ 2. Die Erbkrankheit löst unter anderem Muskelschwund aus. Unbehandelt führt sie oft vor Erreichen des zweiten Lebensjahres zum Tod.

Tiago hatte bislang gegen die Krankheit das Medikament Spinraza erhalten. Anfang August bekam der junge Binsdorfer dann die von Avexis, Tochterunternehmen des Pharmariesen Novartis, entwickelte Gentherapie Zolgensma; diese war im Mai in der EU zugelassen worden. Damit war die Verabreichung problemlos möglich – ebenso die Kostenübernahme durch die Krankenkasse der Familie, die AOK.

Mehr als eine Million Euro Spenden

Weil die Geldfrage lange Zeit nicht geklärt war und es so aussah, dass die Familie die Behandlung mit Zolgensma selbst würde bezahlen müssen, hatten Tiagos Eltern einen Spendenaufruf gestartet. Daraus entwickelte sich die wohl größte Spendenaktion dieser Art in der Geschichte des Landkreises: Zahlreiche Menschen und Firmen gaben Geld, allerorten fanden vor allem in der Weihnachtszeit Aktionen zugunsten von Tiago statt. So kamen von Ende 2019 bis Mai mehr als eine Million Euro zusammen; die Kosten für Zolgensma – eine einmalige Spritze – belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro.

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Bekommen hat Tiago Zolgensma Anfang August in der Klinik in Freiburg, wo er bisher schon mit Spinraza behandelt worden war. Auf die neue Therapie reagierte sein Körper kurzzeitig mit Fieber. Eine Woche lang musste Tiago nach Angaben seines Vaters Jens Hafner nach der Verabreichung im Krankenhaus bleiben, in einem Isolierzimmer. Diese Zeit habe er aber gut verkraftet – wohl auch deswegen, weil er Aufenthalte in Kliniken seit seiner Geburt gewohnt ist. Geholfen habe, so Hafner, wohl auch, dass Tiago von denselben Ärzten und Krankenschwestern betreut worden sei, die auch schon an der Spinraza-Behandlung beteiligt waren. Seit der Entlassung muss Tiago mit seinen Eltern Jens Hafner und Stephanie de Freitas zur Kontrolle und zu Nachfolgeuntersuchungen einmal wöchentlich ins Breisgau fahren.

Wirkung zeigt sich Ende des Jahres

Die spannende Frage ist nun, ob und wie Zolgensma bei Tiago anschlägt. Nach den Erfahrungen, die bei der Behandlung anderer Kinder mit der Gentherapie gemacht wurden, könne dazu wohl frühestens im Dezember etwas gesagt werden, betont Jens Hafner. Beispiele zeigten, dass Kinder nach Verabreichung von Zolgensma enorme Fortschritte gemacht hätten: Ein Junge aus Ludwigsburg, der bis dato seine Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte, fahre mittlerweile Laufdreirad.

Auch Tiago litt bisher unter großen Einschränkungen: Er konnte kaum laufen, weil seine Beine sein Gewicht nicht tragen konnten. Nicht möglich war es ihm zudem, mit seinen Armen über den Kopf zu greifen oder mit seinen Händen ein Glas Wasser zu halten. Diesbezüglich habe er, sagt sein Vater, aber auch schon mit Spinraza und dank der Physiotherapie Fortschritte gemacht. Dass diese nach der Behandlung mit Zolgensma weitergehen, das ist nun die große Hoffnung der Eltern.

Die bisher eingegangen Spenden zugunsten von Tiago in Höhe von mehr als einer Million Euro stehen für zwei Jahre zweckgebunden und speziell für Tiago zu Verfügung: für weiterhin notwendige Hilfsmittel etwa, oder für Therapien. Eingerichtet ist das Spendenkonto bei der Deutschen Muskelstiftung, Tiagos Familie hat keinen direkten Zugriff auf das Geld. Nach Ablauf der zwei Jahre wird entschieden, wie das Geld weiter verwendet werden soll, in Absprache mit der Familie. "Uns liegt sehr am Herzen", sagte Stephanie de Freitas im Mai, "anderen Familien mit an SMA erkrankten Kindern zu helfen."