An der Hochschule für angewandte Chemie in Reutlingen wird künstliches Fleisch mit einem 3-D-Drucker gedruckt. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Immer mehr Menschen in Deutschland ernähren sich vegetarisch oder vegan, der Konsum von Fleischersatzprodukten steigt. Nun sollen bald die ersten Produkte aus "In-Vitro-Fleisch", künstliches Fleisch aus dem Labor oder dem 3D-Drucker, auf den Markt kommen. Wir haben nachgefragt, was dieser Trend für die heimische Landwirtschaft bedeutet.

Der Hersteller Rügenwalder Mühle verkaufte 2021 zum ersten Mal in seiner Unternehmensgeschichte mehr vegane und vegetarische als Fleischprodukte. Laut dem Statistischen Bundesamt wurden allein 2021 in Deutschland 98.000 Tonnen Fleischersatzprodukte hergestellt, ein Plus von 17 Prozent. Und im ersten Quartal dieses Jahres stieg der Umsatz sogar noch einmal um 13,3 Prozent. Eine fleischlose Ernährung wird demnach immer attraktiver.

 
Um zukünftig den Konsum von Schwein und Co, Treibhausgase und Tierleiden noch weiter zu reduzieren, wird bereits an neuen Methoden geforscht - beispielsweise künstliches Fleisch aus dem 3D-Drucker oder dem Labor. So auch an der Hochschule in Reutlingen. Das Team um Petra Kluger will mit künstlichem Fleisch erreichen, dass Menschen Fleisch essen können, ohne dafür Tiere zu töten.

Reaktionen auf Facebook

Die Nachricht löste auf der Facebook-Seite des Schwarzwälder Boten eine rege Diskussion aus, die Reaktionen gingen von positiver Unterstützung bis hin zu scharfer Kritik. "In Zukunft essen nur noch die oberen Zehntausend echtes Fleisch. Für den Rest gibt's "Soylent Green" öhhhh...", ist die Befürchtung einer Facebook-Nutzerin. Andere Kommentatoren sind von dem Aussehen des künstlichen Fleisches nicht begeistert - "Schaut aus wie ein Gummibärchen, das vor ein Auto gelaufen ist". Kotzsmileys oder ein Igitt sind ebenfalls keine seltenen Reaktionen.

Nicht alle Kommentare sind jedoch negativ gegenüber dem Fleisch aus dem 3D-Drucker: "Super Sache für alle, die auf den Geschmack nicht verzichten wollen, die aber das Töten von fühlenden Lebewesen nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren können oder wollen", schreibt eine Userin. Und eine andere Nutzerin kommentiert: "Danke den Wissenschaftlern für den Fortschritt im Sinne der Menschheit, aber vor allem auch den Tieren".

Die meisten Reaktionen unter dem Beitrag bleiben jedoch kritisch: "Nicht, dass man Wildtiere ausrottet, jetzt muss man auch die Nutztiere ausrotten. In 50 Jahren werden wir ein Schwein nur noch im Zoo sehen", kritisiert eine Userin. Eine andere Facebook-Nutzerin wendet ein: "Und warum sollten dann noch Tiere gehalten werden? Extinction? Und woher kommt dann der Dünger für die vielen Pflanzen, mit denen wir uns dann ernähren müssen? Und was ist mit Milch und den Milchprodukten?".

Laborfleisch ist nicht gleich Clean Meat

Dass Nutztiere durch die Produktion von künstlichem Fleisch gar ausgerottet werden könnten, sei nicht zu befürchten, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: "Wir werden trotz Laborfleisches weiterhin Nutztiere brauchen."

Dies bestätigt auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): "Nutztiere werden wir zukünftig weiterhin brauchen, auch um die Landschaften offen zu halten und für die Weidehaltung", sagt Christoph Schramm, Referent für Landwirtschaft und Wald. "Wir müssen zukünftig jedoch die Menge an Nutztieren reduzieren", so Schramm. Eine Umstellung in der Landwirtschaft werde es daher geben, diese würde aber vor allem die industrielle Massentierhaltung betreffen, nicht die regionale Landwirtschaft.

In-Vitro-Fleisch wird hergestellt, indem man zuvor einem Nutztier Muskelgewebe entnimmt. Daraus werden Stammzellen gewonnen und mit einem Nährmedium in einem Behälter vermehrt, informiert die Verbraucherzentrale. "Wir finden es deshalb nicht richtig, dieses Produkt als Clean Meat zu bezeichnen, wenn dafür trotzdem Tiere sterben. Und die Entnahme der Muskelzellen kann für die Tiere mit Stress und Schmerzen verbunden sein. Zudem ist noch unklar, welche Auswirkungen eine regelmäßige Zellentnahme auf sie hat", fügt Holzäpfel hinzu. Künstliches werde auch nicht echtes Fleisch ersetzen. "Momentan ähnelt es Hackfleisch. Man kann daraus Burgerpattys formen, aber noch kein Steak herstellen."

Noch ist in Europa kein künstliches Fleisch zugelassen. "Erst dann kann man klar sagen, welche Bedingungen bei der Herstellung herrschen, wie es sich im Körper verhält und ob es besser oder schlechter ist als tierisches Fleisch", stellt Holzäpfel klar. Dafür sei beispielsweise wichtig, ob Gentechnik bei der Produktion eingesetzt wird, wie viel Energie das Verfahren benötigt, ob die Herstellung ethisch vertretbar sei und ob das künstliche Fleisch weniger oder mehr gesättigte Fettsäuren sowie Nährstoffe enthält als das tierische Produkt. "Wichtig für uns als Verbraucherzentrale wird erst einmal sein, ob die Sicherheit und Transparenz beziehungsweise korrekte Kennzeichnung des Produkts gewährleistet wird", betont Holzäpfel. Dazu zählt auch die Auflistung von Allergene und dass für den Verbraucher klar erkennbar ist, dass es sich um Laborfleisch handelt.

Künstliche oder pflanzliche Produkte?

Ebenfalls unklar ist, wie viel künstliches Fleisch im Vergleich zum tierischen kosten wird. "Es ist momentan noch ein sehr teures Verfahren", merkt Holzäpfel an.

Die Verbraucherzentrale erhofft sich allerdings durch Laborfleisch, dass für dessen Produktion zumindest weniger Tiere auf mehr Fläche gehalten werden können. "Aber die Frage ist,  brauchen wir das überhaupt, oder ist es nicht sinnvoller, unseren Fleischkonsum auf ein verträgliches Maß zu reduzieren?", betont Holzäpfel.

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"Künstliches Fleisch ist keine wirkliche Lösung des Problems", stimmt Schramm vom BUND zu. "Aus unserer Sicht ist es nicht zielführend, die Probleme der aktuellen Praxis in der industriellen Massentierhaltung einfach durch eine andere Methode abzulösen. Wir müssen das Problem an der Wurzel packen: Unser zu hoher Fleischkonsum. Im Vergleich zu pflanzlicher Erzeugung schneidet auch Laborfleisch im Hinblick auf Energie- und Ressourcenbedarf definitiv schlechter ab. Gleichzeitig ist es heute leichter denn je, sich überwiegend oder ausschließlich pflanzenbasiert gesund zu ernähren." Der BUND plädiere nicht für die komplette Abschaffung der Nutztierhaltung. "Wir werden auch in der Zukunft noch 'echte' Tiere brauchen, die auf der Weide stehen und dadurch artenreiche Lebensräume im Grünland erhalten. Dieses Grünland ist darüber hinaus als CO2-Senke auch für den Klimaschutz wichtig."

Bedeutung für die Landwirtschaft

Und was hält die Landwirtschaft vom künstlichen Fleisch? Zumindest sei das keine Konkurrenz, sagt der Landesbauernverband (LBV) in Baden-Württemberg. "Politische Vorgaben, die die Halter einhalten müssen, sind ein größeres Problem für die Landwirte", sagt Ina Jungbluth, Referentin für Tierhaltung. Als ein Beispiel nennt sie fehlende Planungssicherheit, wenn Halter in neue Ställe investiert haben, nur um dann wieder komplett umbauen zu müssen aufgrund von neuen Vorgaben. Vor allem in der Schweinehaltung sei dies derzeit ein großes Problem. "Im Moment ist es extrem, weil die Landwirte nicht mehr verdienen und nicht einmal mehr ihre Kosten gedeckt kriegen", kritisiert Jungbluth. 

"Die Landwirte bräuchten eine höhere Bezahlung, aber derzeit machen sie vor allem bei der Schweinehaltung Minus", erklärt die Referentin. Ein Schlachtschwein kostet derzeit laut Jungbluth 1,80 Euro pro Kilogramm. Aufgrund der explodierenden Energie- und Futterpreise jedoch wäre ein Preis von 2,75 Euro pro Kilo nötig, um allein die Kosten zu decken. Immer mehr Landwirte müssten ihren Betrieb aufgeben, weil sie ihn nicht mehr finanzieren können. "Die Menschen wollen regionale Produkte, aber wenn das so weitergeht, wird es bald keine mehr geben, sondern die Produktion wird sich ins Ausland verlagern", befürchtet die LBV-Referentin.

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Bereits jetzt werde viel Fleisch aus dem Ausland importiert. Der Anteil, der in Deutschland produziert wird, liegt laut LBV beim Schwein bei 45 Prozent, bei Rind- und Kalbfleisch bei 58 Prozent und bei Hähnchen bei 21 Prozent. "Der Fleischkonsum, den wir momentan haben, kann in Baden-Württemberg nicht einmal von den regionalen Landwirten gedeckt werden. Deshalb wirkt sich der Konsumrückgang von Fleisch nur minimal auf die Landwirtschaft aus." Hinzu komme, dass auch die vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukte von Landwirten hergestellt werden.

Und was kann der Verbraucher tun, um die Bauern in Baden-Württemberg zu unterstützen? "Der Trend regional ist super für unsere Landwirte: die Transportwege sind kürzer, die Verträge längerfristig und die Preise höher. Aber diese hohen Anforderungen müssen eben auch bezahlt werden." Und der Verbraucher müsse bereit dazu sein, tiefer in die Tasche zu greifen.