Die Bürgerinitiative wirbt mit Plakaten wie diesem nach wie vor gegen den Flächenverbrauch durch das interkommunale Gewerbegebiet. Foto: Müller

Die Arbeiten für das "agrarstrukturelle Gutachten" sind derzeit in vollem Gange. Anlass dafür ist das im Raum stehende Interkommunale Gewerbegebiet. Die Landwirte haben bereits Fragenkataloge erhalten. Was wollen die Gutachter wissen?

Bisingen - Die hitzigsten Diskussionen über das neue Interkommunale Gewerbegebiet zwischen Bisingen und Balingen scheinen geschlagen. Seit der Gemeinderat das agrarstrukturelle Gutachten im Frühling 2022 in Auftrag gegeben hatte, ist es ruhig geworden um das Thema. Die Plakate der Bürgerinitiative "Wir bleiben Bisingen" gegen das Großprojekt hängen noch und sie zeigen an: Auch wenn die Diskussion in ruhiges Fahrwasser gekommen ist, beendet ist sie noch nicht.

Was bringt das agrarstrukturelle Gutachten?

Im Hintergrund wird derzeit ein "agrarstrukturelles Gutachten" erstellt, das die Diskussion über die Einrichtung eines interkommunalen Gewerbegebiets auf eine sachliche Grundlage stellen soll. Im Zuge der Ausarbeitung haben noch im Dezember die Landwirte in Bisingen einen Fragenkatalog erhalten. Dieses Gutachten gilt als wichtige Entscheidungsgrundlage für den Bürgerentscheid.

Beauftragt hatte der Gemeinderat damit die Landsiedlung Baden-Württemberg GmbH mit Sitz in Suttgart, die sich darauf spezialisiert hat, Kommunen auch in solchen Fragen professionell zu begleiten. An den Fragen wird konkret, was hinter dem sperrigen Begriff "agrarstrukturelles Gutachten" steckt.

Welche Fragen sollen die Landwirte beantworten?

Die Macher des Gutachtens wollen wissen:

"Welche Rinderrasse dient bei Ihnen derzeit zur Milcherzeugung?", "Wie viele Mutterkühe halten Sie?", "Wie viel Kilo Milch erzeugt eine Kuh Ihres Betriebes im durchschnitt pro Tag / im Durchschnitt pro Laktationsphase?"

"Wieviel Tonnen pro Hektar Futter können Sie auf Ihren Grünlandstandorten pro Schnitt bzw. pro Jahr werben?"

"Wie viele Schnitte führen Sie in einem gewöhnlichen Jahr (die vergangenen Extremwetterjahre ausgeschlossen) durchführen?"

"Wie viele Schnitte waren Ihnen in den letzten Trockenjahren möglich?"

"Wie hoch ist der Anteil in Kilogramm an Grünlandaufwuchs in der Futterration im Schnitt? Wieviel müsste an Grassilage bzw. Heu pro Hektar ›verlorener‹ Grünlandfläche hinzugekauft werden."

"Aus welchen Kulturen setzt sich Ihre Fruchtfolge zusammen, welche Kulturen bauen Sie an?"

"Welche Erträge erzielen Sie im Schnitt in Dezitonnen pro Hektar?"

Neben diesen schriftlich zu beantwortenden Fragen sind die Vertreter der Landsiedlung bereits im Ende 2022 direkt mit den Landwirten ins Gespräch gegangen.

Warum werden solche Fragen gestellt?

Wie die Landsiedlung den Landwirten mitgeteilt hat, dienten die Fragen dazu, einem Leser des Gutachtens beispielhaft zu verdeutlichen, welche Auswirkungen der Verlust eines Hektars durchschnittlichen Acker- und Grünlands auf den Tierbestand haben würde. Um wie viele Kühe müsste bei gleichbleibender Milchleistung der Bestand des Betriebes verringert werden? – Das wäre etwa eine Frage, die sich mit den Daten plastisch und praxisnah beantworten ließe.

Welche Daten erhebt das Gutachten noch?

Die Landsiedlung zieht für das Gutachten weitere Daten in Betracht, holt diese etwa vom Statistischen Landesamt. Auch werden alle flächenrelevanten Planungen der Gemeinde Bisingen und ihre Realisierungswahrscheinlichkeit erhoben. Mit diesem Datenbestand geht die Landsiedlung auf die Landwirte zu. Die Daten aus der Umfrage würden die bestehenden ergänzen und "plausibilisieren".

Was war der Anlass für das Gutachten?

 Anlass für das Gutachten ist die mögliche Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen für die bauliche Entwicklung Bisingens im Ganzen und dem zur Diskussion stehenden interkommunalen Gewerbegebiet im Besonderen. Diese Flächen gingen für die landwirtschaftliche Nutzung verloren. Deshalb sollen die Auswirkungen über die nächsten zehn Jahre hinweg auf die örtlichen Betriebe, insbesondere die direkt vom Flächenverlust betroffenen, ermittelt werden.

Wer entscheidet, ob das interkommunale Gewerbegebiet eingerichtet wird?

Vom Gutachten erhofft man sich ein klares Bild zum Flächenverbrauch. Das Thema hatte in Bisingen für Wirbel gesorgt. Unter anderem gründete sich eine Bürgerinitiative, die sich nach wie vor gegen die Einrichtung eines interkommunalen Gewerbegebiets einsetzt. Das Gutachten soll eine sachliche und professionelle Ebene bilden, auf der Gemeinde, Gemeinderat und Bürger den Entscheidungsprozess für oder gegen das neue Gewerbegebiet fortsetzen können. Am Ende Entscheiden die Bisinger per Bürgerentscheid.

Wie groß wird das angedachte Gewerbegebiet?

Die Ost-Erweiterung des Industriegebiets Nord wird 6,5 Hektar mehr Gewerbeflächen bringen, und die Norderweiterung – die noch nicht sicher ist – weitere 18 Hektar. Solches Potenzial hat Balingen nicht. Ein interkommunales Industriegebiet mit der Stadt Balingen würde weitere 38,5 Hektar Flächen für die Ansiedlung von Gewerbebetrieben schaffen.