Die Asylbewerber-Unterkunft in Talheim: Die Situation ist angespannt. Die Flüchtlinge haben sich laut Landkreis über Helferinnen und einen Mitarbeiter des Landratsamts beschwert. Foto: Hopp

Vorwurf: Landkreis-Mitarbeiter soll Asylbewerber falsch informiert haben. Wirbel um Protokoll des Asylkreises.

Horb-Talheim - Schwere Vorwürfe stehen im Raum: Wurden die Flüchtlinge in Talheim falsch beraten? Wurde ihnen sogar Angst gemacht? Der Landrat kann die Vorwürfe nicht entkräften, verspricht aber eine "Sensibilisierung".

Die Flüchtlingsunterkunft in Talheim gestern. Seit zwei Wochen ist kein ehrenamtlicher Pate des Arbeitskreis Asyls bei den Flüchtlingen gewesen. Eine Mutter, die ihrer Auskunft nach zu der Minderheit der Ashkali gehört, sagt: "Seitdem Ruth und Kati nicht mehr da sind, weinen die Kinder jeden Tag."

Der Landkreis-Mitarbeiter hatte den beiden Patinnen Kathleen Schmitz und Ruth Eisenbeis am Montag, 21. April, abends "Hausverbot" erteilt. Offizielle Begründung: Sie würden für "Unruhe" sorgen (wir berichteten). Der Landkreis wehrt sich gegen den Begriff "Hausverbot". Flüchtlinge der Unterkunft hätten sich über die Patinnen beschwert. Sie würden sich bei Lebensmitteln und Kinderversorgung einmischen.

Doch inzwischen kommt ein viel größerer Konflikt ans Tageslicht. Hat der Landkreis Druck auf die Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgebaut, damit sie freiwillig ausreisen?

Das bestätigt auch Andreas Linder, Geschäftsführer des Flüchtlingsrates Baden-Württemberg, gegenüber dem Schwarzwälder Boten. Er war am 15. April in Talheim, um die Flüchtlinge über das Asylrecht aufzuklären. Laut Linder war am 9. April ein Landkreismitarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft.

Auch der Arbeitskreis Asyl war dabei. Es existiert ein Protokoll, geschrieben von Gisela Höpfer, Mitarbeiterin der Stadt und Angehörige des AK Asyl. In diesem Protokoll ist festgehalten, wie der Landkreis-Mitarbeiter die Flüchtlinge über ihre Rechte aufgeklärt hat.

Linder: "Ich habe dieses Protokoll gelesen. Ein Teil der Informationen, die der Landkreis-Mitarbeiter verkündete, waren falsch." Laut Protokoll habe der Bedienstete vor den Flüchtlingen gesagt, dass jederzeit die Polizei kommen könne, um sie abzuschieben. Ferner habe der Landkreis-Mitarbeiter gesagt, dass das Asylverfahren fortgesetzt werden könnte, wenn die Menschen schon zurück im Heimatland sind. Linder: "Solche nicht korrekten Informationen sind fatal, weil die meisten doch keine Ahnung vom Asylrecht haben."

Deshalb sei Linder selbst nach Talheim gefahren, um die Flüchtlinge über ihre wahren Rechte aufzuklären.

Doch was steht wirklich im Protokoll? Linder: "Ich habe es gelesen, aber keine Kopie gemacht." Die Verfasserin Gisela Höpfer: "Ich darf nichts sagen – Dienstanweisung von Bürgermeister Zeitler." Bürgermeister Jan Zeitler: "Mir liegt das Protokoll vor. Ich kann es der Presse nicht zur Verfügung stellen, da hier ein Sachverhalt beschrieben wird, der in die Zuständigkeit des Landratsamts Freudenstadt als Betreiber des Ausweichquartiers in Talheim fällt."

Landrat Klaus Michael Rückert nimmt im Gespräch mit unserer Zeitung Stellung zum Gespräch mit dem Asylkreis. "Ich kann die vermeintlichen Aussagen unseres Mitarbeiters in der Beratung nicht bestätigen, denn wir waren nicht dabei. Aber falls diese Äußerungen so getätigt wurden, dann bedauere ich sie." Selbstverständlich suche man das Gespräch mit dem Mitarbeiter und werde ihn "sensibilisieren".

Verwunderlich ist: Bei dem Mann, dem diese falsche Beratungen vorgeworfen werden, handelt es sich nicht um einen Anfänger, sondern um einen erfahrenen Mitarbeiter.

Landrat Rückert betont aber, dass es keinen Zusammenhang zwischen den vermeintlichen Äußerungen des Mitarbeiters und dem Vorfall mit den Patinnen gebe. "Wenn sich die Asylbewerber über die Patinnen beschweren, müssen wir dem nachgehen. Und wenn sie sich über einen unserer Mitarbeiter beschweren natürlich auch."

Die Rückkehr-Beratungen werden fortgeführt, so Rückert. "Natürlich so, wie es sein soll. Wir beraten nur. Ohne Druck auszuüben." Dies sei gängige Praxis. Man beteilige sich an einem landesweiten Programm, dass diese Beratungen vorsieht.

Eines scheint aber klar: Die Situation nagt am Nervenkostüm aller Beteiligten: Flüchtlinge, Helfer und Sozialarbeiter. Denn es geht nicht voran. Bisher habe noch keiner der Flüchtlinge einen Antrag stellen können.

Das liege aber nicht am Landkreis, so Klaus Michael Rückert. In der Zentrale in Karlsruhe geht es nur mühsam voran. Die Zahl der Flüchtlinge ist hoch. Das sorgt auch für Frust bei den zuständigen Mitarbeitern vor Ort, die wohl den Druck von mehreren Seiten abbekommen und sich im Stich gelassen fühlen, so ist zu hören.