Der Protest der Anlieger gegen die Kostenbeteiligung am Ausbau der Panoramastraße geht weiter. Foto: Lück

Anwohner beantragen beim Regierungspräsidium ein "aufsichtsrechtliches Kontrollverfahren".

Horb - Das könnte böse ausgehen, wie wir aus der Geschichten des altengerechten Wohnens in der Mühlener Straße wissen: Der Baustopp durch das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte das Waldner-Areal mindestens um ein Jahr zurückgeworfen. Jetzt wollen Anwohner dasselbe in der Panoramastraße erreichen.

Montagmorgen, 9 Uhr in der Ritterpost. Ein Sprecher der Interessengemeinschaft "Panoramastraße Pilgerweg" füllt gerade das Einschreiben-Formular aus. Letzte Formalie, ehe der Brief an das "Referat 14, Regierungspräsidium Karlsruhe, 76247 Karlsruhe" in die Post geht.

Der Inhalt des vierseitigen Schreibens ist brisant: Die IG stellt einen Antrag auf ein "aufsichtsrechtliches Kontrollverfahren über die Stadt Horb".

Die Vorwürfe werden wie folgt zusammengefasst:

Das Rathaus hat den Gemeinderat mit "Fehl- und Nichtinformationen" beeinflusst.

Im Brief heißt es: "Der Gemeinderatsbeschluss wurde von der Stadtverwaltung unter nachweisbarer Fehl- und Nichtinformation der Gemeinderatsmitglieder hinsichtlich elementarer Grundlagen der Erschließungssituation erwirkt."

Das Rathaus habe zehn bewiesene Planänderungen beim Ausbau der Panoramastraße verschwiegen.

Im Brief heißt es: "Bei der Klärung der Erschließungssituation und der Frage der erstmaligen, planmäßigen Erschließung wurden mindestens zehn konsekutive Planänderungen in ihrer planerischen und juristischen Auswirkung nicht berücksichtig."

Dem Rathaus könne eine Strafanzeige wegen "Urkundenunterdrückung" drohen.

Im Brief heißt es: "Die aus diesen Planänderungen resultierenden Pläne sind nach offiziellen Angaben der Stadt nicht mehr auffindbar. Es stellt sich daher die Frage einer strafrechtlich relevanten Urkundenunterdrückung."

Die Interessengemeinschaft hebt auf die zehn Gemeinderatsbeschlüsse ab, die Anwohner erst nach aufwendigen Recherchen im Stadtarchiv zur Panoramastraße nachweisen konnten.

Hat das Rathaus die Vorgeschichte totgeschwiegen?

Im Schreiben der IG Panoramastraße an das RP heißt es: "Diese Gemeinderatsbeschlüsse wurden von der Stadtverwaltung sowohl gegenüber den Bürgern wie auch den Stadträten vor kurzem totgeschwiegen."

Die Anwohner haben das Rathaus mit Mail vom 31. August auf diese Gemeinderatsbeschlüssen (zwischen 1933 und 1960, d. Red) an Bürgermeister Ralph Zimmermann das hingewiesen. "Erstmalig wurden diese Beschlüsse bei der Anwohnerversammlung am 16. September öffentlich gemacht. Überraschenderweise haben die Herren Zimmermann und Hellener öffentlich mitgeteilt, dass die Ausführungspläne nicht mehr auffindbar seien. Wenn aber in einer deutschen Stadtverwaltung des 20. und 21. Jahrhunderts gleich zehn Ausführungspläne ein und desselben Projekts aus 27 Jahren spurlos verschwunden sind, kann dies kein Zufall sein!"

Hat ein Rathaus-Mitarbeiter die Pläne verschwinden lassen?

Die IG Panoramastraße: "Nachdem die Sanierung von Panoramastraße und Pilgerweg in Horb seit Jahren kontrovers diskutiert wird, bleibt die alleinig diskutable Frage, wann und wer es für günstig befunden hat, wenn diese Pläne nicht mehr das Licht der Welt erblicken."

Hat die Stadtspitze die Stadträte belogen?

In der Beschlussdrucksache zur Sanierung der Panoramastraße steht: "Die Panoramastraße wurde in den 1930er Jahren neu angelegt, entspricht aber nicht den planerischen Festsetzungen des Baulinienplans aus dem Jahr 1929. Die IG: "Entsprechende Nachfragen der Räte wurden öffentlich der Boden entzogen mit den gleichlautenden Antworten von Oberbürgermeister Peter Rosenberger und Bürgermeister Ralph Zimmermann: ›Es gab keinen Plan‹. Es stellt sich zwangsläufig die Frage einer arglistigen Täuschung des Entscheidungsgremiums!"

Wumms. Die Begründung, so die IG: Alle damals geltenden Gesetze und Vorschriften aus der damaligen Zeit legen fest, dass eine Ortsstraße nur dann ausgebaut werden darf, wenn es eine Maßgabe verbindlicher Pläne gibt. Damit sei – auch nach aktuellen Urteilen – die Behauptung des Rathauses, die Panoramastraße sei keine "endgültig planmäßig herstellte Straße" – hinfällig.

Die IG schreibt konkret: "Beiden Herren muss kraft ihres Amtes klar gewesen sein, dass (...) seit der Novelle der Bauordnung vom 28. Juli 1910 sowie dem Aufbaugesetz vom 18. August 1948 eine Ortsstraße im Rechtssinne, das heißt: eine zum Anbau bestimmte und dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur noch auf Grund und nach Maßgabe verbindlicher Pläne hergestellt werden durfte, eines Ortsbauplans oder eines nach Paragraf 7 des Aufbaugesetzes erlassenen Bebauungsplans."

Und die IG Panoramastraße legt noch einen nach: Das Rathaus sei jetzt in der Pflicht, seine Behauptungen zu beweisen.

Zwingt das Regierungspräsidium das Rathaus jetzt dazu, den Gemeinderatsbeschluss wieder aufzuheben?

Die Anwohner fordern das. Die Begründung: "Wegen Fehl- und Nichtinformationen des Rates." Sie verlangen ferner: Das Regierungspräsidium soll dem Rathaus sofort untersagen, das Erschließungsverfahren weiterzuverfolgen, bis die fehlenden Pläne vorgelegt werden und sachlich und juristisch ausgewertet werden können.

Diese Entscheidung, so betonen die Anwohner, ist sehr dringend: Weil das Rathaus offenbar jetzt die privatrechtlichen Vereinbarungen verschicken will. Wer von den Anwohnern unterschreibt, verpflichtet sich, der Stadtverwaltung seinen Anteil an den 90 Prozent Baukosten in Höhe von 2,8 Mio. Euro zu überweisen. Das startet bei 48 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche.

Was sagt das Regierungspräsidium?

Ein Sprecher: "Eine rechtliche Einschätzung des Sachverhalts ist uns vor Eingang des Schreibens nicht möglich, da dies eine Vorwegnahme der Sache darstellen würde."

Bekommt das Rathaus also wieder Ärger mit dem Regierungspräsidium? Damals gab es Streit im Städtebau- und Sanierungsausschuss um die riesigen Dimensionen des geplanten Baus. Thomas Bauer (inzwischen BiM-Gemeinderat) hatte das Regierungspräsidium gebeten, den geplanten Bau zu überprüfen. Das stellte fest: Die Befreiungen verstoßen gegen die Gestaltungssatzung der Stadt. Deshalb wurde die erteilte Baugenehmigung gestoppt.

Knapp ein Jahr später wurde dann eine neue Stadtgestaltungssatzung vom Gemeinderat beschlossen. Und damit passte der Plan wieder.

Wenn es diesmal beim Streit um die Panoramastraße ähnlich laufen sollte und die Umlegung von 90 Prozent der kalkulierten Baukosten auf die Anwohner gestoppt wird, können die Panoramasträßler auf einen Zeitgewinn hoffen.

Und der könnte dazu führen, dass dann schon die Änderung des "Kommunalen Abgabengesetzes" in Kraft getreten ist. Je nachdem, was der Landtag dann beschließt, könnten die geplanten Anwohner-Erschließungsgebühren hinfällig sein. Weil dann eine 20jährige Verjährungsfrist nach der letzten Fertigstellung der Straße gilt.

Und was sagt die IG Panormastraße zu den Argumenten von Bürgermeister Zimmermann, dass ein höherer Eigenanteil des Rathauses "unsolidarisch gegenüber dem Mieter im 14. Stock auf dem Hohenberg" wären?

Frank Fahrner, einer der Sprecher der IG Panoramastraße: "Nun ist es bereits das dritte Mal, dass die Stadtverwaltung über Aussagen in der Zeitung versucht, die Stimmung der Horber Bürger gegen uns aufzubringen. Dass nun auch der Bürgermeister dieses Tabu bricht, ist ein politisches Armutszeugnis. Spalten ist keine Lösung."