Rathaus will Blitz-Unterschrift-Ablöse. Neues Gesetz könnte das bald verbieten. Presse von Versammlung ausgeschlossen.
Horb - Will das Rathaus noch schnell die Bürger abkassieren, ehe es verboten ist? Vor der heutigen Anwohnerversammlung in der Hohenberghalle kocht die Wut hoch bei den Anwohnern der Panoramastraße. Sollen sie doch – obwohl 90 Prozent Durchgangsverkehr herrscht – 90 Prozent der Erschließungskosten tragen.
Frank Fahrner von der Interessengemeinschaft "Panoramastraße" sagt: "Wir von der IG sind an einem lösungsorientierten Dialog mit der Stadtverwaltung interessiert." Gut, dass die Interessengemeinschaft heute so besonnen in die Hohenberghalle gehen wird.
Denn: Viele Anwohner sind emotional geladen. Nicht nur, weil die vom Rathaus versprochene Bürgerbeteiligung darin endete, dass nach der letzten Info-Veranstaltung Anfang März Mails mit Nachfragen der Anwohner nicht beantwortet wurden wie versprochen.
Sie sind auch geladen, weil sie den Verdacht haben: Das Rathaus drückt deshalb bei der 2,8 Mio. Euro teuren Sanierung der Panoramastraße so aufs Tempo, weil sie die Bürger schnell noch abkassieren will, ehe es verboten wird.
Was steckt dahinter?
Fakt ist: Auf dem Beteiligungsportal der Landesregierung (Absetzgelände-Gegnern in Haigerloch und Umgebung wohl bekannt) ist die erste Phase der Online-Kommentierung zur "Änderung des Kommunalabgabegesetzes und der Gemeindeordnung" seit 21. Februar 2020 abgeschlossen. Und diese Änderungen können bald in Kraft treten.
Carsten Dehner, Sprecher des Innenministeriums Baden-Württemberg: "Das Anhörungsverfahren zum Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und der Gemeindeordnung ist abgeschlossen. Der Gesetzentwurf wurde von den angehörten Verbänden grundsätzlich begrüßt.
Der Gesetzentwurf soll nun zeitnah vom Ministerrat beraten werden, mit dem Ziel, den Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen. Dann liegt das weitere Verfahren in den Händen des Landtags – Gesetze werden vom Landtag beschlossen."
Der auch für die Panoramastraße brisante Inhalt steht auf Seite 15 des Papieres: "Einführung einer zeitlichen Obergrenze von 20 Jahren für die Festsetzung von Erschließungs- und Anschlussbeiträgen in Hinblick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 –1 BvR 2457/08 – (§ 20 Absatz 5-neu-)..."
Das Bundesverfassungsgericht hatte damals in seiner Urteilsbegründung für eine Verjährungsfrist – nach der solche Beiträge nicht mehr erhoben werden dürfen – geschrieben: "Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar."
In Baden-Württemberg soll diese Frist zur Erhebung von Anwohnergebühren für die Erschließung 20 Jahre sein. Dagegen haben auch die beteiligten Verbände (u.a. Kommunalvereinigungen) keinen Einspruch eingelegt.
Innenministeriums-Sprecher Dehner: "Der Gesetzentwurf wurde von den angehörten Verbänden grundsätzlich begrüßt. Die Dauer der Ausschlussfrist von 20 Jahren für die Festsetzung von Beiträgen wurde nicht infrage gestellt."
Und das erklärt auch aus Sicht der Anwohner der Panoramastraße, warum das Rathaus trotz Hoffnungs-Signalen wie "Kai aus der Kiste" im Juli klammheimlich im nicht-öffentlichen Teil des VTA und im Gemeinderat die Erschließungsgebühren plötzlich auf die Tagesordnung hebt und beschließen lässt.
OB Peter Rosenberger hatte dieser Zeit Ende März in der Corona-Krise folgendes gesagt: "Auf Nachfrage kann sich OB Rosenberger beispielsweise vorstellen, dass sich die Frage stellt, wie man mit der Sanierung der Panoramastraße umgeht. Um die Anwohner nicht unnötig in einer Finanzkrise zu belasten."
Plötzlich dann im Juli der Schock für die Bürger der Panoramastraße: Zur versprochenen Anwohner-Info-Versammlung mit der Nennung der Kosten und der Ablösebeiträge vor den Beschlüssen der Gremien wurde seitens der Stadt nicht eingeladen.
Warum hat es das Rathaus auf einmal so eilig?
Frank Fahrner, ein Sprecher der IG Panoramastraße: "Das Rathaus muss sich beeilen, von uns noch die Ablösegebühren zu erheben. Wir rechnen damit, dass das Gesetz mit der 20-Jahres-Frist im nächsten Jahr verabschiedet wird."
Fakt ist: Auf der heutigen Info-Versammlung stellt das Rathaus die konkreten Ablösegebühren vor (ab 48 Euro pro Quadratmeter Grundstück). Die Anwohner haben dann vier Wochen Zeit, den Vertrag mit dem Rathaus zu unterschreiben, der sie zur Vorabzahlung der Summe verpflichtet.
Wenn das neue Gesetz erst einmal beschlossen wird, ginge das nicht mehr, so die Argumente der Interessengemeinschaft Panoramastraße.
Nach ihren Recherchen hatte es zuletzt 1960 einen Gemeinderatsbeschluss zu Bauarbeiten in der Panoramastraße gegeben. Damals ging es um die Wasserversorgung.
Das ist jetzt 60 Jahre her. 1989 beschäftigte sich der Gemeinderat Mal mit der Sanierung der Panoramastraße. Unsere Zeitung berichtet am 26. Mai 1989 unter dem Titel "Jetzt Kostenbremse bei der Panoramastraße" mit Blumenkübeln und anderen Maßnahmen versucht werden soll, den Verkehr zu beruhigen. Kostet nur 62.000 Euro.
Die große Lösung für 2 Millionen Mark mit einem Ausbau und Sanierung und mit einer Anwohnerbeteiligung von 90 Prozent wie heute wurde mehrheitlich abgelehnt. Der Grund: Das Rathaus könne sich den Eigenanteil – der damals auf eine halbe Millionen Mark geschätzt wurde – nicht leisten.
Das ist jetzt 31 Jahre her.
Was sagt das Rathaus dazu? Stadtsprecherin Inge Weber: "Es besteht definitiv kein Zusammenhang zwischen dem geplanten Ausbau der Panoramastraße und spekulativen Gesetzesänderungen."
Das hört sich ja nicht sehr überzeugend an. Vielleicht auch der Grund, warum das Rathaus die Presse bei der Anwohnerversammlung nicht dabei haben will. Stadtsprecherin Weber: "Die Anliegerversammlung ist nichtöffentlich, Vertreterinnen und Vertreter der Presse sind deshalb davon ausgeschlossen."