Verkehrslärm macht krank – und deshalb soll die Stadt einen Lärmaktionsplan aufstellen. Das war nun Thema im Gemeinderat. Foto: Hezel

Wie bekommt man in Schramberg Straßenlärm leise? Möglichst mit Tempo 30. Um das voranzubringen war nun die qualifizierte Lärmaktionsplanung Thema im Gemeinderat.

Peter Koehler, dessen Karlsruher Büro den Plan für die Stadt erarbeitet, stellte die Eckdaten im Ausschuss für Umwelt und Technik vor, auch in den Ortschaftsräten wurde das Thema vorberaten. Den Ursprung in einer EG-Richtlinie, erfordere der Kampf gegen den krankmachenden Lärm eine „einheitliche und flächendeckende Erfassung und das Aufstellen von Maßnahmen zur Minderung der Immission“. Das erfolge durch die Kommunen anhand der Lärmaktionspläne.

Alle Straßen durch Büro selbst kartiert

In Schramberg (ohne Bahnlinie oder Flughafen) sind dafür die Straßen im Fokus. Zwar überschreitet nur die B 462 den Wert von 8200 Fahrzeugen pro Tag, der eine Betrachtung erfordert. Auch in den neuen Lärmkarten der Landesanstalt für Umwelt seien nur die B 462 und ein Teil der L 175 aufgeführt. Ziel sei es aber, alle Straßen mit hoher Belastung zu untersuchen, bekräftigte Koehler. Nach einer umfangreichen Verkehrszählung Ende 2022 liege dafür nun ein „umfassendes Netz der Verkehrsbelastung aller klassifizierten Straßen in Schramberg“ vor.

Verschiedene Werte zählen

Die ermittelte Einheit sei der Schalldruckpegel in dB(A). „Der Pegel wird berechnet, nicht gemessen“, sagte Koehler. Flächendeckend zu messen sei nicht stemmbar, zudem könne man so per Melderegister die pro Gebäude betroffenen Personen erheben. Er erläuterte, wie die so Werte zur Betroffenheit der Anlieger ermittelt werden – dies zudem für Tag und Nacht, denn da gelten jeweils verschiedene Schwellwerte.

Es gibt Kann- und Muss-Maßnahmen

Einerseits stehen dann verkehrsrechtliche Maßnahmen (wegen der leichten Umsetzbarkeit werde Tempo 30 angestrebt) zur Verfügung, andererseits bauliche Sanierungsmaßnahmen (Lärmschutzwälle, Flüsterasphalt, Schallschutzfenster; hier besteht jedoch kein Rechtsanspruch, sie müssten freiwillig vom Baulastträger umgesetzt werden). Letztlich gebe es Abschnitte, wo Maßnahmen abgewogen werden können (65 dBA tags, 55 dBA nachts), wo welche verpflichtend sind (67 dBA / 57 dBA) und wo die Lärmbelästigung zwingend beseitigt werden muss (70 dBA / 60 dBA).

Zwingend Tempo 30 an B 462 in der Talstadt

Zwingend und teils sofort umzusetzen ist Tempo 30 an der B 462 in der Talstadt, begann Koehler mit den Maßnahmenbereichen. Ebenfalls zwingend und ganztags müsse Tempo 30 an vier weiteren Orten umgesetzt werden: In der Talstadt an der L 175 (Schillerstraße, Oberndorfer Straße; Geißhalden- und Berneckstraße) und der L 108 (Lauterbacher Straße, Weihergasse) sowie der K 5531 (Heiligenbronner, Sulgauer, Hardt- und Schramberger Straße) in Sulgen.

Tennenbronner wollen’s nachts begrenzt

Zumindest nachts zwingend Tempo 30 muss an der L 419 in Waldmössingen (Heimbach- und Vorstadtstraße) sowie der L 422 (Winzelner Straße) umgesetzt werden. Zu erwägen ist diese Maßnahme nachts in der L 419 in Heiligenbronn (Waldmössinger Straße) und in der Hauptstraße (L 175) in Tennenbronn. Jener Ortschaftsrat hatte, erinnerte Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, die Umsetzung der Maßnahme empfohlen.

So geht es nun weiter

Nun stehe – wie bei Bebauungsplänen – die öffentliche Auslegung beziehungsweise Beteiligung Träger öffentlicher Belange bevor. Dabei werden beispielsweise die Anmerkungen des Verkehrsverbunds wegen der Buspläne abzuwägen sein. Dazuhin soll es am 5. Dezember eine Bürgerinfoveranstaltung geben. Einmal beschlossen muss der Plan alle fünf Jahre aktualisiert werden. Dass laut Koehler bei der Oberndorfer Straße aufgrund der hohen Belastung über Alternativen nachzudenken sei bestärke die Verwaltung darin, bei der Talumfahrung „dran zu bleiben“, ergänzte Eisenlohr.

Ab wann kommen Schilder?

Volker Liebermann (ÖDP) freute sich nach vielen Diskussionen über ein Werkzeug, um Tempo 30 verbindlich umsetzen zu können, auch Mirko Witkowski (SPD/Buntspecht) sah einen „Silberstreif am Horizont“ für die betroffene Bevölkerung. Das Schutzgut Gesundheit sei deutlich höher einzuschätzen als das zügige Fahren. Er wollte den Berechnungsvorgang genauer erläutert haben und fragte, wann mit den Maßnahmen zu rechnen sei beziehungsweise inwieweit das Tempo 30, wenn ausgeschildert, durchgesetzt wird.

Blitzer-Anhänger ab 2025?

Ziel sei, im ersten Halbjahr 2024 den Plan zu verabschieden, dann stünden die Schilder „sehr schnell“, sagten Koehler und Eisenlohr. Im Gemeinderat ging das Bärbel Pröbstle (SPD/Buntspecht) nicht schnell genug. „Die Gutachten und Zahlen liegen doch vor.“ Den Lärmaktionsplan brauche es als rechtliche Grundlage zwingend, weil die Stadt an der B 462 nicht Träger sei, entgegnete Stadtplaner Joschka Joos.

Zur Durchsetzung sagte Fachbereichsleiter Matthias Rehfuß, es seien Vollzugsdienst und Messwagen unterwegs, man werde zudem mit Vorschlägen für weitere stationäre Anlagen oder (ab 2025) einen Mess-Anhänger auf den Rat zukommen. Auf Nachfrage von Hilmar Bühler (Aktive Bürger), wie die Länge der einzelnen Maßnahmenabschnitte ermittelt wurde, sagte Koehler, dass Lücken bis zu 300 Metern geschlossen werden dürften, um ständige 30-50-Tempowechsel zu vermeiden.

Komplexe Berechnung

Zur komplexen Berechnung der Werte, so Koehler, würden für die Straßenabschnitte unter anderem die Anteile verschiedener Fahrzeugtypen (Schwerverkehr, Motorräder) einberechnet, die Distanz zur Straße und die Fläche der Hausfassade einbezogen oder der zu erwartende Zeitverlust betrachtet.

Einmal zählen, dann berechnen

Auch Jürgen Kaupp (CDU) konnte nicht nachvollziehen, wie das Rechenergebnis bei den punktuellen, kurzen Betrachtungen vor Ort repräsentativ sein kann. Grundlage sei die Zahl der Fahrzeuge, die das Büro pro Straße an einem Tag ermittelt habe, erläuterte Koehler. „Natürlich ist der Verkehr unter der Woche höher als samstags oder sonntags“ oder unterscheide sich je nach Jahreszeit. Um dies einzubeziehen, würde die Zahl (beispielsweise „gezählt an Straße X an einem Dienstagvormittag im Februar“) mit dem entsprechenden Faktor verrechnet. Das ergebe den Jahresmittelwert, der für den Plan verwendet werde. Auf Kaupps zweite Frage hin stellte Koehler klar, dass die Tempo-30-Maßnahmen erst mit dem endgültigen Beschluss des Plans bindend würden.

Viel Bürokratie und anderes Ergebnis

Im Gemeinderat ärgerte sich Clemens Maurer (CDU) über ein „falsches“ Ergebnis nach viel Bürokratie: Ursprünglich sei es in Schramberg um die B 462 gegangen. Dann habe man einen Plan in einfacher Form verabschiedet, was aber nicht ausreichte „und jetzt machen wir nicht die Maßnahme, die wir kommunal wollten. Sondern wir sagen: Wenn wir schon alles berechnet haben, machen wir halt überall verschiedene Maßnahmen. Ob wir das wollten oder nicht.“ Dem könne er nicht zustimmen. Fachbereichsleiter Rehfuß entgegnete, der Umfang sei der Betrachtung in Form eines qualifizierten Plans geschuldet, der seinerseits Pflicht sei.

Wie Maurer stimmten bei dem mehrheitlich gefassten Beschluss Jürgen Kaupp, Dominik Dieterle (CDU) und Jürgen Moosmann (Freie Liste) dagegen, Thomas Brantner (CDU) und Jürgen Reuter (Aktive Bürger enthielten sich.