Die geplante Cannabis-Legalisierung sorgt für Uneinigkeit. Kritiker verweisen auf die gesundheitlichen Risiken. Gleichzeitig wird von Befürwortern der medizinische Nutzen hervorgehoben. Welche Folgen ein Joint haben kann, wo Süchtige Hilfe finden und warum ADHS-Patienten zum Cannabis greifen.
Psychosen sind bei Cannabis gefürchtet und meist das erste, was die Suchtberater antworten, als unsere Redaktion nach den Risiken fragt. Psychosen gehen mit Wahnvorstellungen, Halluzinationen und Ängsten einher. Während einer Psychose können die Betroffenen den Bezug zur Realität verlieren und zum eigenen Ich. So könnte es zum Beispiel sein, dass jemand auf der Straße mit sich selbst streitet.
Simone Burgert, Leiterin der Suchtberatungsstelle Villingen-Schwenningen ergänzt zur Psychosengefahr: Andere psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Schizophrenie könnten – insbesondere wenn eine Veranlagung besteht – ausgelöst werden. Solche Erkrankungen seien einschneidend und bedürften auch längerfristiger Behandlung.
Wann genau und ob Probleme auftreten, sei nicht einschätzbar, erklärt der Leiter der Rottweiler Suchtberatung, Jörg Hügel: „Vielleicht reicht schon ein einziger Joint.“ Auch körperliche Reaktionen wie Zittern, Schwitzen, Unruhe und neurologische Schäden sind möglich, meint Burgert. Hügel verweist zudem darauf: Das Rauchen könne Lungenkrebs auslösen.
„Man merkt, wie die Betroffenen länger über Dinge nachdenken und wie sie langsamer sprechen“, berichtet Pia Vollmer, Suchtberaterin in Calw. Das „amotivative Symptom“ seien Patienten müde, antriebslos und passiv. Gedanken und Sprache verlangsamten sich.
Warum konsumieren Menschen Cannabis?
Cannabis eine schmerzlindernde und entspannende Wirkung, erklärt Hügel. Deshalb werde Cannabis in der Schmerzmedizin oder zur Entspannung von Spastiken genutzt. Gruppenzwang, euphorische Gefühle oder um Probleme zu vergessen, zählt Vollmer zusätzlich als Gründe auf.
Auch würden ADHS-Betroffene Symptome mit Cannabis zu behandeln versuchen. In den Suchtberatungsstellen in Villingen-Schwenningen, Calw und Rottweil gibt es Klienten, die so ihre Hyperaktivität senken. „Aber, Studien, die sich mit dem Zusammenhang beschäftigen, weisen auf die genau entgegengesetzte Wirkung hin“, schränkt der Chefarzt der Suchtklinik Calw-Hirsau, Markus Göttle, ein.
Wann wird der Konsum zur Sucht?
„Wenn ich merke, ich kann nicht mehr ohne“, erklärt Hügel . Zudem würden Toleranzen entwickelt, es brauche immer mehr Stoff, um eine Wirkung zu erzielen. Vollmer zählt einige Anzeichen auf: Sich zurückziehen, Glorifizierung der Droge und das „Craving“, also dass die Gedanken nur noch um die Droge kreisen. Oft würden auch Geldprobleme mit der Drogenbeschaffung einher gehen.
Was tun, wenn ein Freund oder Verwandter süchtig sein könnte?
Wer bemerkt, dass ein Freund oder Verwandter süchtig sein könnte, sollte das offen ansprechen – egal, um welche Sucht es sich handelt. Burgert betont: Wichtig sei, keine Vorwürfe zu machen. Es sollten Ich-Botschaften gesendet werden: „ICH mache mir Sorgen...“, „MIR ist aufgefallen“, gibt Burgert als Beispiele. Und Vollmer meint zusätzlich: Zeigen, dass es einem nicht egal ist, Interesse zeigen. Aber: Auch sich abgrenzen und selbst schützen. Auch sollte eine Sucht nicht unterstützt werden, etwa, indem man dem Betroffenen Geld gibt, wenn er spielsüchtig ist.
Vollmer und Gillmann betonen außerdem: Angehörige sollten sich keine Selbstvorwürfe machen. Gillmann ist es wichtig mitzuteilen: Sucht ist eine Krankheit. Und Eltern sind nicht daran schuld, wenn ihre Kinder süchtig werden.
Hilfe für Betroffene und Angehörige
Beratungsstellen
In den Suchtberatungsstellen Freudenstadt, Calw, Rottweil und Villingen-Schwenningen können Betroffene und Angehörige sich über Sucht und mögliche Hilfen informieren. Die Stellen unterstützen die Betroffenen bei der Suche nach Therapieplätzen oder stationären Kliniken und bieten auch selbst ambulante Therapien an.
Offene Sprechstunde
In Calw und Nagold gibt es drei offene Sprechstunden, die ohne Termin aufgesucht werden können. Dienstags von 16 bis 18 Uhr in Calw, von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr in Nagold und Donnerstags von 13 bis 15 Uhr in Calw. „Die Beratung ist unverbindlich und kann jederzeit abgesagt werden. Außerdem ist sie kostenlos und die Mitarbeiter stehen unter Schweigepflicht“, ergänzt Vollmer. Selbsthilfe für Angehörige
In der Elternselbsthilfegruppe Zollernalbkreis von Adalbert Gillmann geht es etwa darum, sich vom Geschehen abzugrenzen und selbst zu schützen, um nicht über Gebühr unter der Sucht des Kindes zu leiden und darüber selbst krank zu werden. Kommen dürfen übrigens auch Geschwister und Partner von Suchterkrankten.
Stationäre Behandlung
Im Entzug in der Klinik in Calw – namentlich der „TimeOut-Station“ – wird ein kalter Entzug gemacht, normalerweise würden die Patienten das gut aushalten, berichtet Göttle. Der Entzug könnte aber unruhig und reizbar machen – Ablenkung würde da gut helfen. Bei Bedarf werden aber Schmerzmittel, Beruhigungs- und Schlafmittel zur Verfügung gestellt. Auch wird in Einzel- und Gruppentherapien besprochen und geübt, wie sich die Patienten verführenden Situationen zukünftig entziehen können oder wo sie aufpassen müssen und der Sozialdienst hilft, wieder Fuß zu fassen.