Bauingenieur Emil Schraitle hinter seinem Schreibtisch mit einem Bauplan: Er klagt über viel zu viele Vorschriften, wenn es um neue Bauprojekte geht. Foto: Kauffmann

Bauherren müssen sich durch Bürkratie kämpfen. Gemeinde darf vieles nicht selbst entscheiden.

Bisingen-Wessingen - Vielerorts in Bisingen rollen derzeit die Bagger, sind Bauarbeiter am Werk, schaffen Lastwagen neues Material heran. Doch die Bauherren müssen sich durch die Bürokratie kämpfen. Der Wessinger Bauingenieur Emil Schraitle kennt die Tücken.

Die Kreisbau zieht acht neue Wohnungen in der Unteren Koppelhalde hoch, das Grundstück des ehemaligen Gasthauses Engel in Wessingen soll bebaut werden, daneben entsteht derzeit ein Mehrfamilienhaus, und der Gemeinderat hat kürzlich 18 neue Wohnbauplätze im Baugebiet Fronwiesen-Raubrühl ausgeschrieben – und das sind nicht alle Baustellen in Bisingen.

Von außen sehen Autofahrer und Passanten jedoch nicht, wie viel Bürokratie dahinter steckt. Zu viel Bürokratie, meint Emil Schraitle aus Wessingen. Mehr als 30 Jahre war er selbstständig und mit Planung und Realisierung von Bauprojekten befasst. Inzwischen ist er im Ruhestand und nimmt noch ausgewählte Aufträge an.

Doch es gibt ein Thema, bei dem er keine Ruhe geben will: überbordende Bauvorschriften. Und das müsse doch auch mal gesagt werden. "Da geht einem der Hut hoch", poltert er beim Vor-Ort-Termin in Wessingen. "Man muss nicht aus jedem kleinen Punkt, den man beim Bauen berücksichtigen muss, eine Vorschrift machen." Bestes Beispiel für den Vorschriften-Wahnsinn: Flachdächer. "In der Schweiz muss ein Flachdach nur dicht sein und darf nicht zusammenbrechen", hebt er an, holt kurz Luft, beugt sich über den Schreibtisch und klagt an: "Bei uns gibt es dafür 50 bis 60 Vorschriften. Man wird nur schikaniert."

Und das in einer Zeit, in der auch in Bisingen der Wohnraum knapp ist. Schon jetzt liegen für die Wohnungen der Kreisbau Bewerbungen vor, obwohl gerade erst die Baugrube ausgehoben wurde. Ebenso sind auch Wohnbauplätze stark nachgefragt: Von mindestens zwei bis drei Anfragen pro Woche hat die Verwaltung in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats berichtet.

Schraitle: "Das Bauen soll schneller gehen", heiße es doch immer. Das Gegenteil ist der Fall: "Es dauert viel, viel länger." Wer ein Baugesuch für ein Haus abgebe, müsse mit einem halben Jahr Bearbeitungszeit für die Genehmigung rechnen. Was ist in seinen Augen der Grund dafür? Nicht nur ausufernde Bauvorschriften. Die Mitarbeiter der Baubehörde im Landratsamt würden die Leute vor lauter Hängemappen nicht mehr sehen – so viele Anfragen häuften sich dort. Schraitle: "Die Behörden haben zu wenig Personal. Das kann ja nicht sein."

Gemeinde Bisingen darf vieles nicht selbst entscheiden

Die unglückliche Mischung aus Personalmangel und ausufernden Vorschriften lassen Bauvorhaben teils zur Geduldsprobe werden. "Wer ein Mehrfamilienhaus mit mindestens drei Wohnungen baut, muss eine Wohnung davon behindertengerecht ausbauen und einen Platz für den Wäschetrockner einrichten." Je nach Größe müsse eigens sogar ein Spielplatz hergerichtet werden. "Das hält alles auf", echauffiert sich der Ingenieur. Davon abgesehen, müssten Antragsunterlagen teils sechs- oder sogar siebenfach abgegeben werden. Von den Brandschutzvorschriften, die in den vergangenen Jahren immer schärfer geworden sind, will er da gar nicht erst reden. Nur so viel: "Es werden immer mehr Paragrafen."

"Wenn man den Bau aufrecht erhalten und fehlende Wohnungen bauen will, darf man das nicht zum Beamtending machen", stellt Schraitle klar. Nötig seien vielmehr "brauchbare und realitätsnahe" Vorgaben. Und noch ein Manko macht er aus: "Bisingen darf nicht alles selbst entscheiden." Entscheidungen würden oft nicht vor Ort getroffen, sondern in den fernen Amtsstuben des Landratsamts.

Über Lagepläne gebeugt, sitzt Schraitle am Schreibtisch, deutet mit einem Kugelschreibe auf eine schraffierte Fläche, erklärt, was dort entstehen soll – und echauffiert sich über die Planungszeit, die schon jetzt viel zu lange dauert.