Selbst Anwohner, deren Häuser schon vor "Valet & Ort" an der Konrad-Adenauer-Straße in Truchtelfingen standen, müssen sich immer wieder anhören: "Zieht doch einfach weg!"; das Foto stammt von 2015. Foto: Kistner

Größer als die Anwohner erwartet hatten war das Interesse an einem Informationsabend – auch über das, was sie seit Jahrzehnten als Nachbarn des Betonmischwerks "Valet & Ott" erleben.

Albstadt-Truchtelfingen - Nach dem Ende des "1000-jährigen Reiches" und der DDR, in denen Menschen ihre Nachbarn bespitzelt hatten, seien solche Praktiken verboten worden. Das ist einer der Sätze, die Anwohner des Betonmischwerks "Valet & Ott" sich schon anhören mussten, in diesem Fall von einem Rechtsanwalt der Firma bei einem Gerichtstermin des Verwaltungsgerichts Sigmaringen 2015.

Der Grund: Das Landratsamt des Zollernalbkreises hatte die Anwohner aufgefordert, die Lärm- und Staub-Belästigungen zu dokumentieren, unter denen sie teils seit Jahrzehnten leiden.

Die Behörde steht in der Verantwortung

Bemerkenswert dabei: Das Landratsamt überträgt den Anwohnern damit quasi die Beweispflicht für Verstöße des Unternehmens gegen die Auflagen, die aus einem Gutachten von 2009 resultieren – und die erst mit dem Gerichtsurteil sechs Jahre später rechtskräftig wurden. Und das, obwohl es eigentlich die Behörde selbst ist, der es obliegt, dafür zu sorgen, dass die rechtskräftigen Auflagen eingehalten werden.

Von 70 Beschwerden der Anwohner seit dem Jahr 2010 berichtet das Landratsamt auf Anfrage – und die Anwohner davon, was ihnen die Meldungen einbringen: meist nichts. Nicht selten heiße es, es stehe kein Personal zur Verfügung, um von Balingen nach Truchtelfingen zu fahren und einen gemeldeten Verstoß zu überprüfen. Zuweilen werde als Grund auch das Fehlen eines Dienstfahrzeuges genannt, so die Anwohner.

"Massive Verstöße konnten bei Ortsterminen nicht festgestellt werden", teilt das Landratsamt auf Anfrage des Schwarzwälder Boten mit, schreibt aber auch: "Das schließt angekündigte Termine ein."

Ein Gespräch vor Ort lehnt das Landratsamt ab – mit wechselnder Begründung

Zu einem Gespräch mit unserer Redaktion über den aktuellen Stand der Dinge ist das Landratsamt nicht bereit. Laut Pressesprecherin Marisa Hahn sei die Behörde nur bereit, Anfragen schriftlich zu beantworten, da es sich um "ein sehr komplexes Thema" handele. Vor einigen Jahren freilich hatte ein solches Pressegespräch stattgefunden, und zwar mit Rebeka Helmke, der damaligen Leiterin des Kreisbauamtes. In den ersten Monaten der Coronavirus-Pandemie war ein Vor-Ort-Gespräch aus Gründen des Gesundheitsschutzes abgelehnt worden – nun wegen der Komplexität des Themas.

Schriftliche Antworten gehen teilweise am Thema vorbei

Schriftliche Anfragen werden freilich nicht selten erst nach mehreren Tagen beantwortet – und in einigen Fällen am Thema vorbei. Ein Beispiel ist die Frage: "Wie oft wurde das Verwenden der Schaufel zu diesem Zweck (zum Zusammenkehren von Zuschlagstoffen; Anm. d. Redaktion) angezeigt?" Antwort der Behörde: "Die Verwendung der Radladerschaufel ist seitens des Unternehmens nicht anzeige- oder genehmigungsbedürftig." Gemeint war freilich eine Anzeige durch die Anwohner – Anzeigen von der Art, wie sie ihnen 2015 als Spitzeldienste ausgelegt worden waren.

Der Erste Landesbeamte wartet die Frage gar nicht ab

Mit einem forschen "Stellen Sie eine Anfrage an die Pressestelle" hat der Erste Landesbeamte Matthias Frankenberg auf einen Anruf unserer Redaktion reagiert – noch ehe er den Grund für den Anruf erfuhr. Den Hinweis, dass es deutlich einfacher sei, in einem persönlichen Gespräch Rückfragen zu stellen, als erneut auf eine schriftliche Antwort zu warten, die ohnehin oft unkonkret und zuweilen voller Amtsdeutsch-Floskeln sei, ließ Frankenberg nicht gelten. Warum?

Leidtragende sind am Ende die Anwohner, die nicht selten zu hören bekommen, sie könnten ja auch einfach wegziehen – obwohl viele der Häuser am Hang gegenüber vor "Valet & Ott" da waren, die Bewohner sie teils geerbt haben und schon ihr Leben lang dort wohnen.

Radlader-Fahrer antwortet durch konkludentes Handeln

Dass sie nichts Besseres zu tun hätten, als tagaus, tagein am Fenster zu hängen, um zu lauschen und zu gaffen, ob "Valet & Ott" gegen Auflagen verstoße – auch solche Vorwürfe seien schon gefallen, berichten Anwohner. Und weisen dann gerne darauf hin, dass das, was aus dem Mischturm entweicht, weiter ziehe als bis zu den Nachbarhäusern – und alle Albstädter im Talgang betreffe. Nämliches gelte für die mutmaßliche Entnahme von Grund-, Hang- oder Sickerwasser.

Zurück zu den Anwohnern: Eine Nachbarin hatte im Gerichtsverfahren 2015 berichtet, dass ein Radladerfahrer ihre Bitte um Rücksichtnahme damit quittiert habe, dass er vor ihr seine Hose heruntergelassen und in die Schaufel uriniert habe.

In der Polizeistation – nur einen Steinwurf vom Betonmischwerk entfernt – habe eine Polizistin sie angefahren, dass sie noch etwas Anderes zu tun habe, als Anzeigen in Sachen "Valet & Ott" aufzunehmen, so eine Nachbarin. An die Polizei freilich sind die Anwohner schon vom Landratsamt verwiesen worden.

Dessen Chef, so berichten Anwohner, habe sie zu einem Gespräch schon mit den Worten empfangen: "Da kommt der Fanclub vom Valet!"