Aus dem Jungen ist ein Mann geworden – und ein Violinist mit einer vielversprechenden Zukunft: Simon Zhu kehrt für ein Konzert am Freitagabend im Lautlinger Schloss in seine alte Heimat zurück – inzwischen hochdekoriert.
Albstadt-Lautlingen - Er ist erst 21 Jahre alt und hat doch schon einen Lebenslauf vorzuweisen, der prall gespickt ist mit ersten Preisen bei nationalen und internationalen Wettbewerben: Mit sechs Jahren hatte Simon Zhu, der in Burladingen aufgewachsen ist, zur Geige gegriffen, weil ihn das Instrument im Zeichentrickfilm "Little Amadeus" so faszinierte. "Seither habe ich nie in Frage gestellt, dass Violinist werden will", sagt er und schmunzelt.
Auf der Terrasse von Renate Musat, seiner einstigen Lehrerin an der Musik- und Kunstschule Albstadt, erzählt Simon Zhu gut gelaunt, was er erlebt hat, seit er im Alter von zwölf Jahren mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Berlin gezogen ist. Schon damals drei Jahre Jungstudent in Freiburg, besuchte er in der Bundeshauptstadt das Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach, war Jungstudent an der Universität der Künste Berlin und zwei Jahre lang auch am Mozarteum in Salzburg, musste schon damals viel fliegen an Wochenenden und ist immer noch genervt vom Kofferpacken. "Aber schließlich ist es das, was ich auch beruflich machen will: reisen und an vielen Orten Konzerte geben."
Ai Weiwei kommt zum Essen
Gut, dass das Restaurant "Shan-Shan" seiner Eltern in Berlin, die ihr Burladinger Lokal für die Ausbildung ihres Sohnes vor neun Jahren aufgegeben hatten, so gut läuft. Sehr groß sei es nicht, berichtet Simon. "Aber es kommen viele Gäste, auch von der chinesischen Botschaft." Sogar weltberühmte Künstler wie Ai Weiwei sind dort zu Gast, und immerhin hat sein Vater, der in China einst in einem Fünf-Sterne-Hotel gearbeitet hatte, Simon die Liebe zu gutem Essen vererbt.
Seine Professorin nimmt nicht jeden
In seinem Studentenwohnheim in München und mit Freunden in der Stadt testet der 21-Jährige "abenteuerlustig" die kulinarischen Besonderheiten aller Herren Länder. In der bayerischen Hauptstadt studiert Simon Zhu inzwischen bei Professorin Ana Chumachenco an der Hochschule für Musik und Theater, einer "echten Koryphäe und Berühmtheit", wie Renate Musat bemerkt. "Sie nimmt nur wenige Studenten und nur solche, von denen sie weiß, dass die Chemie stimmt."
Auf Simon Zhu aufmerksam geworden ist sie bei Meisterkursen, wie er sie freilich auch bei anderen bekannten Lehrern absolviert hat. Erste Preise heimst er regelmäßig bei internationalen Wettbewerben ein, ist bei Festivals zu Gast und konzertiert seit seinem Debüt in der Berliner Philharmonie in ganz Europa und natürlich in China.
Eine Stradivari für acht Millionen
Dass er 2019 den ersten Preis beim Zhuhai Mozartwettbewerb im Reich der Mitte mit einer acht Millionen Euro teuren Stradivari holen konnte, verdankt Simon Zhu dem Geigenbauer und Händler Florian Leonhard, der beim 17. internationalen Violinwettbewerb im Kloster Schöntal in der Jury saß: Er lud ihn ein, in seiner Musikhandlung "Florian Leonhard Fine Violins" in London auszuwählen, welches Instrument er spielen möchte – darunter zwei Stradivaris. "Man passt schon auf, aber man gewöhnt sich daran", berichtet er lachend über die Königin der Violinen. "Wer sie vorsichtiger spielen würde als andere Geigen, sollte sie aber erst gar nicht in die Hand nehmen." Wenngleich der junge Künstler sehr wohl Respekt hat davor, "durch wie viele Hände ein solches Instrument in über 300 Jahren gegangen ist". Doch letztlich mache sie vielleicht zehn Prozent des Ergebnisses aus. Renate Musat bestätigt das: Gute Violinisten könnten auch auf jüngeren, weit preisgünstigeren Instrumenten gut spielen – schlechte auch aus der Stradivari nichts rausholen.
Die Eltern haben weise vorgesorgt
Inzwischen spielt Simon Zhu auf einer Montagnana, hat sein erstes selbst verdientes Geld in einen französischen Bogen investiert, der klanglich auch viel ausmache. Die Preisgelder aus den Wettbewerben und Einkünfte aus Konzerten haben seine Eltern angelegt – "im Studium ist das jetzt echt wertvoll!", sagt er. BAföG erhält er nicht, aber immer mal wieder ein Stipendium, und er verdient inzwischen auch an Konzerten.
Nur Legenden haben wirklich die Wahl
Im Stauffenbergschloss Lautlingen wird Simon Zhu am Freitag, 22. Juli, ab 18 Uhr mit dem Pianisten Tatsuya Ohira, Klavierbegleiter an der Musikhochschule Stuttgart, der wegen der Erkrankung von Izabela Melkonyan kurzfristig eingesprungen ist, Werke von Johannes Brahms, Antonin Dvorak, Henryk Wieniawski und von Ludwig van Beethoven, seinem Lieblingskomponisten, spielen. Sein Repertoire freilich reicht vom Barock bis zur Moderne: "Als junger Künstler, der versucht, sich zu etablieren, hat man nicht den Luxus, auswählen zu können – das können sich nur die Legenden leisten", sagt er lachend.
"Der Oscar für mein Lebenswerk"
Wie seine Karriere weitergehen wird, sei auch ein wenig Glückssache, sagt Renate Musat – schließlich gebe es viele gute Geiger. Sie selbst hat einige unterrichtet, Patrizia Bieber etwa und Eva Unterweger. "Aber Simon ist der Oscar für mein Lebenswerk", betont die pensionierte Lehrerin, die sich als Mitbegründerin des Vereins "Spitzenklänge – Begabtenförderung im Zollernalbkreis" engagiert. Neben Talent verfüge er nämlich auch über viel Disziplin – zwischen drei und acht Stunden am Tag übt Simon – und über Widerstandsfähigkeit: "Schlafen kann ich im Auto, im Zug und im Flugzeug."
Basketball war zu gefährlich für die flinken Finger
Auch der physischen Herausforderung ist Simon Zhu gewachsen, wenngleich das Geigespielen eine an sich unnatürliche Haltung verlange. Immerhin: Um Verletzungsgefahren zu meiden, fährt Simon nicht Fahrrad und hat auch das Basketballspielen aufgegeben. Tischtennis ist jetzt sein Sport – eine Domäne des Heimatlands seiner Eltern.
Diese Wurzeln haben Simon Zhu einen weiteren Vorteil eingebracht: Neben Deutsch und Englisch spricht er fließend Chinesisch "mit leichtem deutschen Akzent", schaut Fernsehserien am liebsten in Originalsprache mit Untertitel – sogar japanische – und liest ansonsten viel: Sachbücher, Romane, Biografien – und früher auch Harry Potter. Dass ihr Schüler hochbegabt ist, hat Renate Musat schon früh gemerkt. Wenngleich er sich in Understatement übt: "Im Abi hab’ ich einen Schnitt von 1,7."
Wo Instrumente eine Seele haben
Die beiden verbindet längst eine herzliche Freundschaft. In ihrer Kritik bleibt Renate Musat "nicht liebevoll", sagt sie lachend. "Das trenne ich von meiner persönlichen Beziehung zu ihm." Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr ist Simon Zhu zu Gast in Truchtelfingen und freut sich darauf, seine erste Mentorin dabei zu haben beim Konzert im Stauffenbergschloss, wo die Akustik vom Feinsten ist und herrliche alte Instrumente "mit einer Seele" über dem Konzertsaal ausgestellt sind. Nicht ganz so berühmte wie im Museum des Violinenbauer-Mekkas Cremona, in dem ein eigens Angestellter täglich alle Geigen für ein paar Minuten spielt, weil sie unbenutzt an Qualität verlören.
Wie die Qualität des Spiels von Simon Zhu gewachsen ist, können Musikfreunde am Freitagabend erleben – bei freiem Eintritt, aber gerne gegen eine Spende für den Verein "Spitzenklänge".