Rund 700 Besucher sind es am Sonntagabend beim großen Bürgerempfang in der Stadthalle Rottweil. Foto: Ralf Graner Photodesign

Das Rednerpult in der Stadthalle ist Christian Ruf vertraut – eine bedeutsame Premiere war es am Sonntagabend dennoch: Beim Bürgerempfang sprach er erstmals als neuer Oberbürgermeister zu den Rottweilern. Deren Stärke, den Gemeinsinn, hob er besonders hervor.

Rottweil - Der Rahmen ist feierlich, die Gästeliste lang und im Mittelpunkt stehen jene, die eine Stadt lebendig und wertvoll machen: die Bürger. Zahlreich versammeln sie sich am Sonntag in der Stadthalle, um drei besonders verdiente Rottweiler zu ehren, aber auch um zu hören, wie der neue OB die Richtung für die kommenden Monate und Jahre vorgibt. Das Interesse ist groß – weitere Stühle müssen aufgestellt werden. Rund 700 Besucher sind es schließlich.

Schwung und Dynamik nutzen

Rufs Amtsvorgänger sind ebenso gekommen wie zahlreiche Gäste aus Bundes-, Landes-, Kreis- und Kommunalpolitik, aus Wirtschaft, Kultur und Sport sowie aus den Schulen. Nach der klangvollen Eröffnung durch die Stadtkapelle betont Ruf, dass ihm genau das wichtig sei: der direkte Austausch bei Veranstaltungen, das Miteinander. Dies habe schon im Wahlkampf viel Kreativität freigesetzt. "Ich möchte diesen Schwung und diese Dynamik nutzen, um unsere Stadt weiter voranzubringen."

Dabei macht Ruf keinen Hehl daraus, dass es nach 46 Tagen im Amt doch noch etwas ungewohnt für ihn ist. Nicht die Arbeit als solche, aber eben das OB-Sein. Viele Gemeinderatssitzungen habe er auch vorher schon geleitet. "Aber es fühlt sich doch irgendwie anders an", sagt Ruf. Nicht zuletzt weil er daran denken müsse, bei Abstimmungen jetzt die Hand zu heben.

Verwaltung wird neu zugeschnitten

Abzustimmen, zu entscheiden, gibt es vieles in Rottweil. Große Weichenstellungen stehen bevor. Dazu gehört auch die Neubesetzung der nun vakanten Stelle des Bürgermeisters. Ruf gibt beim Bürgerempfang erstmals bekannt, wie er sich den neuen Verwaltungszuschnitt vorstellt: Er wird die Haupt- und Finanzverwaltung verantworten, will die Wirtschaftsförderung als Stabstelle bei sich ansiedeln und die Stelle des Wirtschaftsförderers umgehend neu ausschreiben. Neben dem Personal und den Finanzen wird er zudem den Fachbereich für Kultur, Jugend und Sport übernehmen. Er will außerdem dem Gemeinderat vorschlagen, das Stadtmarketing und den Tourismus dort als eigene Abteilung anzusiedeln.

Fazit daraus: Rottweil sucht einen Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin für die Bereiche Bürgeramt, Ordnungs- und Schulverwaltung, Bauen und Stadtentwicklung sowie Hochbau und Gebäudemanagement. Ein "Dialog auf Augenhöhe" mit seinem Nachfolger sei wichtig und zielführend. Allerdings: Bis es soweit ist, wird es wohl Mitte des Jahres werden, so Ruf.

Mit Jacke am Schreibtisch

Abgesehen davon, dass das Alte Rathaus noch schlechter isoliert zu sein scheint als das Neue Rathaus, wie der OB scherzt, sei er bislang von Überraschungen im neuen Amt verschont geblieben – außer, dass er nun eben manchmal mit Jacke am Schreibtisch sitze. Der Hintergrund, so betont er, ist freilich ernst. Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen mit Energiekrise und Inflation treffe alle Bürger. "Wir werden weiterhin mit Einschränkungen leben müssen", erklärt er und nennt unter anderem die niedrigere Wassertemperatur im Aquasol.

Kinderbetreuung elementar

Die Kommune müsse noch gezielter Prioritäten setzen. Gleichzeitig sind da die enormen Pflichtaufgaben. Ruf nennt allen voran den Rechtsanspruch bei der Kinderbetreuung. Die Angebote seien elementar, man dürfe aber das Land hier nicht aus seiner Verantwortung entlassen. In Rottweil sei es in den vergangenen Jahren gelungen, bereits erheblich in den Bereich Schulen und Kindergärten zu investieren.

Doch es warten weitere Aufgaben: Die Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge sowie die Integration der Menschen werde die Stadt weiter herausfordern. Wie viele Rottweiler sich engagieren, mithelfen, "das erfüllt mich mit Stolz", so der OB, der allen Helfern ausdrücklich dankte.

Gerade diese Situation zeige aber auch, dass es uns immer noch gut gehe, so Ruf. "Lassen Sie uns den Blick nach vorn richten, voller Optimismus und Zuversicht", so sein Appell. Große Aufgaben warten – "mit einem Investitionsvolumen von gewaltigen 116 Millionen Euro im Finanzplanungszeitraum können wir viel bewegen."

Von ABG-Halle bis JVA

Der OB ging auf die Pläne zum Ersatzbau für die ABG-Halle ein, auf die Attraktivierung der Innenstadt als "Vorhaben mit großer Tragweite" sowie auf das Parkhaus Großsche Wiese. Weiterhin wolle er an seiner Idee von kostenlosen Shuttlebussen festhalten. Spannend wird auch der Versuch der einseitigen Sperrung des Friedrichsplatzes und der Baustart der JVA, dem im Herbst nichts mehr im Wege stehe.

Was die Landesgartenschau angeht, so wünscht sich der Oberbürgermeister, dass dies zu einem Projekt wird, das alle Bürger begeistert – in allen Bereichen und Stadt- und Ortsteilen. Die Bewohner und Gebäudeeigentümer der Innenstadt seien bislang zu wenig einbezogen worden, räumte er ein. "Das möchte ich ändern." Ein erster Schritt seien die bereits konkret geplanten Quartiersgespräche.

Gemeinsam nach vorn

Neben dem Blick in die Zukunft nimmt Christian Ruf den nach drei Jahren erstmals wieder stattfindenden Bürgerempfang auch zum Anlass, um zurückzublicken. Er spannt  den Bogen von Aschermittwoch 2020, als der erste Corona-Fall bekannt wurde, bis zu Fasnet 2022, "als wir trotz aller Bedenken den Mut hatten, Fasnet zu feiern." Ruf erinnert unter anderem an die überraschende Nachricht vom Weggang seines Vorgängers Ralf Broß, an Corona als große gesellschaftliche Herausforderung und auch daran, wie die Rottweiler dies angegangen sind. Dies zeichne die Stadt seit jeher aus. "Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und selbst unter schwierigen Bedingungen nach vorn zu blicken." Er ermunterte alle, sich weiter für die Gemeinschaft einzusetzen. "Ich freue mich auf den weiteren gemeinsamen Weg."

Zum Schluss erklingt der Narrenmarsch

Dass der Übergang zum geselligen Teil besonders schwungvoll und heiter ausfällt, dafür sorgt dann die Stadtkapelle mit ihrem Dirigenten Johannes Nikol. Der zeigt sich begeistert über den großen Applaus der Gäste und entschließt sich mit seinen Musikern zu einer ganz spontanen Zugabe: dem Rottweiler Narrenmarsch. Auch das – eine Premiere!