Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 halten wegen der möglichen Kostenexplosion ein schnelles Ende des Baus für deutlich günstiger als einen Weiterbau - hier die Bilder von der 150. Montagsdemonstration am 26. November: Foto: Fotoagentur Beytekin / Weiberg

Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 halten wegen der möglichen Kostenexplosion ein schnelles Ende des Baus für deutlich günstiger als einen Weiterbau.

Berlin/Stuttgart - Die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 halten wegen der möglichen Kostenexplosion ein schnelles Ende des Baus für deutlich günstiger als einen Weiterbau. Die Ausstiegskosten würden bei 300 bis 400 Millionen Euro liegen, sagte der Sprecher des Aktionsbündnisses, Eisenhart von Loeper, am Montag in Berlin. „Stuttgart 21 rechnet sich nicht.“ Gemeinsam mit dem Verkehrsclub VCD und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) widersprach er damit dem SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Claus Schmiedel, der ein Ende wegen möglicher Kosten für die Bahn von bis zu drei Milliarden Euro für undenkbar hält.

Trotz der Kostensteigerung hält Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 weiter für gültig. Den Menschen sei schon damals die von den S-21-Gegnern befürchtete Steigerung der Kosten auf bis zu sechs Milliarden Euro bekanntgewesen, sagte die Expertin für Bürgerbeteiligung. „In der Grundargumentation war das angelegt und stand zur Debatte“, sagte Erler. Bei der Abstimmung Ende November 2011 hatte sich eine Mehrheit für einen Weiterbau des unterirdischen Bahnhofs samt Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm ausgesprochen.

"Das Ergebnis wäre heute ein anderes"

Loeper und der Vorsitzende des Umwelt-Verkehrsclubs VCD, Michael Ziesak, fühlen sich hingegen nicht mehr an das Ergebnis der Volksabstimmung gebunden. Die Vorzeichen und Berechnungen seien völlig falsch gewesen. „Das Ergebnis wäre heute ein anderes“, sagte Loeper. Eine neue Abstimmung lehnten beide ab. Es gehe nun um Sachfragen, die geklärt werden müssten. Auch Erler hält ein erneutes Referendum für „unwahrscheinlich“.

Derzeit wird spekuliert, dass die Kosten über das vorgesehene Limit von 4,5 auf 6 Milliarden Euro steigen. An diesem Dienstag befasst sich der Vorstand des Staatskonzerns Bahn mit den neuesten Zahlen, am Tag danach kommt der Aufsichtsrat zusammen und berät über Konsequenzen.

Die Stuttgart 21-Gegner sprachen am Montag in Berlin von bis zu zehn Milliarden Euro, die der gesamte Bau kosten könne. Ziesak sagte: „Das Projekt ist finanziell tot.“ Es sei sehr wahrscheinlich, „dass die Kosten den Nutzen übersteigen“.

"Ich rechne damit, dass Stuttgart 21 gebaut wird"

Dagegen glaubt FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, dass Stuttgart 21 trotz absehbarer Mehrkosten kommt. „Ich rechne damit, dass Stuttgart 21 gebaut wird.“ Ein Ausstieg wäre unsinnig, weil es dann keinen neuen Bahnhof gäbe und es trotzdem enorm teuer würde. Mehrkosten, die etwa durch Planungsfehler und falsche Berechnungen entstanden seien, müsse die Bauherrin Bahn tragen.

Der Verkehrsclub und der BUND kritisierten, die erhöhten Ausgaben würden den Schienenausbau in ganz Deutschland blockieren. „Stuttgart 21 setzt weiter die falschen Prioritäten.“ Andere Knotenpunkte wie Köln und Hamburg sowie hochbelastete Strecken seien wichtiger. Nur so könne Personen- und Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden.

Erler betonte mit Blick auf eine Studie, das Instrument der Volksabstimmung habe sich bewährt. Die konkrete S-21-Abstimmung habe Frieden in die Bürgerschaft gebracht. Bei einer Befragung von 1700 Baden-Württembergern durch das Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung bewerteten 72 Prozent das Instrument der Volksabstimmung positiv. Allerdings war die letzte Befragung im August dieses Jahres erfolgt, also lange vor den neuen, auch aus Bahnkreisen verlautenden Spekulationen über enorme Preissteigerungen.

Der Eigentümer eines gewerblichen Gebäudes im Umfeld des Stuttgarter Bahnhofs hat unterdessen nach Angaben von Umweltschützern gegen Stuttgart 21 vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim geklagt. Er wendet sich gegen die Genehmigung des Eisenbahnbundesamtes für eine Bündelung des Grundwassermanagements. Das Amt habe Risiken in der Baustatik nicht berücksichtigt, argumentiert er laut BUND. Demnach könne bei Erfolg der von der Bahn für März anvisierte Aushub einer ersten Teilgrube für den Tiefbahnhofstrog noch verhindert werden.