Dem Ludwigsburger Landrat Rainer Haas setzt im öffentlichen Nahverkehr auf Kooperation anstatt Konfrontation. Foto: Kraufmann

Im Ringen der Region mit den Landkreisen und der Landeshauptstadt um das Sagen im öffentlichen Nahverkehr gibt es keine Annäherung. Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas sagt, dass es nicht an den Kreisen liegt.

Im Ringen der Region mit den Landkreisen und der Landeshauptstadt um das Sagen im öffentlichen Nahverkehr gibt es keine Annäherung. Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas sagt, dass es nicht an den Kreisen liegt.
Stuttgart - Herr Dr. Haas, Landesverkehrsminister Hermann verzweifelt fast, weil er als Moderator im Streit um Zuständigkeiten für den ÖPNV keine Fortschritte erzielt. Warum sind Sie so stur?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir sind auf ganzer Linie kompromissbereit, während sich der Verband in der einzigen Sache, in der wir etwas verbessern wollen, in die Position desjenigen begibt, der sagt: Mir gebet nix!
Worum geht es?
Die Kreise sind nach dem Gesetz unstreitig für den Busverkehr zuständig. Wir bestellen den Betrieb bei den Busunternehmen, können die Einnahmen aus dem Verkehrsverbund Stuttgart ( VVS), die den Bussen zustehen, aber nicht direkt ausbezahlen. Die Kassenverwaltung macht der Verband Region Stuttgart (VRS).
Warum bezahlt nicht derjenige, der bestellt?
Der Verband Region Stuttgart wurde 1996 Träger der S-Bahn und Rechtsnachfolger des von den Kreisen und der Stadt Stuttgart gegründeten Zweckverbands Nahverkehr Region Stuttgart, der bis dahin auch die Abrechnung machte. Dass der Verband damit Kassenverwalter für die Busverkehre wurde, haben die Verantwortlichen möglicherweise nur übersehen. Dadurch sind die Finanzierungsströme aber kompliziert geworden. Wenn man die Finanzierung des Nahverkehrs transparenter machen will, müsste man die Landkreise zu Partnern bei der Verteilung der Einnahmen im VVS machen.
Das sieht der Verband ganz anders. Dort will man Transparenz durch weniger Partner. Der Verband will auch eine von der EU geforderte Vorschrift für die Busverkehre erlassen, weil er für deren Finanzierung zuständig sei.
Das ist falsch, und es gibt auch eindeutige Beschlüsse der Kreistage, dass wir rechtliche Schritte ergreifen dürfen, wenn der Verband die Vorschrift im Alleingang erlässt.
Weil Sie rechtliche Bedenken haben?
Ja. Wir würden deshalb eine eigene Vorschrift erlassen.
Die Bürger stellen sich etwas anderes unter effizienter Verwaltung vor als zwei Vorschriften gleichen Inhalts.
Es ist gut möglich, dass die Inhalte dieser Vorschrift von einem Busunternehmer, der im Wettbewerb unterliegt, beklagt werden. Deshalb muss sie rechtssicher sein. Im Übrigen lautet unser entgegenkommender Vorschlag an den Verband ,Lasst uns das doch gemeinsam machen!’ Das wurde abgelehnt.
Wo kommen Sie dem Verband noch entgegen?
Es geht ja auch um regionale Buslinien, die den Innenstadt-Tunnel der S-Bahn entlasten sollen, indem sie VVS-Kunden ohne Umweg ans Ziel bringen. Wenn eine solche Linie den richtigen Zuschnitt hat, kann ich mir durchaus vorstellen, dass sie von regionaler Bedeutung ist und damit Sache des Verbands.
Liegen solche Vorschläge nicht auf dem Tisch?
Bisher habe ich nur eine Liste mit Vorschlägen wie Bietigheim–Tamm–Markgröningen–Schwieberdingen gesehen. Dort fahren wir längst, wozu soll man das auf die Region übertragen? Eine Buslinie Ludwigsburg–Flughafen mit wenigen Zwischenstopps steht nicht auf der Liste. Das wäre von regionaler Bedeutung. Dort, wo es wichtig ist, sind wir bereits tätig geworden. Den Schnellbus von Ludwigsburg nach Waiblingen, der über eine Landkreisgrenze fährt, haben wir 1997 eingeführt – ganz ohne Zutun der Region.
Sie haben ja Ideen für die Stärkung der Region!
Niemand hat die Notwendigkeit regionaler Zusammenarbeit in Frage gestellt, und der Verband hat auch schon Richtiges unternommen. Ich bin ein Befürworter der Idee, dass nicht der ganze S-Bahn-Verkehr nur auf die Schwabstraße zulaufen soll. Was mir in der Debatte über Zuständigkeiten seit 20 Jahren fehlt, ist eine Analyse, wo etwas besser werden soll und was man dafür tun kann.
Bei so viel Fürsprache – was trauen Sie der Region noch zu?
Wir Landräte können uns vorstellen, dass der Verband die Koordination für Park&Ride-Anlagen übernimmt und andere Anschlussmöglichkeiten wie Pedelec-Ausleihen mit dem System verzahnt.
Bei den kleinen Nebenbahnen sind Sie nicht so entgegenkommend?
Wenn die Strohgäubahn von Stuttgart nach Weissach durch den Kreis Ludwigsburg fahren würde, würde wohl keiner mit der Wimper zucken und sagen: Das ist Sache der Region. Das war vor der Grundsatzentscheidung 2009 durchaus offen. Da das Land aber nur für den Abschnitt Korntal–Heimerdingen Geld geben wollte, sehe ich hier keine regionale Bedeutung.
Sie wollen den Nahverkehr weiterhin aus Perspektive des Landkreises betrachten, ist dieser Horizont nicht zu eng?
Das Gegenteil ist der Fall. Wir brauchen gerade beim Busverkehr die örtliche Perspektive. Die Aufgabenteilung im öffentlichen Nahverkehr läuft auch sehr gut, mit dem Verkehrsverbund als Gelenk zwischen den Partnern. Der Landkreis Ludwigsburg ist der am dichtesten besiedelte in der Region, und wir holen die Fahrgäste von jeder Nacht-S-Bahn mit einem Nachtbus ab. Im ländlicher strukturierten Rems-Murr-Kreis kann es trotzdem sinnvoller sein, zu solchen Randzeiten Ruftaxis einzusetzen. Dazu bedarf es der Detailkenntnisse, die vor Ort bei den Landkreisen vorhanden sind. Gremien wie die Regionalversammlung wären doch völlig überfordert damit, sich bis in solch feinen Verästelungen auszukennen.
Geht es bei der Debatte noch um die Sache?
Leider nicht immer. Die Diskussionen zum öffentlichen Nahverkehr sind manchmal etwas kleinkariert. Die Region und die Landkreise haben doch alle das Ziel, den Nahverkehr zu optimieren. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass es beim VRS mehr um Machtpolitik geht. Wir sollten doch besser die Zusammenarbeit in anderen Bereichen intensivieren, etwa bei der Wirtschaftsförderung oder im Tourismus, als über Buslinien und andere Dinge zu streiten. Diese Themen stehen leider im Schatten des ewigen Bemühens des VRS, den Landkreisen Zuständigkeiten zu entreißen.