In Schramberg stehen am Dienstag gegen 8.30 Uhr knapp 30 ausgerüstete Beamte bereit, um die Schule nach einem möglichen Täter oder abgelegten Gegenständen durchsuchen zu können. Foto: Michaela Sum

Amok-Alarm an Schulen und Klinik. In Schramberg rückt SEK an. Polizei ermittelt. Mit Video

Schramberg/Offenburg - Zwei Mails lösen am Dienstag ziemlich zeitgleich gegen 8 Uhr in Offenburg (Ortenaukreis) und Schramberg (Kreis Rottweil) einen Amokalarm an Schulen aus.  Eine weitere Droh-Mail ist gegen 7.30 Uhr an der Nachtpforte des Zentrums für Psychiatrie in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) eingegangen.  Dort ist mit einem gefährlichen Gegenstand gedroht worden. Bei einer Durchsuchung wird  allerdings nichts gefunden.

In Offenburg landet  die Mail im elektronischen Postfach des Schiller-Gymnasiums, wie dessen Leiter Manfred Keller auf Anfrage berichtet. Mit »einigen Streifenkräften mit entsprechender Ausrüstung« sei die Schule durchsucht worden, bestätigt Patrick Bergmann vom Polizeipräsidium Offenburg.
Bereits um 10.44 Uhr gibt die Polizei nach einer Überprüfung des Mail-Inhalts und Ermittlungen der Kriminalpolizei wieder Entwarnung.  Eine akute Gefährdung für Anwohner und Schüler habe nach bisherigem Stand der Ermittlungen nicht bestanden, heißt es aus der Schule.

Schüler und Lehrer schließen sich im Klassenzimmer ein

Deutlich länger dauert der Einsatz von Polizei und Hilfskräften in Schramberg. Dort stehen gegen 8.30 Uhr knapp 30 ausgerüstete Beamte bereit, um die Schule nach einem möglichen Täter oder abgelegten Gegenständen durchsuchen zu können.  Die Einsatzführung im Präsidium Tuttlingen entscheidet sich indes dafür, ein Sondereinsatzkommando (SEK) einfliegen zu lassen. Die Beamten vor Ort müssen zunächst warten.

Die rund 700 Schüler und Lehrer befinden sich, nachdem der Amokalarm ausgelöst und sie per Durchsage informiert werden, in den Klassenzimmern, die alle von innen abschließbar sind.

Bei den Sechstklässlern haben die Jungs Sport in der angebauten Halle. Sie werden von zwei schwer bewaffneten Polizisten bewacht. Die Mädchen sind gar nicht im Schulgebäude – sie haben zu diesem Zeitpunkt Schwimmunterricht.

Für die eingeschlossenen Schüler zehrt die Wartezeit auf das SEK an den Nerven. Gerüchte machen sich breit, es könnte eine Bombe geben, die die an der Schulmensa bereits bereitstehenden Einsatzkräfte daran hindern würde, das Gebäude zu betreten. Für Toilettengänge müssen Waschbecken und Mülleimer herhalten, später dürfen die Schüler in Grüppchen raus.

Zeitlich versetzt treffen die Beamten des SEK ein. Gegen 10.30 Uhr gehen die Spezialkräfte dann ins Gebäude. Rund eine Stunde später ist die Arbeit erledigt: Vom Keller bis aufs Dach ist alles durchsucht, auch die Garagen des Hausmeisters. Dann gibt es Entwarnung: »Die Amok- oder Gefahrenlage hat sich nicht bestätigt«, heißt es seitens Polizei und Staatsanwaltschaft. Für die rund 30 SEK-ler ist der Einsatz beendet.

Polizeikräfte geleiten die Schüler  zusammen mit dem jeweiligen Lehrer klassenweise aus dem Gebäude. Für sie werden zahlreiche Busse ans Schramberger Gymnasium beordert. In ihnen geht es zu einer Sporthalle im rund fünf Kilometer entfernten Stadtteil Sulgen. Beim Einsteigen erhalten die Schüler jeweils eine fortlaufende Nummer auf die Hand geschrieben. Bereits in den Bussen werden sie vom Roten Kreuz betreut.

Weitere  Helfer empfangen die Schüler in der Sporthalle. Dort wird mit Listen klassenweise abgeglichen, wer da ist. Jetzt ist zwar die Spannung von den Kindern und Jugendlichen abgefallen, das Warten bleibt jedoch. Die Registrierung zieht sich hin. Teilweise sitzen die Schüler länger als eine Stunde in den Bussen, bevor sie in die Halle gebracht werden.

Auch für die Eltern quälende Stunden:  Viele von ihnen hätten ihre Kinder bereits gerne direkt an der Schule in ihre Arme geschlossen. Doch dies ist nicht möglich. Der Bereich rings um die Schule  ist weiträumig abgesperrt. Alle Eltern werden zunächst in ein Informations-Zentrum verwiesen, das in der  nahen städtischen Mediathek eingerichtet ist.
 

Hintergründe und  Motiv sind  noch unbekannt
Für sie bleibt letztlich nur die Fahrt nach Sulgen. Dort müssen sie sich zunächst im Feuerwehrgerätehaus ebenfalls registrieren und warten, bis die Klasse ihres Kindes aufgerufen wird. Erst dann können sie ihre Kinder am Hintereingang der Sporthalle abholen. Dort drängen sich bis zu 250 besorgte Eltern. Nicht alle  verstehen, warum ihnen seitens der Polizei-Einsatzleitung niemand erklärt, warum sich das Prozedere derart hinzieht. Nicht selten dauert es über zwei Stunden, bis die Kinder endlich bei ihren Eltern sind.

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Ob zwischen den verschiedenen Drohungen im Land ein Zusammenhang besteht, ist bislang unklar. Eine vierte Droh-Mail geht am Morgen zudem an einer Schule im hessischen Bad Neuheim ein und löst ebenfalls einen Polizeieinsatz aus. Auch dort gibt es keine ernsthafte Bedrohung.

Laut  Staatsanwaltschaft Rottweil werden Droh-Mails als »Störung des öffentlichen Friedens durch Androhen einer Straftat« verfolgt. Die Ermittlungen hinsichtlich einem oder mehrerer Absender sowie zu Hintergründen und Motiv sind im Gange.

Nachdem 2009 bei einem Amoklauf an einer Realschule in Winnenden 14 Menschen ums Leben gekommen sind, haben  Baden-Württembergs Schulen ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Bizarrer Zufall: Tim K., der Amokschütze von Winnenden, war an den Kliniken am Weissenhof in Weinsberg untersucht worden. Deren Standort in Winnenden ist jetzt Adressat einer der Droh-Mails.