Gemeinsames lernen an einer Grundschule Foto: dpa

Der Bildungsverband VBE hat eine Umfrage zum Thema Inklusion in Auftrag gegeben – das Ergebnis fällt sehr gemischt aus.

Stuttgart - Eine Mehrheit der Baden-Württemberger befürwortet die Inklusion, also den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung – speziell an Grundschulen. 72 Prozent sehen darin mehr Vor- als Nachteile. Bei den weiterführenden Schulen fällt die Einschätzung weniger positiv aus, doch auch hier spricht sich eine klare Mehrheit von 60 Prozent für gemeinsames Lernen aus. Das sind zwei Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), die dieser am Montag in Stuttgart vorstellte.

Weitere Ergebnisse der repräsentativen Befragung im November belegen eine erhebliche Unzufriedenheit der Bürger mit der praktischen Umsetzung der Inklusion. Laut Umfrage vermissen 68 Prozent der Baden-Württemberger die Bereitschaft der grün-roten Regierung, das gemeinsame Lernen finanziell abzusichern. Auffällig ist die Skepsis unter SPD-Wählern: Nur 25 Prozent von ihnen glaubten, dass ihre Partei bereit ist, das notwendige Geld bereitzustellen. Verbandschef Gerhard Brand leitet daraus die Schlussfolgerung ab: „Das bisherige Vorgehen bei der Umsetzung der Inklusion stößt bei den Bürgern auf Misstrauen.“ Vor allem das Zaudern bei der Finanzierung stoße die Bürger vor den Kopf. Seine Forderung: „Es müssen mehr Ressourcen bereitgestellt werden.“ Bund, Länder und Kommunen müssten die Inklusion gemeinsam finanzieren.

Mahnend verwies Brand auf eine Befragung in Nordrhein-Westfalen 2011. Damals hatten sich dort 77 Prozent der Bürger positiv zur Inklusion geäußert. Jetzt, bei einer erneuten Meinungserhebung, sei dieser Wert auf 62 Prozent gesunken. „Dieser Rückgang an Akzeptanz muss der hiesigen Landesregierung zu denken geben. Es besteht die Gefahr, dass die Politik die Inklusion an die Wand fährt“, sagte Brand. An dem Willen der Lehrer liegt es nach Meinung des Bildungsverbands nicht. Sie seien bereit, „sich der Inklusion zu stellen“. Wenn es die Politik jedoch nicht schaffe, die Lehrer mitzunehmen und deren Hinweise zu berücksichtigen, werde Inklusion nicht gelingen, sagte der Verbandsvorsitzende.

Scharfe Kritik kam von der CDU-Landtagsfraktion. Die Sozialpolitikerin Monika Stolz sagte, die Landesregierung habe es versäumt, rechtzeitig die konzeptionellen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, obwohl die Vorgängerregierung die Inklusion bestens vorbereitet habe: „Das ist ein Armutszeugnis.“ FDP-Generalsekretär Patrick Meinhardt erklärte: „Der VBE trifft mit seiner Kritik leider ins Schwarze.“ Die Landesregierung handle bei der Inklusion vollkommen konzeptionslos. Das Land müsse zügig einen Aktions- und Finanzierungsplan Inklusion vorlegen.

Auch der Kultusminister meldete sich zu Wort. Andreas Stoch (SPD) sagte, es handle sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch gemeinsam finanziert werden müsse. Er bekräftigte, die Inklusion werde trotz der Verschiebung der Schulgesetzänderung vorangetrieben. Das Kabinett werde in den nächsten Wochen Eckpunkte verabschieden, um den Schulen für das neue Schuljahr Leitlinien für die Umsetzung zu geben. Am Freitag war bekannt geworden, dass die Landesregierung das Wahlrecht für Eltern von Kindern mit Behinderung erst später ins Schulgesetz aufnehmen will.