Das wiederaufgebaute Stammhaus der Traube Tonbach: Vorvergraute Holzschindeln sorgen für Patina. Foto: Natascha Rothmund/Traube Tonbach

Läuft weiter alles nach Plan, beginnt in sieben Wochen ein neues Kapitel in der über 230-jährigen Geschichte der "Traube Tonbach": Wo vor zwei Jahren das Urgebäude des Traditionshotels nach einem Feuer in Schutt und Asche lag, haben viele fleißige Hände einen neuen Genussort errichtet.

Baiersbronn-Tonbach - Der Neubau soll zum 8. April eröffnen und das Zuhause für drei À-la-Carte-Restaurants werden. Neben den beiden Gourmetrestaurants von Torsten Michel und Florian Stolte wird es mit dem "Schatzhauser" auch ein neues Restaurantkonzept geben, so das Hotel in einer Pressemitteilung.

Geist des Neuen

Im Sommer 2020 fiel der Startschuss für die Bauarbeiten an der "Traube Tonbach". Trotz Gerüst und Bauplanen gibt der Neubau längst seine finale Form preis. Während Größe und Anordnung kaum vom einstigen Stammhaus abweichen, sei der Geist des Neuen unübersehbar: Der mit grauen Holzschindeln verkleidete Dreigiebelbau zeige sich gradlinig, minimalistisch und modern. Wenige Wochen vor der Eröffnung verrät die Hoteliersfamilie um Renate, Heiner, Antonia, Matthias und Sebastian Finkbeiner weitere Details.

Geschichte bewahren

Renate Finkbeiner, Seniorchefin und ihres Zeichens "oberste Bauinstanz des Führungskaders der ›Traube Tonbach‹", bringt das Leitmotiv des gestalterischen Drahtseilakts auf den Punkt: "Wir wollen unsere Geschichte bewahren, indem wir sie fortschreiben – nicht nachbauen. Das alte Stammhaus wird in unseren Erzählungen und Herzen immer einen festen Platz haben, doch was gewesen ist, ist Vergangenheit. Jetzt ist die Zeit, ein modernes Haus zu bauen, das den Ansprüchen kommender Generationen von Gästen und Mitarbeitern lange dient."

"Der Neubau besteht aus drei Einzelhäusern, von denen zwei traufständig zur Straße stehen, während das dritte mittig zum Tal ausgerichtet ist", wird der verantwortliche Architekt Egon Bermayer vom beauftragten Büro ARP aus Stuttgart in der Mitteilung zitiert. Besonders wichtig beim Entwurf war Renate Finkbeiner, dass das Gebäudeensemble "den Bauch einzieht". "Das haben wir gelöst, indem wir die beiden vorderen Gebäude räumlich leicht gedreht haben", so Bermayer und verweist auf einen gewünschten Nebeneffekt: "Vor dem Eingang entsteht ein kleiner Platz zum Verweilen."

Trotz der Größe soll sich das Stammhaus optisch zurücknehmen und in das Bestehende einfügen, ohne die örtliche Bebauung zu dominieren. "Was uns im Inneren Großzügigkeit und lichte Räume beschert, darf von außen nicht klotzig wirken", sagt Renate Finkbeiner. "Wir haben die Fassade durch bodentiefe Fensterelemente auf der Ost- und Westseite so aufgebrochen, dass Sonnenlicht von morgens bis abends in das Gebäude fällt und viel Weitblick geschaffen wird." Um der Außenhülle das "Neue" zu nehmen, wurden die schwarzwaldtypischen Schindeln aus heimischer Douglasie vorvergraut. "Das gibt eine schöne Patina, die sich innen fortsetzt", erklärt Bermayer das Gestaltungsprinzip. Für fließende Übergange von draußen nach drinnen reicht das Kopfsteinpflaster bis ins Foyer hinein, während der Blick durch eine Fensterfront wieder ins Tal gelenkt wird. "Der Ort und der Wald sind überall gegenwärtig und erlebbar." Gleiches gilt für die neue "Schwarzwaldstube" (drei Michelin-Sterne) als zeitgemäße Bühne für Torsten Michels Kochkunst. Im Gegensatz zur vormals tiefeingezogenen, dunklen Holzdecke öffnet sich der neue Gastraum mit einer bis in die Giebelspitze vollverglasten Stirnwand zum Tonbachtal und gibt das Panorama auf den Wald frei. Natursteinplatten, die im römischen Verband verlegt wurden, erden den Raum.

"Köhlerstube" wird "1789"

Die Gourmetküche von Küchenchef Florian Stolte bekommt mit der Wiedereröffnung nicht nur ein neues Restaurant, sondern auch einen neuen Namen: "1789". "Das ›1789‹ wird dort eröffnen, wo einst die historische Urzelle der ›Traube Tonbach‹ war", berichtet Hotelier Sebastian Finkbeiner und fügt hinzu: "Der Name ist eine Hommage an unser Gründungsjahr und den Ort, wo vor mehr als zwei Jahrhunderten unsere Hotelgeschichte mit einer winzigen Schänke für Köhler und Waldarbeiter begann." Das kulinarische Konzept und Team der "alten Köhlerstube", die mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist, blieben hingegen gleich – mit modernen und durch die vielen Reisen Stoltes asiatisch-inspirierten Menüs.

"Die einstige ›Bauernstube‹ wird es hingegen in ihrer alten Form nicht mehr geben", ergänzt der Hotelier. "Der historische Raum wurde vom Feuer zerstört – das lässt sich nicht nachbauen, ohne dass es künstlich wäre." Freunde der schwäbisch-badischen Küche, wie sie früher in der "Bauernstube" serviert wurde, müssen aber darauf künftig nicht verzichten. "Dafür sorgen wir mit dem ›Schatzhauser‹", sagt Hotelinhaber Heiner Finkbeiner. Der größte Gastraum werde unter der Regie von Florian Stolte einem neuem Restaurant gewidmet. Namensgeber ist der gute Waldgeist aus dem Schwarzwald-Märchen "Das kalte Herz". Mit 60 Sitzplätzen und imposantem Ausblick präsentiert sich das Restaurant lichtdurchflutet, während die kohlschwarze Decke an die Köhlerzunft und die Ursprünge des Ortes erinnern soll.

Gebaut wird nicht nur für, sondern auch von Generationen. "Einige der Handwerker begleiten uns bereits in vierter Generation, wie etwa unser Elektriker Möhrlen hier aus Baiersbronn", berichtet Hotelier Matthias Finkbeiner. Trotzdem sei der zeitgerechte Baufortgang für ihn keineswegs selbstverständlich. "Die Betriebe hatten volle Auftragsbücher, und unser Bauvorhaben kam nicht nur ohne Vorlauf, sondern muss auch in Rekordzeit fertig werden. 18 Monate vom Grundstein bis zum Gast, noch dazu während einer Pandemie – das erschien anfangs illusorisch", erinnert sich der Mitinhaber der "Traube Tonbach" an die schwierigen Voraussetzungen. Geholfen haben bewährte Partner: "Wir haben den Auftrag bewusst in der Region gelassen. Wir wussten einfach aus Erfahrung, dass auf die Unternehmen Verlass ist." Rund 50 Betriebe sind mit dem Wiederaufbau betraut. "Was die Handwerker, Ingenieure und die Architekten hier aktuell leisten, ist ein Meisterstück an Präzision und Teamwork. Nur noch sieben Wochen – der Countdown läuft."