Diskutierten über die Stärke der Frauen: Sophie Seng, Shaza Alhmoudi, Ina Kästle-Müller, Marina Fuchs, Cindy Holmberg, Anna Pröbstle und Sabrina Hipp. Foto: Eyrich

Mit Busengrapschern haben Frauen heute nicht mehr oft zu kämpfen, mit Vorurteilen schon. Am Tag, ab dem die Frauen in Deutschland Geld verdienen, diskutieren sieben Vorbilder über Stärke.

Albstadt-Ebingen - Genau bis zum Abend des 7. März, Vorabend des Weltfrauentages, haben die Frauen in Deutschland für Lau gearbeitet, denn es ist "Equal Pay Day" – Grund genug für den Beirat "Soziales" von Bündnis ’90/Die Grünen, Kreisverband Zollernalb, an diesem Abend zum Kinofilm "Die Unbeugsamen" und zur Podiumsdiskussion in den Capitol Filmpalast einzuladen.

Trägt Frau Schuchardt einen BH?

Torsten Körners Streifen über die Politik-Pionierinnen in der Bonner Republik ruft stellenweise eine Mischung aus Amüsement und Verärgerung hervor, etwa wenn Helga Schuchardt berichtet, wie Bundestagspräsident Richard Stücklen ihr über den Rücken gestreift habe – um zu erfühlen, ob sie einen BH trägt. Er hat damals seine Wette gewonnen. Oder wenn Waltraud Schoppe gefragt wird, ob man Busengrapscherei in der Fraktion nicht besser "menschlich" löse, "anstatt gleich die Keule zu schwingen".

"’ne Schöne reingewählt"

Vergleichbares erlebt Cindy Holmberg, Landtagsabgeordnete der Grünen, heute nicht mehr. Als sie mit 24 Jahren als alleinerziehende Mutter in den Reutlinger Gemeinderat gewählt wurde, habe es sie aber doch geärgert, zu hören, jetzt sei "’ne Schöne reingewählt" worden. "Danach wollte ich nicht bewertet werden", betont sie bei der Podiumsdiskussion, die Sabrina Hipp, Stadträtin in Albstadt, und Sophie Seng moderieren. Im Landtag sei es nicht mehr so schlimm, fügt sie hinzu. Dort wird die inzwischen verheiratete Mutter dreier Kinder, die mit der Hand am Arm den Wald von Müll säubert, respektiert.

"Da war mir klar, dass wir die Frauenliste brauchen"

"Gut aufgenommen" worden sind auch Ina Kästle-Müller und ihre beiden Fraktionskolleginnen von der 2019 gegründeten Frauenliste im Meßstetter Gemeinderat, wo sie die Hälfte der Stadträtinnen stellen und nicht nur Frauenthemen aufgreifen. Als jemand sie am Wahlkampf-Stand vor dem Supermarkt gefragt habe, wer denn "gerade bei mir zu Hause kocht", sei ihr klar geworden, "dass wir die Frauenliste brauchen", betont die Mittfünfzigerin, die durchaus noch Zeiten erlebt hat, da es normal zu sein schien, angegrapscht zu werden.

Als Feuerwehrfrau in einer Minderheit

Ob das heute jemand bei Marina Fuchs wagen würde? Die Winterlingerin ist Schneidwerkzeugmechanikerin und Feuerwehrfrau, wodurch sie einer Sieben-Prozent-Minderheit bei Freiwilligen-Wehren angehört – in Berufsfeuerwehren arbeiten nur zwei Prozent Frauen. "Man darf nicht geknickt sein, wenn ein blöder Spruch kommt", und Humor sei wichtig, "dann funktioniert das wunderbar", lautet ihr Rat.

Auch Jungs können Spülmaschine

Auch Anna Pröbstle hat als Technische Zeichnerin für Maschinenbau eine Männerdomäne erobert und will ihren fünf Kindern vorleben, was Frauen alles können, denn die Gleichberechtigung fange bei der Erziehung an. Deshalb müssten auch ihre Jungs mal die Spülmaschine ausräumen, berichtet die Mitgründerin des "Unverpackt Lädle" in Albstadt.

Im Labor muss man sich eh bedecken

Shaza Alhmoudi, die 2016 mit ihrem ersten Kind aus Syrien kam, inzwischen ein zweites hat und Pharmatechnik an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen studiert, hat im Labor kein Problem mehr damit, ihres Kopftuchs wegen diskriminiert zu werden: "Dort müssen wir eh bedeckt sein", berichtet sie mit Blick auf die Schutzkleidung.

"Fünf Kinder? Wohl keinen Fernseher!"

Ob die fünf Frauen Erfahrung mit Sexismus haben, will Sophie Seng wissen. Mit fünf Kindern werde sie schon mal gefragt, "habt Ihr zu Hause keinen Fernseher?", sagt Anna Pröbstle. Marina Fuchs hat Sätze wie "mal schauen, was sie wirklich kann" gehört – und selbstbewusst geantwortet: "Ich kann das!", ebenso wie Pröbstle, die ihre Ausbildung mit 1,3 abgeschlossen und gar einen Preis bekommen hat.

Warum wählen Frauen zu selten Frauen?

Warum Frauen keine Frauen wählen, wenngleich sie als Mehrheit innerhalb der Wahlberechtigten die Männer gänzlich aus der Politik verbannen könnten? Sophie Seng bietet "Vorurteile" als möglichen Grund an: Es gebe auch viele Frauen, die Frauen die Kompetenz absprächen. "Das ändern wir nur, indem wir das Gegenteil beweisen!"

Ein Feminist und ein Frauenbeauftragter

Das Publikum – rund 75 Frauen, weniger als fünf Männer – diskutiert munter mit, hat beobachtet, dass Männer sich selbst besser darstellen als Frauen und zuweilen nicht den Mut hätten, nach vorne zu drängen. Der Frauenbeauftragte der IG Metall – ein Mann! – bemerkt, dass der Organisationsgrad in klassischen Männerberufen weit höher sei als etwa in sozialen und Pflegeberufen, und sein Kollege kritisiert, dass der Dienst am Menschen schlechter bezahlt werde als der Dienst an Maschinen.

Die Männer, die da sind – einer outet sich gar als "Feminist" – sind freilich alle der Meinung, dass Frauen gut tun: der Debattenkultur, der Politik, der Gesellschaft. "Einfach trauen! Einfach machen", ruft Marina Fuchs allen zu. "Wir können das genau so gut wie die Männer!"