Dekanatsreferentin Nicole Uhde und Ursula Nagel eröffnen die 15. Vesperkirche – endlich wieder im Steinhaus, endlich wieder im Warmen! Foto: Lück

Die 15. Vesperkirche. Nach zwei Jahren Corona endlich wieder drin im warmen Steinhaus. Doch beim Auftakt war es ruhig – knapp 70 Gäste. Liegt es am Wintereinbruch?

Horb - 11 Uhr. Hektik bei den Helfern. Ursula Nagel: "Wo kriegen wir jetzt noch Löffel für Latte Macchiato her?" Start der 15. Vesperkirche.

Dekanatsreferentin Nicole Uhde: "Wir sind froh, dass es nach zwei Jahren Vesperkirche To Go endlich wieder normal ist." In den Lockdowns wurden die Essen für Bedürftige nur vor der Tür des Steinhauses ausgegeben.

Ursula Nagel vom Organisationsteam: "Normalerweise haben wir Sonntags eröffnet. Da war immer relativ wenig los, weil viele nach dem Kirchgang heim gegangen sind. Deshalb haben wir gedacht, dass wir diesmal am Mittwoch starten. Eigentlich ein idealer Zeitpunkt: Im Januar wird viel vom Konto abgebucht, die Zahl der Tafelladen-Kunden ist gestiegen! Wir haben am Montag und Dienstag noch kräftig Werbung im Carisatt-Tafelladen gemacht und hoffen, dass das zieht!"

Der Flügel ist weg – und damit die Tafelmusik

Allerdings: Während der gut zwei Stunden bis zum geistlichen Impuls der evangelischen Pfarrerin Susanne Veith ist es sehr ruhig in der Vesperkirche. Nicht nur, weil die Tafelmusik fehlt. Dekanatsreferentin Uhde: "Unsere bisherigen Klavierspieler fühlen sich nicht mehr in der Lage. Wir haben aber die Musikschule angefragt. Bisher haben wir noch keine Antwort bekommen!"

Fakt ist: Auch Horbs Gerichtsvollzieher Günther Schwartz hatte vor den Lockdowns zur Vesperkirche aufgespielt. Kurz vor seinem Ruhestand hatte er dem Schwarzwälder Boten gesagt: "Jetzt werde ich mich meinen privaten Interessen widmen. Dem Klavierspiel."

Ein Helfer zum Schwarzwälder Boten: "Die Stadt hat das Steinhaus zum 1. Januar übernommen. Die Kirche hat so wenig Geld bekommen – wahrscheinlich haben sie den Flügel mitgenommen."

Auch hinter dem roten Vorhang ist der Flügel nicht zu sehen. Angeblich hat das Rathaus lediglich 80 000 Euro für das Steinhaus an die Spitalstiftung gezahlt.

Nagel: "Vermissen die ukrainischen Flüchtlinge"

Die Gäste – sie kommen kleckerweise. Um 12.45 Uhr sagt Ursula Nagel: "Bisher haben wir 55 Gäste. Liegt vielleicht am Wintereinbruch. Wir vermissen die ukrainischen Flüchtlinge, bei denen wir besonders geworben haben. Vielleicht trauen sie sich nicht. Möglicherweise liegt es auch am plötzlichen Schnee, dass sich viele nicht raustrauen. Dabei haben wir doch einen Fahrdienst!"

Fakt ist aber auch: Es gibt treue Vesperkirchen-Fans, die das nicht schreckt. Wie beispielsweise Margarethe Schlotter: "Seit 70 Jahre lese ich den Schwarzwälder Boten. Auto fahren geht auch noch. Ich bin begeistert von der Vesperkirche und unterstützte das natürlich. Und habe gleich alte Bekannte getroffen!"

Fahrer Stefan Trunkner hat beim Vesperkirchen-Auftakt nichts zu tun. Nur eine Frau aus Rexingen. Gut, dass das Autohaus Kronenbitter diesmal einen Caddy spendiert hat – da kriegt er den Rollstuhl seines einzigen Fahrgasts heute locker rein!

Helfer schieben Frust und "Rosen-Ärger"

Kein Wunder, dass vielen Helfern langweilig ist. Sie schieben Frust und – passend zur Diskussion um die Diskussion um die neue Tourismus-Dachmarke "The Näcker" - Rosen-Ärger. Ein Helfer sagt: "Ich bin fast von Anfang an dabei. Den Bürgermeister oder OB Rosenberger habe ich hier noch nie gesehen. In Empfingen wäre Ferdinand Truffner sofort dabei – und würde vielleicht sogar noch Musik machen!"

Klar. Der Besuch des Stadtoberhaupts hätte den Auftakt sicherlich befruchtet. Fakt ist aber auch: Im Januar vor sechs Jahren war Horbs OB Peter Rosenberger definitiv in der Vesperkirche, wie das Foto beweist. Aber die freiwilligen Vesperkirchen-Helfer sind ja nicht jeden Tag da.

Deshalb "verhaftet" Ursula Nagel gleich den OGL-Fraktionschef Wolf Hoffmann, der mit seiner Frau zum Auftakt gekommen ist. Hoffmann: "Ich bin jedes Jahr dabei. Ich habe nur vergessen, mich vorab zu melden!"

Die 15. Vesperkirche. Keine Tafelmusik, kein Flügel bisher. Auch der Kulturabend fällt aus. Ursula Nagel: "Wir wussten lange nicht wegen Corona, ob die Vesperkirche überhaupt wieder im Steinhaus sein kann."

Schwabes Essen:Legendär lecker

Wenigsten eins ist so gut wie eh und je: Das Essen. Koch Heiko Schwabe – Koch des Pflegeheims Ita von Toggenburg – hat zum Auftakt Rindfleischsuppe, Gulasch mit Reis und Erbsen sowie Salat und Nachspeise gezaubert. Ein Gast aus der Bahnhofsszene: "Echt lecker. Der Koch hat es echt drauf. Ich weiß nur nicht, wo meine Kumpels sind!"

Ein verhaltener Auftakt der 15. Vesperkirche. Klar, dass alle hoffen, das ab sofort richtig Musik reinkommt. Am zweiten Vesperkirchen-Tag bedienen Schüler des MGG.

Übrigens: Während früher der Selbstkostenpreis für alle Solidaritätsesser mit 6 Euro angegeben wurde, stehen diesmal 10 Euro auf dem Zettel. Dekanatsreferentin Nicole Uhde: "Unser Bestreben ist, mit dem Gelder der Sponsoren und Spender sowie den freiwilligen Spendern die Kosten der Vesperkirche für die Bedürftigen zu decken. Die Preise sind gestiegen – auch für die Gastronomen, die uns am 26. und 27. Januar bekochen werden!"