Ständig war das Handynetz weg, als Sascha Binder, Generalsekretär der Landes-SPD, durch den Schwarzwald nach Oberndorf zum Redaktionsgespräch fuhr, das er mit dem stellvertretendem Chefredakteur Jörg Braun (rechts) führte. Foto: Palik

Sascha Binder, der Generalsekretär der Landes-SPD, spricht über Probleme bei der Bahn und im Handynetz. Und zum Kanzler hat er eine pointierte Meinung.

Oberndorf - Auf seiner Sommertour macht Sascha Binder, Generalsekretär der Landes-SPD, auch Station in unserer Redaktion. Im Gespräch mit dem stellvertretenden Chefredakteur Jörg Braun äußert sich der SPD-Fraktionsgeschäftsführer zu aktuellen Landes- und Bundesthemen.

 "Gerhard Schröder sollte SPD von sich aus verlassen"

"Ich empfinde es als sehr bitter", beschreibt Binder seine Gefühle gegenüber Altkanzler Gerhard Schröder, der inzwischen wegen seiner Sonderrechte gegen den Bundestag klagt. Er selbst sei wegen dessen Nein zum Irakkrieg in die SPD eingetreten. Ein Ausschlussverfahren hält Binder aufgrund hoher Hürden für aussichtslos. Doch solle sich Schröder überlegen, ob er sich selbst in der Partei noch wohlfühle. "Mit seinem Handeln seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat er sich für die falsche Seite der Geschichte entschieden", meint er. Die Gespräche mit vielen Genossen im Land hätten ihm gezeigt, dass die Mehrheit der SPD-Mitglieder klar gegen Schröders Haltung sei. 

Cum-Ex: "Olaf Scholz hat nicht rechtswidrig gehandelt"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der den Menschen Sicherheit in schwierigen Zeiten verspricht, stellt Binder ein Handeln mit Bedacht aus. "Wer auf die Landkarte und in die Geschichtsbücher schaut, erkennt: Frieden in Europa kann es nur mit und nicht gegen Russland geben. Allerdings hat Putin kein Interesse am Frieden in Europa. Es ist deshalb gut, dass Scholz gegenüber Putin klare Kante zeigt." Eine Außenministerin, die in diesem Zusammenhang über "Kriegsmüdigkeit" spricht, sei hingegen nicht hilfreich. Die Ermittlungen im Cum-Ex-Verfahren sieht Binder als unproblematisch. "Die Untersuchungsausschüsse zeigten, dass Scholz nicht rechtswidrig gehandelt hat", fasst er die bisherigen Ergebnisse zusammen. Auch eine enge Verbindung von Scholz mit dem Ex-Abgeordneten Johannes Kahrs könne nur mit viel Fantasie hergestellt werden.

 Land soll Mobilfunk-Löcher selbst stopfen helfen

Um bestehende Funklöcher im Schwarzwald oder wie in Bisingen-Wessingen am Fuße der Schwäbischen Alb zu beseitigen, fordert Binder eine neu zu gründende Landes-Anstalt. Diese müsse die weißen Flecken im Empfangsgebiet zunächst lokalisieren und dann Ausschreibungen für die notwendigen Mobilfunkmasten an private Unternehmen vergeben. An das Thema müsse "das Land ran", sonst werde weiterhin nichts passieren. "Das wäre Bestandteil einer Ampel-Regierung gewesen", sagt er mit Blick auf die vergangene Landtagswahl. Die Löcher habe er auf seiner Fahrt von Freiburg nach Oberndorf (Kreis Rottweil) am eigenen Leib erlebt. Er befürworte zwar, dass das Thema Digitalisierung nun dem Innenministerium unterstehe, doch sei in den vergangenen sechs Jahren auf diesem Gebiet nicht viel passiert.

 Bei der Gäubahn soll das Land mehr Druck machen

Über "die katastrophalen Zustände der Gäubahn" habe er sich auch in den vielen Artikeln unserer Redaktion informiert, sagt Binder. Bei den anstehenden Bauarbeiten frage er sich, warum sich das Land nicht mehr engagiere. "Bei der Elektrifizierung der Südbahn oder der Rheintalbahn ist durch entsprechende Finanzierung was passiert!", erinnert er an vorherige Infrastrukturprojekte. Eine starke Fürsprache in Stuttgart würde auch die Prioritätensetzung in der Bundespolitik verändern, ist Binder sicher. Die Tunnelunterbrechung für die kommenden zehn Jahre sieht er kritisch. "Die Region muss angebunden bleiben", plädiert er. "Das Land muss bei der Bahn vorangehen." Dies sei unverzichtbar für die Konkurrenzfähigkeit des Industriestandorts Baden-Württemberg.

"Wahlkreise im Land bleiben vorerst, wie sie sind"

"In dieser Legislaturperiode werden sich die Wahlkreise nicht ändern", ist er sicher. Grund für die Frage ist ein Vorstoß der FDP, die für die Landtagswahl eine Zusammenlegung mehrerer Wahlkreise forderte. "Ich habe 27 Gemeinden im Kreis, das sind 27 Dorffeste und 27 Feuerwehren", verdeutlicht Binder sein aktuelles Arbeitspensum im Wahlkreis Geislingen/Steige. Das Zusammenlegen zweier Wahlkreise würde Abgeordnete an ihre Belastungsgrenze bringen, mahnt er. SPD, Grüne und CDU hatten sich für eine Wahlrechtsreform ausgesprochen, in der die Wähler künftig eine Erst- und eine Zweitstimme haben.

Corona-Plan im Land macht Binder fassungslos

In Sachen Corona stellt er der Landesregierung ein schlechtes Zeugnis aus. "Ich bin fassungslos, dass wir zum dritten Mal in einen Sommer gehen, an dessen Ende die Schulen nicht wissen, wie es weitergehen wird", sagt Binder. Die Schließung der großen Impfzentren sowie das Streiten über fehlende Ausgangssperren im Bundesinfektionsschutzgesetz seien nicht zielführend. Stattdessen sollten alle älteren Einwohner per Brief über eine Impfung mit dem neuen Vakzin informiert werden.

 "Ohne breite Entlastung geht das Vertrauen verloren"

"Aktuell können 40 Prozent der Bevölkerung nichts mehr zur Seite legen", spricht Binder die prekäre finanzielle Situation breiter Schichten an. In Zukunft könne dies bis zu 60 Prozent der Bevölkerung treffen. Wenn Menschen jedoch Angst hätten, ihre Wohnung nicht mehr heizen zu können, sorge dies für Misstrauen – auch gegenüber "denen da oben" in der Politik. Es brauche ausreichend finanzielle Entlastungen, um auch in der Mitte der Gesellschaft das Vertrauen in den Staat zu erhalten.

"The Länd ist nett, ist aber nur Show"

Von der Image-Kampagne  "The Länd" der Landesregierung hält Binder gar nichts. "Das ist nur Show", sagt er. "2030 werden uns 300 000 Fachkräfte fehlen – da helfen keine Jutebeutel oder Socken als Werbung", kritisiert er die Maßnahmen mit einem Jahresetat von 21 Millionen Euro. Sinnvoller sei, Studiengebühren für Nicht-EU-Studierende abzuschaffen, sagt Binder.

Der Genosse

 Zur Person

 Sascha Binder (39, Geislingen/Steige) ist Landtagsabgeordneter und Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg sowie Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD Landtagsfraktion in Stuttgart. 

 Seine Garderobe

Binder kommt zum Gespräch mit Sakko und weißen Turnschuhen. Interessant, weil er jüngst über CDU-Fraktionschef Manuel Hagel und dessen Lackschuhe und Anzüge spottete, die "noch keine moderne CDU" machen würden.