Zwei Justizvollzugsbeamte bringen Murat K. (Mitte) in den Gerichtssaal. Foto: Günther

Hat der 36-jährige Angeklagte am 8. Februar im Gewerbegebiet von Sulz versucht, eine Polizistin mit hohem Tempo zu überfahren? Diese Frage versucht die 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht Rottweil seit heute zu klären.

Kreis Rottweil - Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der psychisch Erkrankte zur Tatzeit nicht schuldfähig war, hält ihn für allgemeingefährlich – und fordert seine Unterbringung in der Psychiatrie.

Das Strafverfahren gegen den 36-jährigen Angeklagten aus dem Kreis Freudenstadt wurde am Mittwoch eröffnet. Insgesamt hat das Landgericht Rottweil fünf Verhandlungstage angesetzt, an denen 15 Zeugen und zwei Sachverständige gehört werden sollen. Das Urteil ergeht voraussichtlich am 12. August.

Lange Liste an Vorwürfen

Die Liste der Straftaten, die dem Angeklagten vorgeworfen werden, ist lang: Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, verbotenes Kraftfahrzeugrennen, Urkundenfälschung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Am schwersten wiegt jedoch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Mord.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft liest sich die Kette der Ereignisse von Anfang Februar wie folgt: Der Angeklagte, der keinen Führerschein besitzt, stahl demnach am 6. Februar einen Ford Fiesta. Mit diesem wurde er tags darauf von der Polizei erwischt, als er sich auf einer Wiese festgefahren hatte. Das Fahrzeug wurde sichergestellt, der mutmaßliche Täter später jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. Daraufhin stahl er in Walldorf einen VW T-Roc und montierte an diesem gestohlene Kennzeichen. Als er auf dem Lindenhof bei Oberndorf in eine Verkehrskontrolle geriet, flüchtete er mit dem VW über Oberndorf und Aistaig in hohem Tempo nach Sulz, gefährdete andere Verkehrsteilnehmer und rammte ein Polizeiauto mit Insassen. Um ihn zu stoppen, hielt eine Polizistin ihren Wagen im Gewerbegebiet Sulz auf der Straße und wollte den Angeklagten mit Handzeichen zum Anhalten bringen. Er sei jedoch mit hohem Tempo auf sie zugefahren, sie sei beinahe von seinem Fahrzeug erfasst worden. Der 36-Jährige konnte erst gestoppt und festgenommen werden, als er anschließend in eine Sackgasse fuhr. Er ist seither in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht.

Angeklagter bestätigt Ablauf weitgehend

An diesem Ablauf bestehen wenig Zweifel. Der Angeklagte, der auf die Fragen des vorsitzenden Richters Karlheinz Münzer ernsthaft, sachlich und gefasst antwortete, bestätigte den dargestellten Hergang in seiner Aussage weitgehend. Den Vorwurf des versuchten Mordes an der Polizistin wies er jedoch zurück. Er habe nur das Polizeiauto gesehen und dass es für sein Fahrzeug auf der Straße sehr wenig Platz zum Vorbeifahren ließ. Die Beamtin habe er erst wahrgenommen, als er nur noch zehn bis 15 Meter von ihr entfernt gewesen sei. Er sei mit Tempo 40 gefahren und habe nicht bremsen wollen, um nicht ins Schleudern zu kommen.

Die Polizistin dagegen schätzte im Gerichtssaal das Tempo, mit dem der Angeklagte auf sie zukam, auf 60 bis 70 Stundenkilometer. Sie habe auf der Fahrerseite neben dem Polizeiwagen gestanden, berichtete sie. Der 36-Jährige sei mit nur zehn bis 15 Zentimetern Abstand an ihr vorbeigefahren.

Von Richter Münzer nach den psychischen Folgen befragt, berichtete sie, dass sie sich für einige Zeit krank melden und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen musste. "Als wir die Ereignisse rekonstruierten, habe ich erst gemerkt, wie knapp das war." Ein Kollege von ihr bestätigt als Zeuge: "Hätte sie nur eine Handbreit weiter vom Auto entfernt gestanden, es hätte sie erwischt."

Unterbringung in psychiatrischer Einrichtung gefordert

Staatsanwältin Sama Martina hält daher den Vorwurf des versuchten Mordes für gerechtfertigt. Gegenüber unserer Redaktion erläuterte sie, warum: "Bei Mord denkt man landläufig immer zuerst an Heimtücke, Habgier oder niedrige Beweggründe", sagte sie. "Aber laut Paragraph 211 ist eben auch der ein Mörder, der durch die Tötung eines Menschen eine Straftat zu verdecken versucht." Das treffe auf den Beschuldigten zu.

Der Verteidiger des Angeklagten, Wolfgang Burkhardt, kann keinen Mordversuch erkennen. Einig ist er sich jedoch mit der Staatsanwältin, dass die Unterbringung des Beschuldigten in einer psychiatrischen Einrichtung das Beste für ihn und für die Gesellschaft sei.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.