Eine Person spricht einem beim Einkaufen an, sie hat eine Frage. Freundlicherweise hilft man ihr weiter. An der Kasse dann ein böses Erwachen: Der Geldbeutel ist weg. Ein Komplize oder eine Komplizin des angeblich Hilfesuchenden hatte ihn während der Ablenkung aus der unbeaufsichtigten Tasche im Einkaufswagen gestohlen.
Diese Diebstähle passieren immer wieder, häufig auch im Südwesten Deutschlands. Mitte Juni sind gleich drei Frauen in drei verschiedenen Einkaufsmärkten an einem Vormittag Opfer von Dieben geworden. Auch in diesen Fällen lenkte eine Person die Frauen ab, während der Komplize den Geldbeutel stahl.
Wir haben bei den Polizeipräsidien in der Region nachgefragt, wie man sich gegen die Täter und ihre Maschen schützen kann.
Die Maschen der Diebe
Die Betrüger und Betrügerinnen lenken ihre Opfer in der Regel ab, zum Beispiel durch Anrempeln im Gedränge, harmlos klingende Nachfragen oder mit der Bitte um Hilfe. Komplizen nutzen diesen Moment aus und greifen in Handtaschen, den Einkaufswagen oder in die Jackentasche. "Es gibt auch Fälle, wie zum Beispiel beim Einladen des Autos nach dem Einkauf: Während ein Täter nach dem Weg fragt, räumt der andere ungeniert das Auto wieder aus", berichtet Uwe Vincon vom Polizeipräsidium Konstanz, in dessen Zuständigkeitsbereich die Landkreise Rottweil und Schwarzwald-Baar fallen.
Vincon rät Kundinnen und Kunden, beim Einkaufen stets die Umgebung im Blick zu behalten oder sich, soweit möglich, vor eine Wand oder ein Regal zu stellen, um nicht von hinten bestohlen zu werden. "Wer eine zweite Person in einer unangenehmen Situation hinzuruft, hat bessere Chancen", sagt er.
Michael Wenz vom Polizeipräsidium Pforzheim, in dessen Zuständigkeitsbereich die Kreise Freudenstadt, Calw und Enzkreis gehören, zählt noch mehr Maschen auf: "Beispielsweise wird auf einer Rolltreppe ein Stau erzeugt. Während alle nach vorne schauen, um den Grund hierfür mitzubekommen, greifen Komplizen von hinten in die Tasche des Opfers."
Diebe zeigen sich oftmals auch erst hilfsbereit oder nett, stecken einem zum Beispiel eine Blume an. "Das Opfer ist verdutzt über das Geschenk und im Gegenzug wird auch aufgrund der Nähe zum Beispiel der Geldbeutel entwendet", erklärt Wenz. Eine andere Masche ist, wenn jemand einem beim Tragen der Einkäufe in die Wohnung helfen möchte. "Während das Opfer nicht so schnell hinterherkommt, entnimmt der Täter möglicherweise den Geldbeutel aus der Einkaufstasche, stellt diese danach vor der Wohnungstür ab und verabschiedet sich", berichtet der Sprecher des Präsidiums Pforzheim.
Senioren als Opfer
Die verschiedenen Tricks zeigen: Menschen sollten nicht nur im großen Gedränge - in Zug und Bahn, auf Veranstaltungen, in Freizeitparks oder beim Bummeln in der Großstadt - besonders auf ihre Wertgegenstände aufpassen. Auch beim Einkauf ist stets Vorsicht geboten. "Eine Handtasche in einem Einkaufswagen ist zum Beispiel für jeden Dieb immer eine Verlockung. Viele Ältere legen sogar den Geldbeutel auf das Warenband, wenn sie an der Kasse sind. Das kann am Ende verhängnisvoll werden", erklärt Vincon.
Der Spruch "Gelegenheit macht Diebe" sei hier sehr passend, so Michael Schaal vom Polizeipräsidium Reutlingen, das auch für den Zollernalbkreis und die Stadt Rottenburg zuständig ist. "Man dreht sich zu einem Regal um oder sucht dort etwas und schon ist die Tasche unbeaufsichtigt."
Dass vor allem ältere Menschen Opfer von diesen Maschen werden, ist keine Seltenheit. Bei den bereits erwähnten Diebstählen Mitte Juni waren die Bestohlenen zwischen 71 und 88 Jahre alt. Bei Senioren rechnen die Diebe laut Vincon mit einer eingeschränkten Reaktionsfähigkeit oder hoffen darauf, dass sie bei ihrer Tat nicht bemerkt werden. Schaal vom Polizeipräsidium Reutlingen fügt allerdings hinzu, dass Personen aller Alterssichten Opfer von Dieben wurden. Senioren und Seniorinnen seien dabei nicht überrepräsentiert, ergab eine Auswertung.
Wie schützt man sich vor den Tricks der Diebe?
Der Geldbeutel und andere Wertgegenstände sollten stets am Körper getragen werden, am besten in einer innenliegenden, verschlossenen Jackentasche. "So fällt es am ehesten auf, wenn man zum Beispiel angesprochen oder angerempelt wird und dabei die Diebe zulangen. Verschlossene Innentaschen machen es den Dieben zudem schwerer", erklärt der Sprecher aus Konstanz.
Hand- und Umhängetaschen sollten verschlossen auf der Körperseite getragen werden, oder unter dem Arm geklemmt werden, rät das Polizeipräsidium Pforzheim. Sicherer als Handtaschen sind Brustbeutel, Gürtelinnentasche, Geldgürtel oder eine am Gürtel angekettete Geldbeutel. Die Börse sollte nicht oben auf der Einkaufstasche oder im Einkaufswagen platziert werden. Taschen sollten nie unbeaufsichtigt abgestellt werden. "Auffällig kann sein, dass Personen eher auf etwaige Beute schauen und den direkten Blickkontakt zu potenziellen Opfern meiden", sagt Wenz vom Präsidium Pforzheim.
Die Polizei gibt außerdem den Tipp, möglichst wenig Bargeld mit sich zu führen und lieber mit Karte zu bezahlen. Dabei sollte die EC-Karte nicht gleichzeitig mit dem dazu gehörigen PIN-Code aufbewahrt werden.
Was tun, wenn man bestohlen wurde?
Wurde man während des Einkaufs bestohlen, sollte man sofort das Personal des Supermarkts verständigen, da der oder die Täter noch im Geschäft sein könnten. Dann die Polizei per Notruf informieren. Wurde eine Geldbörse mit Karten gestohlen, sollte sofort das Geldinstitut informiert werden, damit es nicht zu Betrugsfällen kommt. Die Notrufnummer, um die Bankkarten sperren zu lassen, lautet 166166. Hat der Dieb auch das Handy mitgenommen, sollte auch die Mobilfunkkarte sofort gesperrt werden.
Bemerkt man einen Diebstahl, sollte man nicht eingreifen und den Täter festhalten. "Das ist risikobehaftet, weil man ja nie weiß, wie ein ertappter Dieb reagiert", so Vincon. Die Polizei rät deshalb dazu, laut auf die Tat beziehungsweise den oder die Täter aufmerksam zu machen, über Notruf die Polizei zu verständigen und sich eine möglichst gute Personenbeschreibung zu merken. "Man sollte sich aber auf keinen Fall in Gefahr begeben", betont sein Kollege Schaal.
Niedrige Aufklärungsquote
Obwohl in der Region immer wieder Diebstähle in Supermärkten angezeigt und veröffentlicht werden, ist die Anzahl im Vergleich zu Hotspots in Großstädten gering. Im Kreis Calw wurden beispielsweise 2021 zwei Fälle und im Kreis Freudenstadt vier Fälle von Taschendiebstahl erfasst. Die Anzahl umfasst allerdings alle Taschendiebstähle, nicht nur im Supermarkt.
Im Zollernalbkreis waren es laut Schaal 2019 zwölf angezeigte Diebstähle von Geldbörsen aus unbeaufsichtigten Körben oder Einkaufstaschen. 2020 waren es 13 Fälle, vergangenes Jahr zehn.
Die Aufklärungsquote ist niedrig, bundesweit lag sie 2021 bei 6,3 Prozent. "Nur in wenigen Fällen ist es möglich, die gestohlene Geldbörse wieder zu bekommen. Oft ist entscheidend, wie schnell der Diebstahl bemerkt wurde", erklärt Vincon. Von den insgesamt 35 Fällen im Zollernalbkreis zum Beispiel ließen sich nur drei aufklären.