Das künftige Wohngebiet Oberer Brühl hat eine interessante Vorgeschichte – hier war ein Gefangenenlager – die Grundzüge werden jetzt bei Grabungen wieder sichtbar. Foto: Zimmermann

Das künftige innenstadtnahe Wohngebiet Oberer Brühl hatte schon vor seinem Dasein als französische Garnison eine Vornutzung, die jetzt archäologisch erforscht und dokumentiert wird – dort war ein Gefangenenlager.

Villingen-Schwenningen - Nachdem das Gelände in den 1930er Jahren der Bevölkerung als Messe- und Festplatz gedient hatte, wurde es 1939 vom Militär beschlagnahmt in erster Linie zur Unterbringung von Kriegsgefangenen.

Anfang 1940 entschied die Wehrmacht, in Villingen ein Kriegsgefangenen-Mannschaftslager sowie die Kommandantur für die "Filialen" im Wehrkreis VB anzusiedeln, als Stalag VB (Stammlager Vb), wie es im Volksmund auch hieß. Bis 1945 dürften rund 30 000 Gefangene aller europäischer Nationalitäten durch das Lager gegangen sein, ständig besetzt war das Lager mit rund 4000 Personen.

Ein Glücksfall für Historiker

Die Strukturen des Lagers wurden im Vorfeld geophysikalisch erfasst. Es gibt durchaus auch Pläne, die jedoch bei weitem nicht so detailliert sind, wie man es aus heutiger Sicht gewöhnt ist, war von Bertram Jaenisch und Jörg Bofinger vom Landesdenkmalamt sowie Ute Schulze vom Stadtarchiv zu erfahren.

Wie die Strukturen wirklich aussehen, erfährt man nur durch Grabung, erklärte Christoph Kutz von der beauftragten Firma AAB Archäologie (Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung). Es sei ein Glücksfall, dass man ein so großes und vollständiges Gelände von rund 40 000 Quadratmetern hat, bei kleinen Parzellen könnte man so nicht forschen.

Es muss nicht bis unter die Grundmauern abgegraben werden und mit den heutigen technischen und digitalen Methoden geht es auch in relativ schneller Zeit. Der erste Grabungsabschnitt war von 16. Mai bis 15. Juli und der zweite Abschnitt begann am 22. August und wird Ende September beendet sein. Das Lager wurde in einer Art Baukastenprinzip aufgebaut, nicht nur in Villingen, sondern reichsweit.

Fundstücke erzählen vom Gefangenenalltag

Abwassergräben und Zuleitungen sind in keinem Plan. Die Baracken waren acht mal 40 Meter lang und innen aufgeteilt. Begonnen mit den Grabungen wurde mit dem sogenannten Vorlager, wo die Gefangen ankamen, sowie dem Sanitär- und Latrinenbereich. Letzterer wurde von den Franzosen weitgehend nicht demontiert, sondern übernommen und angepasst, vorhandene Abwasserstrukturen genutzt. Gegraben wird auch im Arrestbereich und noch anstehend ist der Küchenbereich. Dieser befindet sich direkt unterhalb der Richthofenstraße.

Fundstücke sind sehr spärlich, das Lager wurde 1945 quasi besenrein verlassen. Lediglich im Sanitärbereich jede Menge Zahnbürsten, Fensterglasscherben aus einem Verwaltungstrakt, ansonsten wenige Uniformknöpfe, Rinderknochen, ein aus einer Konservendose hergestelltes Essgeschirr, das so klein ist, dass man daraus auf die geringen Essensrationen schließen kann; Am 21. April 1945 wurde das Lager an die Franzosen übergeben und als Camp Militaire zur Unterbringung der ehemaligen Bewacher und Verwalter des Lagers sowie weiterer deutscher Soldaten und Zivilpersonen benutzt.

Später wurden Displaced Persons (in erster Linie all jene ausländischen Zivilpersonen, die sich durch Kriegseinwirkung an Orten außerhalb ihrer Heimat aufhielten) untergebracht, danach deutsche Flüchtlinge noch bis Anfang der 1950er Jahre.

Abriss soll im November starten

Eine genaue Datierung der Räumung ist mangels Quellen nicht möglich. Ende November wird mit den Abrissarbeiten auf dem Gelände begonnen. Zuvor soll es einen Tag des Offenen Denkmals geben, zu dem die Bevölkerung eingeladen ist. Ute Schulze vom Stadtarchiv regt die Erstellung einer Info-Stele an, das die Geschichte dieses Bezirks dokumentiert. wenn das Wohngebiet fertiggestellt ist. Der zeitliche Abstand von 100 Jahren ist nicht so groß. Es gibt heutzutage noch einige lebende Zeitzeugen darüber. Sie bekommt noch regelmäßig zahlreiche Anfragen von Angehörigen der Kriegsgefangenen nach Unterlagen.