So soll das Gesundheitszentrum aussehen, das die Benevit-Gruppe in Meßstetten baut. Aktuelle Kostenschätzung: rund 17 Millionen Euro. Foto: Link Architekten

Seit fünf Jahren bemüht sich die Stadt, ein Ärztehaus nach Meßstetten zu holen. Mit der Benevit-Gruppe hat sie einen verlässlichen Partner. Geschäftsführer Kaspar Pfister hat den Planungsstand des Gesundheitszentrums mit "stambulanter" Pflege den Bürgern vorgestellt.

Meßstetten - "Stambulant" ist ein Begriff, den Kaspar Pfister und seine Benevit-Gruppe mit Sitz in Mössingen nicht nur kreiert, sondern mit Leben gefüllt haben. Das Gesundheitszentrum, das in der Hossinger Straße in Meßstetten gebaut wird, soll genau diesem Konzept folgen. Die Pflege und Betreuung der Menschen im Seniorenheim erfolgt stambulant – in einer Symbiose aus ambulanter und stationärer Pflege. Wie genau das für den jeweiligen Bewohner aussehen wird, entscheidet dieser gemeinsam mit seinen Angehörigen, die sich – je nach gewünschtem Anteil – in die Pflege einbringen können.

 

Mehr als nur ein Ärztehaus

Seit fünf Jahren forciert die Stadt Meßstetten, ein Ärztehaus in die Stadt zu holen – denn die medizinische Versorgung sehe aktuell und mit Blick auf die Zukunft nicht rosig aus. 2017 fand Bürgermeister Frank Schroft in Kaspar Pfister, mit dem er seinen Heimatort Burladingen teilt, einen Partner und schnell war klar, dass in Meßstetten mehr als nur ein Ärztehaus entstehen soll. Für das Projekt kaufte die Stadt im Januar 2019 eine Fläche von 6300 Quadratmetern, wo einst das Postgebäude stand, welche sie mittels eines Erbbauvertrags der Benevit-Gruppe überlässt.

Geplant ist ein Pflegeheim, das dem "stambulanten" Konzept folgt: In vier Hausgemeinschaften mit je 14 Bewohnern plus neun barrierefreie Wohnungen im Dachgeschoss. Im Gebäude werden vier Arztpraxen entstehen, für zwei davon gibt es laut Pfister bereits ernsthafte Interessenten. Gespräche mit ortsansässigen Ärzten wurde geführt, auch Facharztpraxen seien ausdrücklich erwünscht. Zudem werde eine Apotheke in das Gebäude einziehen.

Sozialstation, Tagespflege und Kinderbetreuung

Im Oktober 2021 gab der Gemeinderat Meßstetten grünes Licht für die Anmietung von Flächen für die Sozialstation inklusive Tagespflege. Zudem werde ein Raum für die Kinderbetreuung der Stadt bei der Planung berücksichtigt. Die Mietkonditionen dafür müssten freilich noch verhandelt werden.

Zum aktuellen Stand sagte Pfister, dass die Baupläne von Architekt Thomas Link derzeit bei der Unteren Baubehörde des Landratsamtes Zollernalbkreis zur Prüfung liegen. Mit einem Ergebnis rechne er im Laufe des Sommers.

Der Baubeginn verzögere sich derweil – coronageschuldet. Pfister terminierte den ersten Spatenstich auf Frühjahr 2023. Ganz unrecht schien ihm das nicht zu sein. Angesichts der aktuellen Kostenprognose von 17 Millionen Euro – ursprünglich rechnete man mit zehn Millionen – hofft Pfister auf eine Entspannung des Marktes im kommenden Jahr. Die Bauzeit betrage dann rund 1,5 Jahre, sodass Ende 2024 die ersten Bewohner einziehen könnten.

"Das klassische Pflegeheim ist ein Auslaufmodell"

Pfister betonte, dass das Projekt nicht das von Benevit sei, sondern ein gemeinsames mit der Stadt Meßstetten für Meßstetten. Der Geschäftsführer stellte den rund 70 Besuchern am Donnerstagabend in der Turn- und Festhalle die Philosophie seines Unternehmens vor und sagt ganz klar: "Das klassische Pflegeheim ist meiner Ansicht nach ein Auslaufmodell".

Dennoch würden Pflegeeinrichtungen weiterhin gebraucht, aber "familiär, wohnortnah, bezahlbar und keinesfalls ein ›Minikrankenhaus‹", betont Pfister. Daher ähnelten die Benevit-Einrichtungen – dazu zählt unter anderem auch das Haus am Raichberg in Onstmettingen – optisch mehr großen Wohnanlagen als Pflegeeinrichtungen.

Die Bewohner leben in Wohngemeinschaften und bringen sich – je nach eigenem Wunsch und eigenen Fähigkeiten – in das alltägliche Leben mit ein. Beim Kochen, Wäschemachen, handwerkliche Arbeiten. Daher gebe es auch keine Mensa, wenn die Bewohner gemeinsam mit den Betreuern in jeder Wohngemeinschaft separat kochen und den Speiseplan bestimmen. Pfister glaubt an sein Konzept: Durch die Verbindung von therapeutischen Ansätzen und Alltagsarbeiten konnten einige Bewohner anderer Einrichtungen, die dem "stambulanten" Konzept folgen – wesentliche Verbesserungen erfahren und im Pflegegrad sogar zurückgestuft werden. "Die Bewohner erhalten sich so ihre Autonomie und blühen regelrecht auf", schwärmte Pfister.

Bis zu 1000 Euro monatlich sparen

Ein weiterer Vorteil seines Konzeptes: Angehörige können selbst bestimmen, in wie weit sie sich in die Pflege einbringen. Durch die Übernahme einzelner Tätigkeiten – von Wäschewaschen bis Medikamentenverabreichung – reduziere sich auch der Eigenanteil um bis zu 1000 Euro monatlich. Insgesamt entstehen in der Pflegeeinrichtung 50 neue Arbeitsplätze.

Im Gesundheitszentrum sind künftig wesentliche Pfeiler der Daseinsvorsorge unter einem Dach, die laut Pfister voneinander profitieren können. "Kinderbetreuung und Seniorenpflege unter einem Dach – da profitieren alle", ist sich Pfister sicher.

Nach so umfangreichen Ausführungen war es kaum verwunderlich, dass aus den Reihen des Publikums nur wenige Fragen kamen – und diese bezogen sich weitestgehend auf Kooperationen. Ob sich Vereine einbringen können? – Ja, gerne. Und müssen Ärzte Verträge abschließen? – Muss nicht, aber kann. Die Bewohner hätten freie Arztwahl. Aber die Symbiose könne ja nur ein Gewinn sein – eine Konkurrenzsituation müsse niemand befürchten. Dafür sehe die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum derzeit schlichtweg zu mau aus.

Da in Meßstetten mit der "stammbulanten Pflegeeinrichtung" ein Novum entsteht, das an anderen Standorten als Pilotprojekt erprobt wird, braucht es aber noch eine Gesetzesänderung der sozialen Pflegeversicherung. Erst wenn die Zustimmung des Bundestags vorliegt – und davon geht Kaspar Pfister aus, denn viele Verbände befürworten die stambulante Pflege – könne final gestartet werden. Eine Initiative von 22 Bürgermeistern – darunter Frank Schroft aus Meßstetten – kämpft dafür.