Der Staatsanwalt erklärt, warum der Verdächtige nicht in Haft bleibt – obwohl dieser ursprünglich mutmaßlich töten wollte. (Symbolbild) Foto: Brian Jackson – stock.adobe.com

Ein 26-Jähriger soll am Dienstag versucht haben, einen 47-Jährigen in Calw mit einem Messer zu töten – dennoch wird weder wegen Mordes, noch wegen Totschlags ermittelt. Wie kann das sein? Die Staatsanwaltschaft gibt dazu Auskunft.

Calw - Die Schilderung der Tat wirkt erschütternd. "Überfallartig" soll ein 26-jähriger Mann am Dienstagmorgen gegen 6 Uhr einen 47-Jährigen auf einem Parkplatz in der Langen Steige in Calw mit einem Messer angegriffen haben.

Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Tübingen und des Polizeipräsidiums Pforzheim hervor. Nach derzeitigem Stand gehen die Ermittler davon aus, dass der Verdächtige zunächst die Absicht gehabt habe, sein Opfer zu töten.

Unmittelbar nach der Attacke, bei der der 47-Jährige verletzt wurde, sei der mutmaßliche Täter geflohen. Gegen 10 Uhr, so heißt es in der Mitteilung weiter, nahm die Kriminalpolizei den Mann vorläufig fest.  Der 26-Jährige machte bislang keine Angaben zur Sache. Die Ermittlungen, insbesondere auch zum Tatmotiv, dauern an.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Tübingen wurde der Verdächtige am Mittwoch dem Haftrichter vorgeführt, der den Haftbefehl allerdings gegen Auflagen außer Vollzug setzte.

Welcher Vorwurf steht im Raum?

Ermittelt wird derzeit indes, trotz der mutmaßlichen Tötungsabsicht, nicht wegen Mordes oder Totschlags. Sondern wegen gefährlicher Körperverletzung. Das berichtet Nicolaus Wegele, Erster Staatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Tübingen, auf Anfrage unserer Redaktion. Doch weshalb? Wegele erklärt es so: Gegenwärtig gehe man davon aus, dass der Angriff mit dem Messer zwar zunächst in Tötungsabsicht  erfolgt sei. Der Verdächtige sei dann allerdings von der Tat zurückgetreten. Vereinfacht gesagt: Wenn jemand eine angefangene Tat nicht weiterverfolgt, sondern freiwillig abbricht, obwohl er die Möglichkeit hätte, diese zu begehen, dann bleibt gewissermaßen die tatsächlich begangene Tat übrig. In diesem Fall also die gefährliche Körperverletzung, wegen der ermittelt wird. Das Opfer, so Wegele, sei verletzt worden, habe aber keine schwersten Verletzungen davongetragen.

Warum ist der Verdächtige auf freiem Fuß?

Dass der Verdächtige vorläufig freigekommen ist, wirkt für juristische Laien indes trotz allem, gelinde gesagt, irritierend. Um einen Haftbefehl aufrecht zu erhalten, so Staatsanwalt Wegele, müssten jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Einerseits müsse die Straftat schwer genug sein, andererseits müssten Haftgründe vorliegen – also beispielsweise die Gefahr gegeben sein, dass der Verdächtige, wenn er auf freien Fuß gesetzt wird, flieht. Beides scheint nicht gegeben zu sein.

Besteht Gefahr für die Allgemeinheit?

Vieles liegt bei diesem Fall also offenbar noch im Dunkeln. Selbst auf die Frage, ob die beiden Männer sich kannten,  gab es zunächst keine Antwort vonseiten der Staatsanwaltschaft. Nur eines bekräftigte Wegele: Dass für die Allgemeinheit keine Gefahr durch den Verdächtigen bestehe. "Davon können Sie ausgehen", sagte der Staatsanwalt im Gespräch – andernfalls wäre der Verdächtige in Haft geblieben.

Wo können Zeugen sich melden?

Grundsätzlich, so erklärte der Staatsanwalt, stehe die Polizei noch am Anfang der Ermittlungen. Darum sucht die  Kriminalinspektion Calw nun auch dringend  Zeugen der Tat. Diese werden gebeten, sich unter der Telefonnummer 07231/1 86 44 44 beim Kriminaldauerdienst in Pforzheim zu melden.