Wenn der OB wollte, dürfte er morgen sofort bei der Nagolder Möbelmanufaktur Rolf Benz anfangen. Wie man einen Beschlag an einen Ledergurt setzt, klappte bei ihm auf jeden Fall mit dem ersten Schlag. Foto: Axel Kunert

Die Top-Job-Messe kann nicht nur Jürgen Großmann begeistern. Rund 90 Aussteller buhlen um die immer rareren Auszubildenden. In der Not bekommen – ganz ernsthaft – auch ältere Semester noch einen Lehrvertrag angeboten.

„Top Job“ - Thema ist hier natürlich erst einmal die in ihren Dimensionen ziemlich beeindruckende Ausbildung- und Studienmesse in, rund um und sogar unter der Stadthalle; letzteres meint auf dem unteren Tiefgaragen-Parkdeck des Parkhauses Nord. Samstagmorgen und -mittag war dort schier die Hölle los. Rund 90 Aussteller lockten.

Mit diesem Mega-Event gib die Stadt Nagold auch als Messe-Standort insgesamt eine ziemlich bemerkenswerte Visitenkarte ab. Üppige Präsentationsflächen. Weite Räume, breite Wege, viel Platz für Repräsentation und Selbstdarstellung der Unternehmen – in diesem speziellen Fall, um Nachwuchs in den diversesten Berufen auf sich aufmerksam zu machen.

570 unbesetzte Ausbildungsplätze

„Auf ein Bewerber kommen aktuell zwei offene Stellen“, erläutert am Rande des offiziellen Messe-Rundgangs mit Oberbürgermeister Jürgen Großmann die Chefin der Arbeitsagentur „Nagold Pforzheim“. Lehmann redet Klartext: Es gibt nicht nur zu wenig Bewerber für die insgesamt rund 1000 Ausbildungsplätze in der Region. Rund 570 davon sind im Moment unbesetzt.

Denn diesmal konnte ihre Agentur selbst am eigenen Stand in der Nagolder Stadthalle „den roten Teppich“ für die künftigen Azubis nicht ausrollen. Dafür wären einfach keine Mittel mehr vorhanden, ihr Amt habe die vergangenen Monate einfach „zu viel Kurzarbeitergeld ausbezahlt“. Rund 360 Millionen Euro.

Nach dieser Zahl hat man ’nen Klos im Hals. Klar, es war Corona. Ganze Wirtschaftsbereiche im Krisenmodus. Irgendwie hatte man das bereits wieder vergessen. Weil schon längst ganz andere Krisen durchs Land, durch die Gesellschaft fegen. Ukrainekrieg. Energiepreisexplosion.

Thema Fachkräftemangel

Und eben – an diesem Ort, hier in Nagold an diesem Vormittag besonders sichtbar – der Fachkräftemangel. Der muss wirklich verheerend sein. Wenn der OB nicht OB wäre – bei Rolf Benz, Nagolds Nobel-Möbelmanufaktur, würde man ihm sofort ’ne Ausbildung anbieten. Kein Scherz. Mit 40, 50 noch mal in die Lehre? Da können noch 15, 20 - bis zu 25 Jahre im neuen Beruf drin sein. Das lohnt sich. Da sind die Unternehmen nicht mehr wirklich wählerisch.

Zumal der Arbeitseifer der aktuellen Azubi-Genration - und der Generationen, die danach kommen – eine so ganz andere ist als die früherer Generationen. Die „Work-Life-Balance“ schwingt da heute deutlich mehr in Richtung „Life“.

Der OB sammelt fleißig Werbegeschenke

Dem Spaß am Leben. Was man irgendwie beim Rundgang mit dem OB auch diesem anmerkt. Eifrig sammelt der Profi-Schultes wie ein Schulkind Werbegeschenke an den Ständen der Aussteller ein. Beim Landkreis Calw gab’s gar ne Thermotasche für die ganzen Give-aways. „Die werde ich behalten“, freut sich der OB. Der gesammelte Inhalt, „der geht an die Nachbarskinder“ daheim in Wart, wo Großmann selbst zuhause ist. „Die warten schon immer, wenn ich nach Hause komme, ob ich ihnen etwas mitbringe.“ Möglicher Wahlkampf kann das ja eigentlich nicht sein, überlegt man reflexartig. Wahrscheinlich ist das einfach Nettigkeit.

Wobei der OB irgendwie wirklich richtig gute Laune heute hat. Vielleicht tatsächlich, weil diese Top-Job-Messe wirklich top, wirklich gigantisch ist. Und weil er solange so hart um das untere Parkdeck des Parkhauses Nord in Gemeinderat und allen Gremien gekämpft hat.

OB: „eine wirklich tolle Location“

Ein Kampf, der sich wohl gelohnt hat. „Ist das nicht ’ne wirklich tolle Location!?“, sagt der Schultes, schon ein wenig freudentrunken, als er mit seinem Rundgang in diesem besonderen Tiefgeschoss ankommt. „Vielleicht sollten wir hier mal ’ne wirklich große Party feiern?“ Mit Dancefloors, Fressständen der Vereine. Einfach das Leben und „diese geile Stadt“ genießen. Man sieht förmlich, wie sich der OB eine Gedankennotiz dazu macht.

Und dann ist er auch schon am nächsten Stand, räumt wieder Bonbons, Anspitzer und Kugelschreiber ab. Lässt seinen Wirtschaftsförderer reichlich Selfies mit dem Smartphone machen, immer als spontane Gruppenfotos mit den Standbesatzungen.