Jochen Grau (rechts) schätzt die Lage ein. Am Stamm sieht man oben im Foto eine sogenannte Schwalbe. Foto: (Archivfoto) Klingler

Mit purer Muskelkraft und dem Einsatz von Schwalben wurde in Hechingen ein Narrenbaum in die Höhe gehievt. Jochen Grau führt dabei das Kommando. Im Interview erklärt er die Aktion.

Hechingen - 19 Meter ist der Narrenbaum diesmal lang. Gewicht? Deutlich über 500 Kilo. Jochen Grau erklärt, um was es beim Baumstellen geht.

Herr Grau, wie kann man mit purer Muskelkraft einen Hunderte Kilo schweren Baum in die Senkrechte stellen?

Im Prinzip ist das eine uralte Zimmermannstechnik, mit der man Balken aufgestellt hat, als es für so etwas noch keine Kräne gab. Man benutzt mehrere sogenannte Schwalben, das sind zwei Stangen, die oben durch eine Kette verbunden sind. Man kann die so beweglich am Stamm festsetzen. An jeder Stange sind mehrere Männer im Einsatz, und dann muss man echt hinlangen, um den Stamm in vielen kleinen Abschnitten in kleinen Schüben anzuheben.

Und »Muckis« reichen aus?

Kraft ist natürlich eine Voraussetzung, aber man braucht auch eine gewisse Geschicklichkeit und muss wissen, wie man mit anderen zusammen schaffen kann. Unsere Gruppe, die Narrengilde, besteht überwiegend aus Zimmerleuten, dazu Maurer und Schreiner. In den Berufen ist man in der Regel gut trainiert und kann schwere Lasten einschätzen. Das Baumstellen passt auch zum Selbstverständnis unserer Berufsgruppe.

Neben Kraft und Geschicklichkeit braucht es aber auch Köpfchen, da muss wirklich jeder alle Sinne beisammen haben. Ich gebe die Kommandos, Roland Bauer steht am Loch, und man muss sich unbedingt aufeinander verlassen können.

Wir sind immer auch erleichtert, wenn der Baum in seiner Hülse steht. Wenn das geklappt hat, kommt noch Martin Klotzbücher ins Spiel, der unser Richtspruchmeister ist.

Woher kommt die Tradition des Baumstellens?

Von meinen Schwiegerleuten weiß ich, dass die Narrhalla schon in den 50er-Jahren Narrenbäume gestellt hat, allerdings nur zu besonderen Anlässen. Das geriet dann eine Zeit lang in Vergessenheit und wurde von uns Zollerhexen 1990 wiederbelebt. Die Gruppe hat sich dann auch Leuten außerhalb der Zunft geöffnet und nennt sich seither Narrengilde. Erst haben wir den Baum am Auseliga gestellt, später dann am Dreikönigstag. Gegen diesen Termin gab es übrigens damals einige Proteste.

Wieso denn das?

Dreikönig ist ein kirchlicher Feiertag, und manche fanden es unpassend, an so einem Tag eine Fasnetveranstaltung zu machen. Aber das Narrenbaumstellen an diesem Tag hat eine lange Fasnetsradition, wie wir von Fasnet-Experten wissen. Es gibt Belege, dass schon im 17. Jahrhundert an Dreikönig Fasnetbäume gestellt wurden. Und Dreikönig ist auch traditionell der Auftakt der hiesigen Fasnet. Das unterscheidet sie ja auch vom Karneval, der bekanntlich am 11. November beginnt.

Dürfen nur Hechinger Narrengildemitglieder den Baum stellen?

Nein. Seit langer Zeit haben wir eine enge Partnerschaft mit einer Geislinger Gruppe. Und wir sind dann in Geislingen dabei, wenn die ihren Baum stellen. Das verbindet uns enorm, es sind daraus richtige enge Freundschaften entstanden. Wir bieten dem Narrenfreundschaftsring auch immer an, dass wir gemeinsam mit den Geislingern bei Ringtreffen den Baum stellen.

Wo kommt der Hechinger Narrenbaum eigentlich her?

Den Baum dürfen wir aus dem Hechinger Stadtwald holen. Das passiert immer zwischen den Jahren, in diesem Jahr war es am 29. Dezember. Schon da ist übrigens viel Muskelkraft gefordert, um den Baum auf den Spezialanhänger zu kriegen. Wir waren diesmal 13 Mann, einige habe extra dafür Urlaub genommen.

Das spricht für einen guten Zusammenhalt.

So eine schwere Arbeit gemeinsam schaffen, das verbindet einen, weil man das wirklich nur als Gruppe hinkriegt. Vor dem Narrenbaumstellen treffen wir uns auch immer alle zu einem guten Frühstück, nach dem Narrenbaumstellen zum Vesper. Viele von uns sind ohnehin befreundet, und unter dem Jahr treffen wir uns auch zu Festle. Ach ja, und am 1. Mai stellen wir auch an der Johannesbrücke einen Maibaum auf. Uns macht das einfach Spaß, als eingeschworene Gruppe so etwas hinzukriegen.