Udo Rabsch vor zwei großen Betonscheiben mit Malerei und einem Text von ihm, geschrieben in lateinischer und verfremdeter Schrift von Veronika Nadj. Foto: Rahmann

Der Künstler Udo Rabsch bietet eine herrschaftskritische Sichtweise auf bekannte Mythen der Menschheitsgeschichte und erstellt Werke aus Sand- und Feldsteinen daraus. Seine derzeitige Hauptbeschäftigung ähnelt dabei selbst der einer bekannten mythologischen Figur.

Jeder kennt sie, die Geschichte von Noah als dem einzig Gerechten, der von Gott auserwählt wurde, der Bestrafung der bösen Menschheit durch die Flut zu entgehen, sich eine Arche baute und je ein Tierpaar darin rettete.

Der Künstler Udo Rabsch liest sie anders: Durch das Versprechen Gottes, nie wieder eine solche Flut gegen eine moralisch verdorbene Menschheit zu schicken, „hatten sich Noah und seine Nachfahren die Legitimation dafür verschafft, sich die Welt untertan zu machen“, sagt Rabsch: „Ihre Absichten waren die immerwährende Maximierung des Profits“. Als Skulptur hat er Noah im Kunstpark - als eines von mehreren Skulpturen - aus Straßenbausteinen mit einem Zepter aus Stahlrohr und einem Auspuff als Krone gebildet.

Ein drei Meter hoher Marmorengel steht im Kunstpark – ein Gemeinschaftswerk von Udo Rabsch, Veronika Nadj und Foto: Rahmann

Rabsch hat Theologie studiert – sei aber schon damals mit den herrschenden Deutungsweisen aneinandergeraten. Bei einer Tagung im evangelischen Stift in Tübingen Mitte der 60er Jahre stellte er in einer Rede die Sterblichkeit des Menschen als zentrales Ideal heraus. So erleichtere die Tatsache, dass wir als Menschen auf der Erde sowieso alles verlieren werden, unser Hab und Gut schon zu Lebzeiten zu verschenken. Die Anwesenden haben ihn daraufhin „Faschist“ und „Menschenverächter“ genannt, sagt Rabsch, der damals das Studium abbrach und Arzt wurde.

Vater war ein hoher SS-Beamter

Als Arzt arbeitete er unter anderem für eine illegale mexikanische Landarbeitergewerkschaft – ohne Einkünfte lediglich für Essen, Trinken und ein Zimmer. Die Umgangsweise in Deutschland mit der NS-Vergangenheit, wo „alles hurra-mäßig wieder aufgebaut wurde“ nach dem Krieg, verstörte Rabsch, dessen Vater beim SS-Reichssicherheitshauptamt in Berlin arbeitete – der zentralen Behörde im Nationalsozialismus. Als Kind tief geprägt habe ihn, als die amerikanischen Besatzungssoldaten der Bevölkerung einige der im Rahmen des Holocaust ermordeten Juden vorgeführt haben, sagt er.

Die Zivilisation sei nur oberflächlich

Den NS verarbeitet Rabsch auch unter anderem in seinem Roman „Maria vom Schnee“. Dort kommt ein Kind vor, das von einem weisen Bierfassfahrer mit seinen starken Händen fasziniert ist. Als es später von seinen grausamen Taten im Konzentrationslager erfährt, ist es auf der einen Seite geschockt – auf der anderen Seite will die alte Faszination den neuen Erkenntnissen nicht weichen. „Die Kultur des Mitmenschlichen ist eine Tünche. Man darf froh sein, wenn sie eine Weile hält“, sagte Rabsch vor über zehn Jahren in einem Interview mit der Kunst-Bloggerin Nicole Carina Fritz.

Udo Rabsch neben seiner Skulptur von Noah, im Hintergrund die Arche aus Stein. Foto: Rahmann

Dem Herrenmenschen als Ideal stellt Rabsch den historischen Jesus entgegen – den er ebenfalls als Skulptur im Park aufgestellt hat. Armut, Schwäche und Krankheit „als das zentrale menschliche Sein“ werden von Jesus als „Kontrapunkt gegen eine Ideologie der Stärke und des Massenmords“ verkörpert, sagt Rabsch.

Ein leichter Stein für Sisyphos

Zur Zeit ist er viel damit beschäftigt, den Kunstpark zu erhalten. „Ich restauriere ununterbrochen“, sagt er und erinnert dabei selbst an eine mythologische Figur: Sisyphos, dessen Schicksal es war, einen Stein immer wieder den Berg hochzurollen, der anschließend wieder hinunterrollt. Sisyphos, von dem der französische Philosoph und Schriftsteller Albert Camus einst sagte, man müsse ihn sich als glücklichen Menschen vorstellen. Und auch Sisyphos findet sich im Kunstpark als Figur wieder, Rabsch hat ihm einen leichten Stein vor die Füße gelegt, „der in zwei Hände passt“. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, ließe sich wohl dazu sagen. Und, dass man sich nur ein leichtes wünschen kann – oder schenken.

Kunstpark und philosophischer Hintergrund

Kunstpark
Neben 15 Steinskulpturen und -Reliefs, die bis zu zwei Meter hoch sind gibt es im Kunstpark auch ein 20 Meter langes Steinschiff (die Arche Noah) und einen drei Meter hohen Marmorengel, dessen Flügel von Veronika Nadj entworfen wurden. Durch den Kunstpark führt ein etwa 200 Meter langer öffentlich begehbarer Feldweg, der hangabwärts parallel zur Mömpelgardgasse verläuft.

Philosophie
Den Gedanken, eine Verbindung zwischen alten Mythen und aktuellen Problemen in der Welt zu ziehen, hatten bereits die Philosophen Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in ihrem Werk „Dialektik der Aufklärung“ im Geburtsjahr von Rabsch 1944. Bereits Odysseus habe sich im Mythos nur durch List und Tücke gegen die Ungeheuer – welche die übermächtige Natur symbolisieren – auf seiner Irrfahrt wehren können und so den Grundstein für eine instrumentelle Vernunft gesetzt. Dieses zweckmäßige Denken führe zur Herrschaft des Menschen gegen sich selbst, andere Menschen und die Natur.