Im Anflug: Vinzenz Geiger schnappte sich bei den Peking-Spielen Gold von der Normalschanze. Foto: Karmann

Am 24. Juni kommt die IOC-Exekutive im schweizerischen Lausanne zusammen. Das klingt unspektakulär – aber die Zukunft einer ganzen Sportart steht auf dem Spiel.

Auch in Schonach im Schwarzwald-Baar-Kreis, dem Austragungsort des traditionsreichen Schwarzwald-Pokals, wird am Freitag gezittert. Das Internationale Olympische Komitee wird "das Veranstaltungsprogramm von Milano Cortina 2026 bestätigen", wie das IOC auf Nachfrage nüchtern mitteilt.

Telemarken statt kombinieren?

Diese Bestätigung hat es aber in sich, denn der internationale Skiverband FIS hat dem IOC nicht nur empfohlen, die Nordische Kombination der Frauen ins Programm 2026 aufzunehmen, sondern auch Damen-Skispringen von der Großschanze und Telemark-Skiing, eine Trendsportart, die die Jugend mit Elementen aus dem Freestyle-Bereich des Snowboardens anlocken will.

IOC will Jugend locken

Letztgenanntes ist ganz im Sinne des IOC, das ja auch Skateboarden ins Sommerprogramm gehoben hat. Dagegen hat die Kombination der Frauen dem Vernehmen nach bei den Hütern der Olympischen Idee keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Denn eine Sache soll auf gar keinen Fall passieren: Die Teilnehmerzahl soll die Marke von 2900 auf gar keinen Fall übersteigen. 2018 in Pyeongchang waren 2952 Athletinnen und Athleten am Start, 2022 in Peking 2892. Das heißt: Kommen irgendwo Starter hinzu, müssen sie anderswo wieder wegfallen.

Kein Geld zu holen

Zudem gilt den IOC-Granden um Präsident Thomas Bach die Nordische Kombination der Frauen als wenig gewinnbringend – im wahrsten Sinne des Wortes: Sie spült kein Geld in die Kasse. Auch die Männer fristen ein im Vergleich zu anderen Disziplinen eher karges Dasein. Schon der Antrag, die Damen 2022 ins Programm zu nehmen, wurde vom IOC abgeschmettert.

Was brüten die Olympier aus?

Jetzt geht im Lager der Kombinierer die Angst um: Wenn die Damen 2026 nicht aufgenommen werden, fliegen spätestens 2030 auch die Männer aus dem Programm. Schließlich hat sich das IOC auf die Fahnen geschrieben, in allen Sportarten die gleichen Voraussetzungen für Männer und Frauen herzustellen. Offiziell heißt das so: "Als Anführer der Olympischen Bewegung ergreift das IOC kontinuierliche Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter." Was klingt, wie wenn das IOC gar keine andere Wahl hätte, die Damen-Kombination ins Programm zu heben, könnte zum Bumerang werden: Wenn die Damen nicht dürfen, dürfen die Herren auch nicht. 


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Könige oder Bettler?

"Die Nordische Kombination gehört zu den Ursprungsdisziplinen der Olympischen Winterspiele", verweist Bundestrainer Hermann Weinbuch auf die "sehr hohe Tradition" und kann die ganze Diskussion gar nicht verstehen. "Die Sportart steht vielleicht nicht so im Fokus, weil sie sehr, sehr schwierig ist", weiß Weinbuch, er unterstreicht aber: "Ich sehe uns so ähnlich wie die Zehnkämpfer, die die Könige der Leichtathleten sind. So ähnlich ist das bei uns auch: Wir sind die Könige des Wintersports!"

Jarl-Magnus Riiber regt sich auf

Aber vielleicht bald ohne Reich. Das bringt den Norweger Jarl-Magnus Riiber, den uneingeschränkten Dominator der Sportart, auf die Palme. "Das wäre so, als würde man die Leichtathletik von den Sommerspielen entfernen." Kopfschütteln verursachen die aus IOC-Kreisen durchgesickerten Gerüchte, dass die Gedanken auch in Richtung komplette Abschaffung gehen, auch bei Youngster Julian Schmid. "Das ist eine Ursprungssportart", sagt er anklagend, "das wäre schon ein herber Schlag, wenn die aus dem Programm genommen würde." Oder, wie es der sechsmalige Weltmeister Johannes Rydzek ausdrückt: "So stirbt eine nordische Sportart langsam aus."

Schleichender Tod droht

Denn klar ist: Ohne die olympische Bühne würde sich die nordische Kombination nicht mehr halten können. Daher gilt alle Hoffnung beim Deutschen Ski-Verband (DSV), der einen Gutteil seiner Medaillenausbeute im Winter in den Kombinations-Wettbewerben erntet, der Aufnahme der Damen-Wettbewerbe.

Das wäre auch eine große Genugtuung für Horst Hüttel. Der DSV-Sportdirektor, ehemals ebenfalls Kombinierer und heute zuständig für Skispringen und die Nordische Kombination, hat in den Aufbau der Weltcup-Strukturen bei den Damen viel Arbeit und Herzblut investiert.

Horst Hüttel diplomatisch

Das IOC selbst hatte gefordert, die Nordische Kombination in die Neuzeit zu überführen und für Männer und Frauen gleiche Bedingungen zu schaffen. "Der Sport und die FIS haben die Aufgaben, die vom IOC vorgegeben werden, vollumfänglich erfüllt", erklärt Hüttel diplomatisch. "Für die ganze Wintersportfamilie wäre es schön, wenn die Sportart für die Damen mit aufgenommen würde", sagt er, "da uns dies auch Nachwuchs rekrutieren würde."

Dünne Startfelder

Der Welt-Skiverband ist optimistisch, dass alles gut geht. "Die FIS hat in den vergangenen Saisons daran gearbeitet, die Nordische Kombination der Frauen Schritt für Schritt auf olympisches Niveau zu bringen", heißt es von dort auf Nachfrage. Ein wenig geschönt ist diese Aussage schon, wenn man bedenkt, dass in der vergangenen Saison die Startfelder recht dünn und die Spitze mit drei sehr guten Athletinnen und einer großen Lücke zum Rest auch nicht gerade ausgeprägt war. "Die Disziplin muss schon noch ein bisschen wachsen", sagt Deutschlands vielversprechendste Athletin, Jenny Nowak. Aber zum Wachsen wäre eine olympische Zukunft sicher ein guter Anreiz.