Der Angeklagte Mohammed O. am ersten Verhandlungstag. Foto: Gerichtszeichnung: Rainer Simon

Vierter Verhandlungstag. Hat Mohammed O. einen Freund gebeten, für ihn bei der Polizei zu lügen? 

Horb - Hat Mohammed O. einen Freund gebeten, für ihn bei der Polizei zu lügen? Am vierten Verhandlungstag sagte der Mann aus, der den Angeklagten am Tag des Leichenfunds begleitete.

Seitdem er die Leiche des Horber Unternehmers gesehen hat, leidet der Zeuge an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Laut Gericht handelt es sich um eine Retraumatisierung. Denn der Mann habe auch schon durch Ereignisse in seiner syrischen Heimat ein Trauma erlitten.

Deswegen sei es auch nicht zumutbar, dass der Zeuge den beiden Angeklagten – neben Mohammed O. sein mutmaßlicher Komplize Iyad B. – im Gerichtssaal begegne, lautet der Beschluss des Vorsitzenden Richters Münzer. Während der Zeuge aussagt, verfolgen die Angeklagten das Geschehen in einem anderen Zimmer über Video- und Audio-Übertragung.

Und was der Mann zunächst vorbringt, ist nicht von Vorteil für O. Er schildert sehr präzise und strukturiert die Ereignisse am Samstagmorgen, als Riechers Leiche entdeckt wurde. "O. rief mich an dem Morgen um 8.15 Uhr an. Ich hatte noch geschlafen. Er sagte: ›Möchtest Du mir helfen, die Tür bei mir zu Hause zu reparieren?‹"

O. habe zuerst erfolglos bei Riecher geklingelt

Der Freund von O. willigte ein und wurde von dem Angeklagten abgeholt. Doch zur Überraschung des Freundes ging es nicht zum Haus, in dem O. lebte, so die Schilderung des Mannes. Mohammed O. sei direkt zu Riecher gefahren. "Im Auto hat er mit erzählt: ›Ich hatte letzte Nacht einen Traum, dass einer meiner Angehörigen gestorben ist‹." O. habe zuerst erfolglos bei Riecher geklingelt, dann bei der Nachbarin. "Ich habe ihn gefragt, ob wir nicht zu ihm wollen und die Tür reparieren." Sie fuhren dann vom Haus Riechers – auch der Zeuge kannte den Unternehmer gut – in der Weikersthalstraße weg. "Wir sind zu O. nach Hause, um einen Kaffee zu trinken. Dort war aber keiner vorrätig, deshalb sind wir zum Kaufland gefahren."

Als die beiden wieder nach Nordstetten gefahren seien, habe O. allerdings wieder nicht seine Wohnung angesteuert. "Wir sind wieder zurück zu Michael. Ich habe ihn gefragt, was das bringen soll, er sei doch nicht zu Hause."

Doch O. ließ sich davon nicht abbringen Er habe gesagt, dass er sich Sorgen um Riecher mache. Er klingelte wieder bei der Nachbarin, die ihm schließlich die Eingangstür öffnete. O. bat seinen Freund, bei Riecher anzurufen. Doch ein Klingeln sei nicht zu hören gewesen.

Als die Nachbarin leicht die Wohnungstür von Riecher öffnete, sah sie den Toten und schrie. Der Zeuge berichtet: "O. ist ganz schnell reingegangen in die Wohnung. Ich habe lediglich die Beine der Leiche gesehen. Ich war sehr verstört." Der Mann erzählt weiter: "Ich habe O. angeschrien: Warum bist Du reingegangen?" Dieser habe erzählt, dass er dem toten Riecher an den Nacken gefasst habe. Die beiden fuhren schließlich weg vom Tatort. O. habe in dieser Zeit zwei Anrufe erhalten. "Ich fragte nach. Er erzählte mir, dass einer der Anrufer einen Termin mit Riecher gehabt hätte."

"O. sagte, er habe die Polizei angelogen"

Dann am Abend ein Anruf von O. bei seinem Freund: "Er hat mir erzählt, dass die Polizei bei ihm zu Hause gewesen sei. Dann hat er gesagt: ›Ich habe die Polizei angelogen und würde dich bitten wollen, die Polizei für mich mitzubelügen." Er habe O. dann gesagt, dass er doch am nächsten Tag um 10 Uhr zu ihm nach Hause kommen sollte.

Der Zeuge berichtet, dass seine Tochter ein Diktiergerät auf seinem Handy für ihn eingerichtet habe. Dann will der Mann von dem Mitschnitt berichten, den er auch der Polizei übergeben hat. Doch das ist möglicherweise ein Problem. Denn diese Aufnahme ist ohne Kenntnis des Angeklagten erfolgt. Die Verteidigung will deshalb die Aussage des Zeugen nicht zulassen, die Kammer muss darüber entscheiden. Doch erst einmal endet die Vernehmung.

Denn zu diesem Zeitpunkt ist es schon 18 Uhr. An diesem Verhandlungstag geht nichts mehr. Auch die Befragung der anderen Zeugen hatte sich hingezogen. Fakt ist: Die Verteidiger beschäftigen sich mit fast mit jedem Zeugen intensiv. Der Prozess wird deutlich länger dauern als die bisher angesetzten zehn Termine. Fünf weitere sind nun schon eingeplant.

Verteidiger von O. fragen intensiv nach

"An jedem Zeugen arbeitet sich die Verteidigung ab, fährt die gleiche Strategie", sagt ein Prozessbeteiligter. Die Strategie könnte lauten: Zweifel an dem von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Tatverlauf aufbringen und mögliche Revisionsgründe schaffen.

An dem vierten Verhandlungstag war es zunächst um die Schulden des mutmaßlichen Mörders Mohammed O. bei Bekannten gegangen und wie und wann sie ihr Geld zurückbekamen – vor der Tat, am Tag der Tat oder danach. Einem Freund schuldete er wohl noch 100 Euro. Er forderte O. zur Rückzahlung auf. Handydaten zeigen, dass er ihn am Freitagabend, als auch der Mord geschah, kontaktierte. O. habe ihm dann am Abend noch das Geld vorbeigebracht.

Noch ist nicht klar, warum O. Bekannte anpumpen musste, obwohl er ein geregeltes Einkommen hatte. Seine 125 Euro monatlich an eine private "Spargemeinschaft" – eine arabische Tradition – von 14 Flüchtlingen habe er aber immer gewissenhaft gezahlt, berichtet ein weiterer Zeuge. Auch ihm schuldete der Angeklagte Geld.

Und auch hier soll O. nach dem Tag, als Riecher ermordet wurde, die 100 Euro zurückgezahlt haben. Die Verteidiger von O. fragen intensiv nach. Ob die Rückzahlung von O. nicht auch das Geld aus dem "Sparklub" gewesen sein könnte. Der Zeuge hat Schwierigkeiten mit der Erinnerung. Gut zwei Stunden befindet er sich im Zeugenstand. Eine halbe Stunde war für ihn ursprünglich eingeplant. Und zwei weitere Zeugen müssen an einem anderen Tag wiederkommen.

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