Alexander Herfort (links), Uta Cornelius und Siegfried Sauter, die Sprecher der "Bürgerinitiative gegen Müllverbrennung in Albstadt". Foto: Kistner

Kampagne gegen Müllverbrennung spielt sich Corona-bedingt primär im Internet ab. Andere Wege derzeit blockiert.

Die "Bürgerinitiative gegen Müllverbrennung in Albstadt" hat mittlerweile mehr als 1800 Internetvoten gegen das Ebinger Heizkraftwerkprojekt der Firma Korn gesammelt. Die Kampagne spielt sich primär im Internet ab; andere Wege sind derzeit blockiert. Durch Corona.

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Albstadt-Ebingenv- Es sind keine guten Zeiten für Bürgerinitiativen, die es eilig damit haben, ihr Anliegen unter die Leute zu bringen: Flugblätter auf der Straße verteilen geht nicht, der Infostand auf dem Wochenmarkt geht auch nicht; als die Bürgerinitiative gegen Müllverbrennung es im November in aller Unschuld versuchte, schritt das Ordnungsamt ein – bleibt allenfalls noch der gute alte Postwurf als Option.

Nicht überall auf einer Linie

Siegfried Sauter, Alexander Herfort und Uta Cornelius, die drei Sprecher der Initiative, und ihre 15 bis 20 Mitstreiter wären gerne wesentlich aktiver und auffälliger, aber dafür fehlen derzeit die Voraussetzungen. Nur zu gern würden sie ihre Argumente einmal direkt und Auge in Auge mit der Gegenseite in einer Bürgerversammlung vorbringen, aber dazu wird es vermutlich nicht kommen – übrigens auch zum Leidwesen von Alexander Korn, mit dem sich Sauter, Herfort und Cornelius zumindest in diesem Punkt einig wissen.

In vielen anderen dagegen nicht. Die Mitglieder der Initiative sind intern nicht überall auf einer Linie; nicht alle lehnen die Energieerzeugung via Abfallverbrennung grundsätzlich ab – wohl aber den Fuß des Malesfelsen als Standort eines mit Ersatzbrennstoffen befeuerten Heizkraftwerks. Ihr wichtigstes Argument ist die Topographie: Ebingen liege in einem Tal, in dem Inversionslagen an der Tagesordnung seien – unten sammle sich vergleichsweise kalte Luft, die nicht nach oben abziehen könne, weil ein Deckel aus wärmerer Luft den Topf abschließe. Das Resultat, so Siegfried Sauter, werde in nebligen Übergangsjahreszeiten buchstäblich anschaulich: "Fahren Sie dann mal den Talgang runter – spätestens hinter Truchtelfingen kommt die Suppe." Eine Suppe, die, weil der Weg nach oben versperrt ist, seitlich abfließt. "Straßberger und Lautlinger sind auch betroffen. Die wollen wir nach Möglichkeit auch mobil machen."

"Holcim bekommt regelmäßig Sondergenehmigungen"

Aber ist diese "Suppe" denn so ungenießbar? Was ist mit dem Hinweis der Firma Korn auf die Grenzwerte, die großzügig unterschritten würden, und mit ihrem Bekenntnis zu digitaler Transparenz bei der Überwachung dieser Grenzwerte? Deren Festsetzung sei doch politische Ermessenssache, argumentieren die Drei – und was passiere, wenn die Grenzwerte einmal nicht hoch genug seien, dass könne man in Dotternhausen beobachten. "Holcim bekommt regelmäßig Sondergenehmigungen".

Im Übrigen aber entstünden bei der Verbrennung aller jener nicht recycelbaren Gewerbeabfälle, die Korn zu Ersatzbrennstoff verwandle, zwangsläufig zahllose Verbindungen, die nicht identifiziert geschweige denn gemessen würden. "Die kennt keiner", sagt Sauter. "In der Chemie finde ich nur, was ich suche." Dass alle diese unbekannten Verbindungen unschädlich seien, kann er sich angesichts der Zutaten des Cocktails nicht vorstellen.

Gleichwohl will er gar nicht so weit gehen, ein Verbot der Müllverbrennung zu fordern; er konzediert, dass der Müll irgendwo hinmüsse und andere derzeit praktizierte Entsorgungsvarianten auch nicht überzeugend seien. Doch wenn schon verbrannt werden müsse, dann bitte nicht in einem dicht besiedelten Talkessel, sondern möglichst ortsfern und autobahnnah – "irgendwo zwischen B 27 und A 81". Aber wird nicht selbst in Großstädten Müll verbrannt? "Mag sein – aber muss man jeden Unsinn nachmachen? Zumal, wenn man sich andernorts als lebens- und liebenswertes Naturidyll zu verkaufen versucht?"

Das letzte Wort in dieser Sache hat der Gemeinderat, und der, unterstellt das Sprechertrio, stehe der Sache mehrheitlich skeptisch gegenüber, desgleichen der Oberbürgermeister. Aber sicher kann man sich nicht sein, und deshalb werden weiter Voten, Klicks und Unterschriften gesammelt. Auch wenn die Zeiten dafür schlecht sind.