Ein Obdachloser liegt in der Stuttgarter Innenstadt unter einem Schlafsack. Foto: dpa/Marijan Murat

In drastischen Worten warnen Deutschlands Sozialverbände vor massiven Kürzungen im Sozialbereich, die der geplante Bundeshaushalt für 2024 mit sich bringen würde. Sie wehren sich gegen Kürzungen und fordern einen Kurswechsel.

Mehrere große Wohlfahrtsverbände in Deutschland haben angesichts der geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt vor einem Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur in Deutschland gewarnt.

„Viele soziale Angebote in ganz Deutschland drohen vollständig wegzubrechen, da gestiegene Kosten finanziell nicht ausreichend kompensiert werden können“, heißt es in einer am Dienstag (17. Oktober) in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Darin werden die Ergebnisse einer Umfrage unter gemeinnützigen Einrichtungen ausgewertet.

Forderung nach Kurswechsel statt Kürzungen

„Trotz steigender Nachfrage mussten vielerorts bereits Angebote und Hilfen eingeschränkt beziehungsweise reduziert oder sogar ganz eingestellt werden“, mahnen die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Diakonie Deutschland und der Paritätische Wohlfahrtsverband. Es drohten aber noch weitergehende Einschränkungen, warnen die Verbände.

Sie fordern die Bundesregierung auf, von den geplanten Kürzungen Abstand zu nehmen. Notwendig sei „ein ambitionierter steuer- und finanzpolitischer Kurswechsel“, heißt es weiter.

„Die Leistungen der Freien Wohlfahrtspflege sind systemrelevant“, betont Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Wer hier einschneidet, schadet letztlich auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland und gräbt der Wirtschaft das Wasser ab. Das sollte sich der Finanzminister hinter die Ohren schreiben. Und dann müssen Taten folgen.“

Einschränken und Einstellen von Angeboten

An der Umfrage beteiligt waren demnach mehr als 2700 gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen aus dem gesamten Spektrum sozialer Arbeit. Diese hätten seit Anfang 2022 durchschnittlich Kostensteigerungen um 16 Prozent verzeichnet. Fast jede dritte befragte Einrichtung habe Personal abbauen müssen oder plane Entlassungen.

40 Prozent der befragten Organisationen und Einrichtungen mussten demnach Angebote und Leistungen aus finanziellen Gründen einschränken oder einstellen. 65 Prozent erwarten weitere derartige Maßnahmen. Die Umfrage fand im Zeitraum vom 29. September bis zum 10. Oktober statt.

Wie hoch sind die Ausgaben für den Sozialbereich?

Anfang September hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) den Entwurf des Haushaltsetats 2024 in den Bundestag eingebracht. Der Bund will demnach im kommenden Jahr insgesamt 445,7 Milliarden Euro ausgeben – rund 30 Milliarden weniger als in diesem Jahr vorgesehen. Die Neuverschuldung soll 2024 laut Entwurf bei 16,6 Milliarden Euro liegen – und damit rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr.

Das mit Abstand meiste Geld ist wie jedes Jahr für den Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums vorgesehen. Knapp 172 Milliarden Euro sollen dafür 2024 bereitgestellt werden. Das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts. Allein für die Rentenversicherung sind dem Entwurf zufolge 127 Milliarden Euro Steuergeld vorgesehen. Die Investitionen des Bundes sollen bei rund 54 Milliarden Euro liegen, deutlich weniger als 2023.

Wo soll gespart werden?

Geplant ist unter anderem, den Zuschuss für die Pflegeversicherung komplett wegfallen zu lassen und den Zuschuss für die Rentenkassen zu kürzen. Zudem sollen bislang gezahlte Sonderzuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung gestrichen werden. Das Familienministerium muss zudem beim größten Posten des Etats, dem Elterngeld, Abstriche machen.